Die Ereignisse am 21. November müssen aufgearbeitet werden. Dafür wird aktive Mitarbeit benötigt: Wenn ihr Verletzungen, Angriffe durch Nazis, Polizeimaßnahmen wie beispielsweise Kessel oder Bedrohung mit Ordnungsgeld beobachtet habt oder selbst davon betroffen wart, fertigt bitte ein Gedächtnisprotokoll an und schickt es – möglichst verschlüsselt – an .
Liebe Antifaschist:innen, liebe Menschen,
der 21. November war kein guter Tag für die Nazis, die sich an dem Tag für eine Demonstration in Leipzig verabredet hatten. Ganz im Gegenteil zum 07. November, als die Polizei vor „Querdenken“ kapitulierte während der Gegenprotest eingekesselt wurde und tausende ohne Beachtung von Hygienerichtlinien um den Ring marschierten. Doch auch für den 21. November wollen und können wir dem Einsatzkonzept der Polizei kein glänzendes Zeugnis ausstellen. Zwar wurde diesmal vermehrt auf Hygienebestimmungen geachtet, dennoch waren die Planlosigkeit einzelner Einheiten, Kommunikationsprobleme zwischen ihnen und die bekannte Doppelmoral von gutem(=bürgerlichem) und bösem(=linkem) Protest offensichtlich.
Die Polizei hatte die Lage entgegen der eigenen vollmundigen Behauptungen eben nicht im Griff.
So wurden nach der Auflösung der angemeldeten Versammlung des Nazi-Klientels die Teilnehmenden in Richtung Innenstadt geleitet wo sie sich zu kleineren und größeren spontanen Demonstrationen versammeln konnten. Das diese sich nur sehr eingeschränkt bewegen durften ist den entschiedenen antifaschistischen Interventionen zu verdanken. Euch allen gilt dafür unser Dank.
Es kam erneut zu Angriffen und Verletzten durch Neonazi- und Hooligan-Gruppen, die die Konfrontation mit dem Gegenprotest suchten. Die Polizei kesselte ohne Nennung von Gründen oder Vorwürfen größere Gruppen von Menschen ein und bedrohte sie mit Anzeigen und Ordnungsgeldern wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung. – Ein Witz der Leipziger Polizei auf Kosten der hier lebenden und engagierten Menschen: während man den rechten Maskenverweigerer:innen den Deal anbot keine Personalien zu kontrollieren und wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung zu belangen greift man zu eben jener Verordnung um den Protest derer zu gängeln, die für die Einhaltung ebendieser demonstrieren.
Teilnehmende einer „corona-kritischen“ Spontandemonstration werden in der Innenstadt von Polizist:innen begleitet. Als vor dem Aufzug die Straße durch eine Sitzblockade gesperrt wird wirft die Polizei ihre Aufgabe der „Trennung der verschiedenen Lager“ über Bord und bahnt der ungenehmigten „Querdenker“-Demo einen Weg über die Köpfe der Teilnehmer:innen der Sitzversammlung, welche Gelegenheit freilich in Form von Tritten gegen die sitzenden Aktivist:innen genutzt wurde.
Wir möchten allen Verletzten in Solidarität Grüße und Gute Besserung übermitteln!
*Die Ereignisse am 21. November müssen aufgearbeitet werden und dafür brauchen wir wieder eure aktive Mitarbeit um uns ein möglichst umfassendes Bild der Vorgänge zu machen: wenn ihr Verletzungen, Angriffe durch Nazis, widerrechtliche Polizeiaktionen wie beispielsweise Kessel oder Bedrohung mit Ordnungsgeld beobachtet habt oder selbst davon betroffen ward, fertigt bitte so bald wie möglich ein Gedächtnisprotokoll an.*
In ein Gedächtnisprotokoll gehören keine Namen, dafür aber konkrete (oder geschätzte) Uhrzeiten, Ortsangaben oder die geschätzte Größe der Personengruppe, mit der ihr auf der Straße saßt etc. Außerdem schreibt bitte nichts, was euch selbst belasten könnte in euer Protokoll.
Bitte teilt uns in eurem Gedächtnisprotokoll mit, wie wir damit umgehen dürfen. Wir halten uns daran, was ihr diesbezüglich bestimmt. Eure Gedächtnisprotokolle werden von uns nicht veröffentlicht, aber womöglich anonymisiert in einen Text zu den Vorgängen am 21. November eingefügt.
Seitens der Presse gibt es bereits Interesse die Ereignisse auch medial und öffentlich zu verarbeiten – wer sich also vorstellen könnte als Betroffene mit der Presse zu sprechen wird gebeten einen Kontakt (z.b. mail-adresse) anzugeben, wir vermitteln euch dann vertrauenswürdig weiter.
Sollte es dazu kommen, dass Teilnehmende unseres Protestes Ordnungsgeld nach der Coronaschutzverordnung zahlen sollen, behalten wir uns vor dagegen politisch aktiv anzugehen. Falls ihr Interesse an einer Mitwirkung bei einer möglichen Solidaritätskampagne haben solltet, schreibt das gerne auch mit zu eurem Gedächtnisprotokoll.
Bitte sendet eure Gedächtnisprotokolle (gerne verschlüsselt) an ; unser PGP-Schlüssel ist hier.
Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ zieht eine vorläufige Bilanz zum gestrigen Demonstrationsgeschehen:
Zuallererst danken wir den nahezu 4000 Demokrat:innen, die gestern überall in Leipzig demonstriert und einen erneuten Erfolg des Querdenk-Rechte-Sammelsuriums verhindert haben. Unser Dank gilt auch Gesine Oltmanns, die mit der Schilderaktion „Leipzig denkt selbst – Leipzig braucht keine Querdenker!“ für ein klares und medial gut vermittelbares Bild gesorgt hat, sowie allen Redner:innen auf den gestrigen Kundgebungen.
Der Demonstrationstag startete mit dem Versprechen der Behörden, die Maßnahmen der Corona- Schutz-Verordnung durchsetzen zu wollen. Dies mutete auch anfänglich so an, zumindest was die angemeldete rechte Versammlung auf dem Kurt-Masur-Platz betraf. Dort wurde tatsächlich von der Ordnungsbehörde gemeinsam mit der Polizei durchgegriffen.
Nach Auflösung der angemeldeten Kundgebung, zu der die 500 Teilnehmenden angereist waren, konnten wir aber kein wirkliches Konzept mehr erkennen. Die Kleingruppentaktik der Hooligans sowie der Versuch der Querdenk-Melange, nach einer (verbotenen) Demonstration in der Innenstadt zusätzlich eine auf dem Ring durchzuführen, war absehbar und wurde durch das Aktionsnetzwerk gegenüber den Behörden im Vorfeld kommuniziert. Es lag damit auch nah, dass die sog. Querdenker:innen nach dem Ende ihrer Versammlung nicht einfach gehen würden. Es war ein Fehler, dieses Personenspektrum danach in die Innenstadt abfließen zu lassen.
Ohne antifaschistische Intervention wäre der dann veranstaltete Aufzug vermutlich auf den Ring gekommen. Deswegen ist es besonders ärgerlich, dass schon wieder mit zweierlei Maß gemessen wurde. Kleine antifaschistische Blockaden wurden gekesselt, mit Identitätsfeststellungen überzogen, und es wurden Bußgelder verhängt. Hingegen wurde der Aufzug der Querdenker:innen, Nazis und Hools zwar in der Großen Fleischergasse gekesselt, jedoch ohne tatsächliche Folgen für die Beteiligten. Und dies geschah, obwohl hier ganz klar die Teilnahme an einer verbotenen Versammlung und weitere Verstöße gegen die Corona-Schutz-Verordnung vorliegen. Es bleibt die Frage, warum die Polizei nicht konsequenter, etwa mit Verhängen von Platzverweisen, durchgegriffen hat, um sicherzustellen, dass die großenteils angereisten Querdenker:innen die Stadt verlassen. Wie schon im Ergebnis der verbotenen Versammlung am 7. November bereitet das Aktionsnetzwerk Anzeigen gegen Personen aus dem Querdenker:innen Spektrum vor.
Deutlich geworden ist im bislang bilanzierten Ergebnis auch, dass die Querdenker:innen-Demonstration massiv durch extreme Rechte dominiert war. Rechte Kampfsportgruppen wie „Knockout 51“ bilden dabei die Gewalt der Querdenker:innen ab, in der Bereitschaft sich die Straße freizuschlagen. Youtuber wie die Holocaustleugner Nikolai Nerling und Sven Liebich, die beide in Leipzig waren, dominieren die Berichterstattung. Dass auch AfD Land- und Bundestagsabgeordnete an der verbotenen Versammlung teilnahmen und damit Recht und Gesetz abermals mit Füßen traten, darf nicht unerwähnt bleiben.
Bis zu einer detaillierteren Auswertung der eingehenden Berichte bleibt festzuhalten: Antifaschismus bleibt Handarbeit!
Im Nachgang der Ereignisse in der Hildegardstraße, als es nach einer friedlichen Demonstration gegen eine Abschiebung mit bis zu 500 Teilnehmer*innen, zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmer*innen, Unbeteiligten, Anwohner*innen und Polizeibeamt*innen kam, hatten sich im Aktionsnetzwerk aktive und unterstützende Politiker*innen in einem offenen Brief an die Polizei mit der Bitte um ein Gespräch gewandt.
Im Fazit dieses offenen Gesprächs mit der Polizeiführung, welches am 29.07.2019 stattfand, halten wir folgendes fest:
Wir sind uns einig, dass es darum geht, das Versammlungsgrundrecht zu wahren und zu schützen. Beide Seiten eint darüber hinaus der Wille, Eskalationen und Gewalt zu vermeiden. Darüber, wie das in Zukunft gelingen kann, haben wir offen und konstruktiv miteinander gesprochen. Ebenso wie es die Aufgabe der Polizei ist, Bescheide, so unsinnig sie auch sein mögen, ggf. umzusetzen, muss es die Möglichkeit geben, dass alle Menschen, im Rahmen eines kommunikativen Aktes, ihre Meinung zum Ausdruck bringen können. Dazu gehört für uns auch ziviler Ungehorsam als bewusster Akt des Widerstands gegen die Einschränkung von Menschenrechten. Und das jederzeit.
Worum es uns geht, ist deutlich zu machen, dass das Handeln der Polizei zu jederzeit verhältnismäßig sein muss und die Polizei, im Einzelfall, auch eine Maßnahme abbrechen kann. Darüber, wie polizeiliches Handeln im Nachhinein zu bewerten ist und wann die Grenze der Verhältnismäßigkeit erreicht ist, herrscht erwartbarer Dissens. Der gesellschaftliche Auftrag der Polizei geht unserer Meinung nach verloren, wenn die Beamt*innen in den Einsätzen das Feingefühl für eben diese Ausgewogenheit von Exekutivgewalt und erwartbarem Ergebnis nicht wichtig nehmen.
Wir wollen nicht, dass es bei Versammlungen oder in deren Nachbereitung zu Eskalationen kommt. Ebenso muss es möglich sein, polizeiliches Handeln nachvollziehen und im Nachgang kontrollieren zu können. Dazu bedarf es einer Kennzeichnungspflicht und einer tatsächlich unabhängigen Beschwerdestelle. Solche Instrumente würden das Handeln der Beamt*innen transparenter machen und letztlich das Vertrauen in die Arbeit der Polizei fördern. Zudem erwarten wir, dass auch in der sächsischen Polizei eine Fehlerkultur einzieht, die es möglich macht, Einsätze wie den am 9. Juli auch selbstkritisch zu reflektieren. Das Gespräch am 29. Juli war ein erster Schritt dahin, eine kritische Selbsteinschätzung des polizeilichen Handelns in dieser Nacht vermissen wir allerdings weiterhin.
Beim Treffen haben wir deutlich gemacht, dass es nach der Beendigung der angemeldeten Kundgebung auch einen Rückzug der Polizei hätte geben müssen, wodurch eine deutliche Entspannung der Lage erreicht hätte werden können. Dies erwarten wir bei künftigen Einsätzen.
Es ist eine Stärke der Zivilgesellschaft in Leipzig, dass es bei Unstimmigkeiten mit Behörden, egal auf welcher Ebene, zu Gesprächen kommt, um gemeinsam das Geschehene zu reflektieren und zu überlegen, wie in Zukunft Gewalt verhindert werden kann. Uns ist bewusst, dass es Aufgabe der Polizei ist, bestehende Gesetzeslagen zu exekutieren.
Es ist in erster Linie die Landesregierung, die um jeden Preis und ohne Rücksicht auf Einzelschicksale Abschiebungen durchsetzen will. Das kritisieren wir deutlich. Es braucht eine andere Rechtslage, damit Abschiebungen wie die am 9.7.2019 erst gar nicht angeordnet werden. Aber jeder Polizist und jede Polizistin sind mündige Bürger*innen in Uniform. Deswegen können wir sie auch nicht gänzlich aus der Verantwortung bei der Umsetzung entsprechender Weisungen entlassen. Den aufgenommenen Gesprächsfaden gilt es zu fortzuführen, um mit Verständnis und Respekt aufkommende Probleme im Idealfall zeitnah zu lösen.
Juliane Nagel, MdL
Marco Böhme, MdL
Irena Rudolph-Kokot, Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“
Jürgen Kasek, Rechtsanwalt
Pressemitteilung: Leipzig, 29. Juli 2019
Im Nachgang der Ereignisse in der Hildegardstraße, als es nach einer friedlichen Demonstration gegen eine Abschiebung mit bis zu 500 Teilnehmer*innen, zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmer*innen, Unbeteiligten, Anwohner*innen und Polizeibeamt*innen kam, hatten sich im Aktionsnetzwerk aktive und unterstützende Politiker*innen in einem offenen Brief an die Polizei mit der Bitte um ein Gespräch gewandt.
Im Fazit dieses offenen Gesprächs mit der Polizeiführung, welches am 29.07.2019 stattfand, halten wir folgendes fest:
Wir sind uns einig, dass es darum geht, das Versammlungsgrundrecht zu wahren und zu schützen. Beide Seiten eint darüber hinaus der Wille, Eskalationen und Gewalt zu vermeiden. Darüber, wie das in Zukunft gelingen kann, haben wir offen und konstruktiv miteinander gesprochen. Ebenso wie es die Aufgabe der Polizei ist, Bescheide, so unsinnig sie auch sein mögen, ggf. umzusetzen, muss es die Möglichkeit geben, dass alle Menschen, im Rahmen eines kommunikativen Aktes, ihre Meinung zum Ausdruck bringen können. Dazu gehört für uns auch ziviler Ungehorsam als bewusster Akt des Widerstands gegen die Einschränkung von Menschenrechten. Und das jederzeit.
Worum es uns geht, ist deutlich zu machen, dass das Handeln der Polizei zu jederzeit verhältnismäßig sein muss und die Polizei, im Einzelfall, auch eine Maßnahme abbrechen kann. Darüber, wie polizeiliches Handeln im Nachhinein zu bewerten ist und wann die Grenze der Verhältnismäßigkeit erreicht ist, herrscht erwartbarer Dissens. Der gesellschaftliche Auftrag der Polizei geht unserer Meinung nach verloren, wenn die Beamt*innen in den Einsätzen das Feingefühl für eben diese Ausgewogenheit von Exekutivgewalt und erwartbarem Ergebnis nicht wichtig nehmen.
Wir wollen nicht, dass es bei Versammlungen oder in deren Nachbereitung zu Eskalationen kommt. Ebenso muss es möglich sein, polizeiliches Handeln nachvollziehen und im Nachgang kontrollieren zu können. Dazu bedarf es einer Kennzeichnungspflicht und einer tatsächlich unabhängigen Beschwerdestelle. Solche Instrumente würden das Handeln der Beamt*innen transparenter machen und letztlich das Vertrauen in die Arbeit der Polizei fördern. Zudem erwarten wir, dass auch in der sächsischen Polizei eine Fehlerkultur einzieht, die es möglich macht, Einsätze wie den am 9. Juli auch selbstkritisch zu reflektieren. Das Gespräch am 29. Juli war ein erster Schritt dahin, eine kritische Selbsteinschätzung des polizeilichen Handelns in dieser Nacht vermissen wir allerdings weiterhin.
Beim Treffen haben wir deutlich gemacht, dass es nach der Beendigung der angemeldeten Kundgebung auch einen Rückzug der Polizei hätte geben müssen, wodurch eine deutliche Entspannung der Lage erreicht hätte werden können. Dies erwarten wir bei künftigen Einsätzen.
Es ist eine Stärke der Zivilgesellschaft in Leipzig, dass es bei Unstimmigkeiten mit Behörden, egal auf welcher Ebene, zu Gesprächen kommt, um gemeinsam das Geschehene zu reflektieren und zu überlegen, wie in Zukunft Gewalt verhindert werden kann. Uns ist bewusst, dass es Aufgabe der Polizei ist, bestehende Gesetzeslagen zu exekutieren.
Es ist in erster Linie die Landesregierung, die um jeden Preis und ohne Rücksicht auf Einzelschicksale Abschiebungen durchsetzen will. Das kritisieren wir deutlich. Es braucht eine andere Rechtslage, damit Abschiebungen wie die am 9.7.2019 erst gar nicht angeordnet werden. Aber jeder Polizist und jede Polizistin sind mündige Bürger*innen in Uniform. Deswegen können wir sie auch nicht gänzlich aus der Verantwortung bei der Umsetzung entsprechender Weisungen entlassen. Den aufgenommenen Gesprächsfaden gilt es zu fortzuführen, um mit Verständnis und Respekt aufkommende Probleme im Idealfall zeitnah zu lösen.
Juliane Nagel, MdL
Marco Böhme, MdL
Irena Rudolph-Kokot, Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“
Jürgen Kasek, Rechtsanwalt
Leipziger Zivilgesellschaft feiert einen großen Erfolg
„Leipzig nimmt Platz“ bedankt sich gemeinsam mit den im Aktionsnetzwerk verbundenen Initiativen, Gewerkschaften, Parteien, Kirchen bei den tausenden Menschen, die gestern kraftvollen und dynamischen Protest gegen den völkischen Reste-Auflauf von Legida möglich gemacht haben. Zugleich kritisiert das Aktionsnetzwerk das unverständliche und im Verlauf des Versammlungsgeschehens brutale und zum Teil rechtswidrige Vorgehen der Polizei.
„Das Aktionsnetzwerk zeigt sich begeistert, dass sich die Mehrheitsgesellschaft zu so breiten zivilgesellschaftlichen Gegendemonstrationen zusammengefunden hat“, erklärt Christin Melcher für das Netzwerk. „Leipzig zeigt immer wieder, dass es eine von der Mehrheit getragene Haltelinie gibt – Geschichtsvergessenheit, offener Rassismus und Nationalismus sind nicht konsensfähig.“
Legida hatte einen kurzen „Spaziergang“ geplant, mit dem die favorisierte Partei AfD noch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte. Die Inhaltsleere des Aufrufes, der wie üblich nicht über Lügenpresse und Bashing gegen im weiteren Sinne linke Positionen hinausging, konnte kaum 150 Anhänger_innen aktivieren. Diese sahen sich 3000 Menschen gegenüber, die es vermochten, die geplante Strecke mehrfach zu blockieren und sie zum Umlenken zu zwingen. Der Abschluss der Route am Polizeipräsidium konnte nicht stattfinden. Stattdessen musste Legida ihren Spaziergang in eine Straßenbahn gezwängt beenden.
Doch gerade der nicht stattfindende Abschluss an der Polizeidirektion Leipzig wirft ein spezielles Licht auf die taktische Planung der Polizei. Alleine die Proteste konnten – wenn schon nicht den kompletten Abbruch – die Änderung der zur Polizeidirektion anmeldeten Legida-Route bewirken. Im Vertrauen darauf hat dieselbe Polizei, die sicherlich kein Interesse an Legida vor der eigenen Haustür hatte, wieder einmal punktuell gewalttätig reagiert. Ohne Rücksicht und ohne die Beachtung von angezeigten Spontandemos wurde auf Teilnehmende in Sitzblockaden eingeprügelt und mit Hunden auf diese losgegangen. Dabei wurde der Schutz der grundgesetzliche Versammlungsfreiheit eklatant missachtet.
Juliane Nagel, Mitanmelderin dieser Spontanversammlung kommentiert: „Bevor die Verhandlungen überhaupt abgeschlossen waren, wurden die mehr als 100 Teilnehmer*innen entgegen aller Absprachen aus dem Weg geräumt. Dies wird ein Nachspiel haben. Insbesondere die Polizei hat eine Verantwortung Grundrechte zu achten und nicht mit Füßen zu treten.“
Weniger körperliche Verletzungen hat das Agieren der Versammlungsbehörde im Vorfeld der Demonstrationen hinterlassen. „Dennoch ist es ein Akt der vollständigen Ignoranz und Behinderung demokratischen Engagements, wenn alleinig dem Aufmarsch Legidas, der wie gewohnt von der Rückwärtsgewandtheit der Neuen Rechten getragen war, der geschichtsträchtige Leipziger Ring zugewiesen wird. Das Aktionsnetzwerk erwartet hier eine Neuausrichtung im Handeln der Versammlungsbehörde, die – wie schon bei den überdurchschnittlich hohen Strafen für die Sitzblockaden am 2. Mai 2016 – ein transparentes Handeln vermissen lässt. Wir sind zu entsprechenden Gesprächen und Beratungen mit der Verwaltung bereit“, so Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk abschließend.
wir wenden uns an Sie als für die Ordnungsbehörde zuständigen Bürgermeister.
Vor fast einem Jahr, am 2. Mai 2016, fand in Leipzig ein Aufmarsch des Leipziger *Gida Ablegers statt. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ organisierte eine Demonstration, welche zeitlich davor die geplante Legida-Route tangierte.
An diesem Tag beschlossen viele Menschen spontan, sich dem Aufmarsch der *Gida zu widersetzen und meldeten eine Spontanversammlung an. Dabei kam es offensichtlich zu Verwirrungen und auch undurchsichtigen Ansagen von Polizeibeamt*innen.
Die angemeldete Versammlung wurde beauflagt, nur auf einer Straßenseite stattzufinden, was aber von den sich auf der anderen Seite befindlichen Menschen nicht flächendeckend gehört wurde. Viele Demonstrant*innen berichteten hinterher, dass sie absolut nicht verstanden hatten, was in welchem Moment als erlaubt galt und wo genau welche Versammlung stattfand. Diejenigen, die es dennoch verstanden hatten, wurden noch vor der Räumungsaufforderung der Polizei von Beamt*innen daran gehindert, die „falsche“ Straßenseite zu verlassen.
Wie Sie der Darstellung entnehmen können, sehen wir die Sachlage anders, als es die Bußgeldbescheide der Stadt Leipzig nun abbilden. Die Teilnehmer*innen der aufgelösten Versammlung erhielten empfindliche Bußgelder bis zu einer Höhe von 400 Euro.
Abertausende Menschen haben über zwei Jahre verhindert, dass Leipzig zu einem zweiten Dresden werden konnte. Überall rühmt sich die Stadt Leipzig dafür, dass *Gida hier nicht Fuß fassen konnte. Aber diejenigen, die dies ermöglicht haben, werden dafür bestraft. Das ist wenig vertrauensbildend.
Selbst wenn man der Argumentation Ihrer Behörde folgen sollte und die Verstöße nach § 30 Absatz 1 Nr. 1–6 SächsVersG als gegebene Ordnungswidrigkeiten annimmt, verstehen wir nicht die Höhe der Bußgelder. Nach § 30 Absatz 2 SächsVersG kann für die behaupteten Ordnungswidrigkeiten ein Bußgeld von bis zu 500 Euro erhoben werden. Die Ermessensausübung erfolgte in diesen Fällen aus unserer Sicht höchst zweifelhaft.
Wir bitten Sie, die Notwendigkeit und Höhe der verfügten Bußgeldbescheide in den vorliegenden Fällen nochmals intensiv prüfen zu lassen und die Forderungen niederzuschlagen oder zumindest die Höhe der Bußgelder dem obig geschilderten Sachverhalt anzupassen, dass die Demonstrant*innen zwei Jahre lang dazu beigetragen haben, dass Leipzig ein heller Fleck in Sachsen bleiben konnte.
Des weiteren würde uns interessieren, wie es geplant ist, die Mittel aus diesen Bußgeldern zu verwenden.
Selbstverständlich würden wir uns auch über ein Gespräch zum angerissenen Themenkomplex freuen und verbleiben
Mit freundlichen Grüßen
gez. Irena Rudolph-Kokot
für das Aktionsnetzwerk
1. Offenes Treffen am 22.02.17 19:30 Uhr im interim (Demmeringstraße 32)
Zivilcourage ist kein Verbrechen – Lasst uns Solidarität organisieren
Erinnert ihr euch noch an den 2. Mai 2016? Für mehr als 160 Menschen hinterlässt dieser Tag leider sehr schlechte Erinnerungen an Polizeigewahrsam und die Ankündigung strafrechtlicher Maßnahmen.
Am ersten Montag im Mai vergangenen Jahres fand am Leipziger Innenstadtring nicht nur lautstarker Protest gegen das neofaschistische LEGIDA-Bündnis statt, sondern eine dreistellige Zahl von Demonstrierenden beschloss, das „Platznehmen“ wortwörtlich zu nehmen. Auf Höhe der Otto-Schill-Straße setzten sie sich auf die angekündigte LEGIDA-Route. Eine solche Sitzblockade ist eine friedliche Form des zivilen Ungehorsams, um einen Nazi-Aufmarsch vollständig zu verhindern. Dies gelang an diesem Tag nicht, sondern LEGIDA wurde an den sich Widersetzenden vorbei geleitet. Im Anschluss wurden die Personalien von 163 Personen aufgenommen, denen fälschlicherweise ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen wird.
Fälschlicherweise? Allerdings, denn weder wurde LEGIDAs Versammlungsrecht eingeschränkt, noch wurden durch die Teilnehmenden Versammlungsauflagen verletzt. Einige von ihnen berichten, es sei ihnen gar nicht mehr möglich gewesen, noch vor der dritten Räumungsaufforderung die Blockade zu verlassen.
Nun flattern seit über einem Dreivierteljahr mehr als schlechte Erinnerungen ins Haus der Betroffenen: Bußgeldbescheide in überdurchschnittlicher Höhe und willkürliche Strafbefehle gegen Einzelpersonen erreichten nach und nach fast alle, deren Personalien am 2. Mai aufgenommen worden sind. Insgesamt fordert die Stadt Leipzig über 50.000 € für ihre Repression ein.
Es sind nicht nur die Kosten für die Einzelpersonen, die diesen Fall so bitter machen, vielmehr ist es nach zwei Jahren LEGIDA ein fatales Zeichen gegen all diejenigen, die weiterer Repression und Ermüdung zum Trotz gegen die regelmäßigen Nazi-Aufmärsche protestiert haben. Während die Stadt Leipzig und das Land Sachsen Zivilcourage einfordern und anpreisen, werden diejenigen, die sie zeigen, mit Strafbefehlen belegt. Sich dagegen zu wehren, ist schwierig und mühselig. Doch es gibt eines, das alle, ob betroffen oder nicht, ob Gruppe oder Einzelperson, dem entgegensetzen können: Solidarität.
Solidarität bedeutet ihn diesem Fall nicht nur praktische Unterstützung für die Betroffenen, sondern auch ein starkes politisches Zeichen. Rechte Umtriebe und Aufmärsche in Sachsen hat es immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Ob sie nun LEGIDA heißen oder Bürgerbewegung, PEGIDA oder AfD, es ist nicht abzusehen, dass menschenfeindliche Bewegungen in naher Zukunft und ohne Weiteres Geschichte sind. Umso wichtiger ist eine entschlossene Zivilgesellschaft, die ihre Grundrechte nutzt und mit aller Deutlichkeit und allen Mitteln jeglicher Diskriminierung und Ideologie der Ungleichwertigkeit widerspricht.
Um zu planen, wie genau diese Solidarität aussehen soll, findet am 22. Februar ab 19:30 Uhr ein Treffen im Interim in der Demmeringstraße 32 statt. Dort werden Ideen gesammelt und letzten Endes geplant, welche Aktionen der Repression des 2. Mai 2016 entgegengesetzt werden können.
Ihr wollt
einen Solitresen starten?
eine Party feiern?
eine Unterschriftensammlung auf den Weg bringen?
kennt euch mit Crowdfundingprojekten aus?
Vielleicht habt ihr Ideen oder auch Wünsche, vielleicht habt ihr Fragen oder schon Projekte in den Startlöchern – kommt vorbei! Lasst uns Solidarität organisieren!
Liebe Menschen, liebe Betroffene der polizeilichen Maßnahme am 2. Mai 2016, wir ihr wisst gab es am 02.05.2016 im Rahmen der #platznehmen-Demo eine teils sitzende Spontan-Versammlung auf dem Ring, in deren Folge mehr als 160 Personen polizeilich festgestellt wurden. Einige haben inzwischen Strafbefehle bekommen, andere Bußgeldbescheide.
Wir sind gerade dabei ein Betroffenen-Treffen zu organisieren, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln und gegenseitige Unterstützung sicherzustellen. Das Ganze wird voraussichtlich Mitte Februar stattfinden. #STAYTUNED
⚠ Bis dahin, folgende Tipps: ⚠
Wenn ihr einen Strafbefehl erhaltet, könnt ihr dagegen Einspruch einlegen. Dies muss innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt geschehen, sonst wird der Strafbefehl rechtskräftig. Den Einspruch könnt ihr auch später noch zurückziehen, ohne weitere Kosten.
Ähnlich verhält es sich bei dem Erhalt eines Bußgeldbescheides. Hier gilt, dass innerhalb von zwei Wochen Widerspruch eingelegt werden kann. Damit gewinnt ihr erst mal Zeit. Bitte daher nicht vorschnell zahlen.
Nutzt diese Zeit, um Kontakt mit anderen Betroffenen aufzunehmen, und sprecht auf jeden Fall mit dem Ermittlungsausschuss ➡ antirepression.noblogs.org/kontakt
Zum Einspruch einlegen, könnt ihr folgende Formulierung nutzen:
„Zu Aktenzeichen xyxyxy
Gegen den Bußgeldbescheid/Strafbefehl vom XX.XX.XX, erhalten am XX.XX.XX, lege ich Einspruch ein und beantrage Akteneinsicht.
Am 2. Mai 2016 beteiligten sich mehr als 1000 Menschen an den Protesten gegen das menschenfeindliche LEGIDA Bündnis. Allein der Demonstration des Aktionsnetzwerks, die unter dem Motto „Solidarität – Für soziale Gerechtigkeit“ über den Innenstadtring lief, schlossen sich über 750 Personen an.
Kurz nach 19 Uhr ließen sich einige hundert Menschen auf dem Martin-Luther-Ring nieder, um im Rahmen des friedlichen zivilen Ungehorsams ihren Protest gegen LEGIDA kundzutun, während der vordere Teil der Demonstration weiter zum Richard-Wagner-Platz zog. Mit Ordnungsamt und Polizei wurde über die Legalisierung dieser spontanen Versammlung verhandelt. Die Entscheidung des Ordnungsamtes, die Spontanversammlung nur auf einer Ringseite zuzulassen, stieß auf Unverständnis des Verhandlungskollektivs.
„Die Entscheidung von Ordnungsamt und Polizei, eine Ringseite zu räumen, erscheint gerade vor dem Hintergrund, dass die sitzende Versammlung auf dem Ring etwa so viele Teilnehmende umfasste wie der LEGIDA-Marsch, unverhältnismäßig. Anstelle einer gewissenhaften Abwägung und Entscheidung im Sinne der Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit der auf dem Ring Protestierenden, setzten die Behörden auf Repression. Das ist nicht zu akzeptieren und ein Kniefall vor LEGIDA“, so Juliane Nagel, die an den Verhandlungen teilnahm.
Obwohl der LEGIDA-Aufmarsch schlussendlich umgeleitet wurde, endete der Abend für 163 Personen in Polizeigewahrsam und mit der Einleitung von Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Die Polizei filmte immer wieder ohne erkennbare Rechtsgrundlage und setzte wiederholt und ohne erkennbare Strategie körperliche Gewalt ein. Eine Journalistin, die diesen Polizeieinsatz dokumentieren wollte, wurde geschlagen.
Die auf dem Richard-Wagner-Platz Demonstrierenden solidarisierten sich in der Folge mit den in Gewahrsam Genommenen und zogen mit einer friedlichen Spontandemonstration zur Polizeikette, an der eine Kundgebung angemeldet war, um die Festgehaltenen abzuholen. Nach Hinweis des Ordnungsamtsleiters Herrn Loris wurden sie dort in die Ratsfreischulstraße umgeleitet. Ein Verstoß gegen Auflagen, von dem im Polizeibericht zu lesen ist, ist hier nicht bekannt,
„Sowohl die Menschen in der Sitzblockade als auch diejenigen, die sich dann der Spontandemonstration anschlossen, haben zivilen Ungehorsam gelebt, wie er nach Jürgen Habermas prägend ist für eine aufgeklärte Gesellschaft“, erklärt Jürgen Kasek für das Netzwerk.
„Ein weiteres Mal werden Menschen, die Demokratie leben und die Grundrechte gegen deren erklärte Feinde verteidigen, mit Repression überzogen. Dem Vertrauensverlust in den Rechtsstaat wird damit Vorschub geleistet“, ergänzt Juliane Nagel.
Leipzig nimmt Platz wird das Geschehen umfassend auswerten und in Abstimmung mit allen Beteiligten Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Stadt prüfen. Das Aktionsnetzwerk vertritt auch weiterhin die Auffassung, dass ziviler Ungehorsam als Akt des symbolischen Protestes angezeigt ist, wenn Menschenfeinde über die Straßen ziehen und rechte Gewalt sich ausbreitet.
Pressemitteilung: Leipzig, den 3. Mai 2016
„Ziviler Ungehorsam ist ein moralisch begründeter Protest, dem nicht nur private Glaubensüberzeugungen oder Eigeninteressen zugrunde liegen dürfen; er ist ein öffentlicher Akt, der in der Regel angekündigt ist und von der Polizei in seinem Ablauf kalkuliert werden kann; er schließt die vorsätzliche Verletzung einzelner Rechtsnormen ein, ohne den Gehorsam gegenüber der Rechtsordnung im Ganzen zu affizieren; er verlangt die Bereitschaft, für die rechtlichen Folgen der Normverletzung einzustehen; die Regelverletzung, in der sich ziviler Ungehorsam äußert, hat ausschließlich symbolischen Charakter – daraus ergibt sich schon die Begrenzung auf gewaltfreie Mittel des Protests.“
Jürgen Habermas: Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik, in: Peter Glotz (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1983, S. 35.
1500 Menschen protestierten am 4. April gegen LEGIDA & Co.
Am Montag, den 4. April 2016 gingen in Leipzig mehr als 1500 Menschen gegen Menschenfeindlichkeit und Rassismus auf die Straße und beteiligten sich an verschiednen Aktionen für ein vielfältiges und weltoffenes Leipzig.
Neben der Lichterkette und dem Friedensgebet fanden insgesamt fünf Demonstrationen statt. Neben einer Demonstration aus Leipzig-Leutzsch zog die Global Space Odyssey mit viel Öffentlichkeit in die Innenstadt. Der Demonstration von Leipzig nimmt Platz, die am Augustusplatz unter dem Motto „Die Welt ist zu komplex für das Heilsversprechen einer Volksgemeinschaft“ begann, folgte eine weitere auf dem Dittrichring. Ebenfalls auf dem Augustusplatz fand eine gemeinsame Aktion von „Leipzig nimmt Platz“ mit „Literatur statt Hass“ statt. Der Augustusplatz wurde mit Literaturzitaten mittels Straßenkreide künstlerisch aufgewertet. Das Ergebnis bleibt für alle Leipziger_innen noch bis Dienstag 18 Uhr sichtbar. Auf den Kundgebungen des Aktionsnetzwerks kamen zudem das Social Center for All und die neu gegründete Initiative „Druck! Machen. Für ein anderes Sachsen“ zu Wort.
„Die Lage war insgesamt friedlich. Als die Teilnehmer_innen der verschiedenen Protestaktionen am Ring unmittelbar an der Aufzugsstrecke demonstrieren konnten, kam es nicht zu Auseinandersetzungen, auch wenn bei LEGIDA Teilnehmende von der Polizei immer wieder zu Besonnenheit aufgerufen werden mussten“, resümiert Jürgen Kasek vom Aktionsnetzwerk die Situation.
Insgesamt fragwürdig bleibt aber die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei mit einem Kommunikationsteam, das sich sprachlich an die Seite von LEGIDA stellte. Außenstehende mussten hier zu dem Eindruck gelangen, dass aus dem Fahrzeug der Behörde heraus LEGIDA selbst spricht.
Dem Netzwerk liegen Berichte vor, dass es während der Aufzüge zu mehreren kurzfristigen Gewahrsamnahmen im Bereich der Leibniz-/Thomasisusstraße gekommen war. Hier wurden Teilnehmer_innen Kabelbinder angelegt und Portraitaufnahmen angefertigt. Ein Rechtsgrund wurde nicht genannt, auf Nachfrage sollen sich die Beamt_innen geweigert haben, diesen zu benennen und ihre Namen anzugeben. Wir werden der Sache nachgehen“, so Kasek.
Nachdem LEGIDA den Ring wieder verlassen hatte, wurde eine Spontandemonstration auf dem Ring vom Thomaskirchhof zur „Runden Ecke“ angemeldet, der sich mehr als 200 Personen anschlossen. Damit konnte symbolisch gezeigt werden, dass der Ring kein Schauplatz für menschenfeindliche Aufzüge ist und durch die Zivilgesellschaft wieder in Besitz genommen wird.
LEGIDA konnte gemeinsam mit der „Offensive für Deutschland“, NPD und Die Rechte nur ca. 400 Menschen mobilisieren. Als neuer Versammlungsleiter bei LEGIDA trat Nico Chawales aus Strehlen auf. Am Mikrofon sprach mit Simon Richter ein ehemaliger Stadtrat für die NPD in Radeberg, der noch vor wenigen Jahren die jährlichen Naziaufmärsche in Dresden angemeldet hatte. Anders als in der Vergangenheit bemühte sich LEGIDA diesmal auch nicht mehr, Abstand zur extrem rechten Szene wenigstens dem Anschein nach herzustellen. Sowohl der Aufmarsch in der Käthe- Kollwitz Straße als auch LEGIDA hatten dasselbe Motto und zum Teil dieselben Redner_innen. Bei dem Aufmarsch von OfD, NPD und Die Rechte in der Käthe-Kollwitz-Straße, wo maßgeblich die vorbestraften Gewalttäter und Neonazis Alexander Kurth und Enrico Böhm agierten, traten eine Reihe von Mitgliedern der NPD und DIE RECHTE auf. Dennoch beteiligten sich nur rund 40 Personen daran. Für dieses kleine Häuflein wurde der gesamte Stadtteil Zentrum-West weiträumig abgesperrt. Angemeldeter Protest in Hör- und Sichtweite zu dieser Kundgebung war nicht möglich.
„Spätestens seit gestern sollte klar sein, dass es bei LEGIDA nicht um vorgeblich „besorgte Bürger“ geht sondern um einen Auflauf von extremen Rechten. Selbst der Verfassungsschutz hat nach mehr als einem Jahr erkannt, dass die so genannten Asylkritiker_innen immer stärker mit verfassungsfeindlichen Neonazis kooperieren. Wer sich dort anschließt, läuft unter der Flagge von vorbestraften Gewalttätern und Verfassungsfeinden“, so Irena Rudolph-Kokot abschließend.
Update 17.04.16: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass Simon Richter „ein NPD-Mitglied aus Radeberg“ sei. Ausweislich der LVZ vom 13.04.16 ist dies nicht der Fall. Richter war für die NPD Stadtrat in Radeberg und taucht im übrigen als „Rechtsextremist“ im Verfassungsschutzbericht auf, wie die LVZ berichtet. Wir haben den Beitrag daher entsprechend geändert.
Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft am 4. April zu Demonstrationen gegen Legida und damit verbundene rechte Gruppierungen auf. Die Auftaktkundgebung des Aktionsnetzwerks beginnt um 18 Uhr auf dem Augustusplatz. Anschließend verläuft die Demo über den Ring am Hbf. entlang hin zum Refugees-Welcome-Platz. Von dort gibt es die Möglichkeit, parallel zum Aufzug von Legida über die Große Fleischergasse und den Oberen Dittrichring bis fast zum Neuen Rathaus in Hör- und Sichtweite Protest zu üben.
Zwei weitere Demonstrationen werden sich aus Leutzsch („a monday without you“) und Lindenau (Global Space Odyssey mit dem Titel „¡No Bassarán!“) ab 17 Uhr ebenfalls in die Innenstadt bewegen. Das Bündnis „Willkommen in Leipzig“ organisiert ab 19 Uhr ein Lichterband „Licht statt Hass“ zwischen der „Runden Ecke“ und dem Neuen Rathaus. Anschließend finden eine Demonstration am Mendelssohn-Portal der Thomaskirche und das Friedensgebet statt. Die Evangelische Studierendengemeinde organisiert ab 18:30 Uhr eine Demonstration am Naturkundemuseum, die von der Katholischen Studentengemeinde Leipzig unterstützt wird.
Carolin Franzke für „Leipzig nimmt Platz“: „Am 4. April stellen sich breite Bündnisse, die inhaltlich kaum verschiedener sein können, gegen die hetzerischen Aufmärsche von Legida. Das Aktionsnetzwerk begrüßt dies ausdrücklich und wirbt für die Beteiligung an allen Protestformen. Nur sind am kommenden Montag die Karten anders verteilt als gewohnt, da eine breite Unterstützung für Legida von Nazistrukturen zu erwarten ist. Wir rufen auf, Gesicht zu zeigen und Platz zu nehmen.“
Legida hat vor Kurzem die Frontfigur Markus Johnke verloren, der offensichtlich im Streit mit Pegida das Handtuch geworfen hatte. Der öffentliche Einstieg seines Nachfolgers Patrick Filz könnte eine noch deutlichere Hinwendung zu offen rassistischen Äußerungen zur Folge haben. Dies legen auch die kürzlich erfolgten Aufrufe rechts bekennender Bündnisse nahe.
Der wegen Körperverletzung vorbestrafte und geschasste NPD-Aktivist Enrico Böhm, der aber weiterhin gewählter Stadtrat in Leipzig ist, hat unter dem neuen Namen „Wir für Leipzig“ zeitgleich mit „Wir lieben Sachsen“, die der NPD und der Splitterpartei Die Rechte nahestehen, zu einer Unterstützungsdemo aufgerufen. Damit sind mit den Namen Silvio Rösler und Alexander Kurth (ebenfalls vorbestraft) alle öffentlich präsenten Namen der deutlich rechts positionierten Szene vorhanden. Komplettiert werden die Aufrufe durch die berüchtigte Brigade Halle/BHS und weitere Nazigruppierungen.
Die Aufrufe zu diesen rechten Demonstrationen werden mit einer unbestreitbaren Notwendigkeit des Friedens und der Kritik am Imperialismus unterlegt – und sind damit vergleichbar mit den Montagsmahnwachen ab 2014. Mit diesen Themen soll eine Anschlussfähigkeit für breitere, sich selbst allgemein als links begreifende Menschen hergestellt werden.
„Mit diesen Ankündigungen wird überdeutlich, dass die rechte Szene zum Sturm auf Leipzig mobilisiert und Legida als – laut öffentlichen Medien – ‚asyl- und regierungskritisches‘ Vehikel nutzt. Wir rufen alle Menschen auf, sich diesem Treiben entgegenzustellen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Sexismus, Intoleranz und Hass dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz bekommen“, schließt Carolin Franzke für das Aktionsnetzwerk ab.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen von Legida hatte das Aktionsnetzwerk im Aufruf für den 4. April veröffentlicht: http://www.leipzig-nimmt-platz.de/le0404/