Hier findet ihr unseren Redebeitrag, den wir am 21.01.2024 in Leipzig im Rahmen der Versammlung “Zusammen gegen Rechts” gehalten haben.
English Version below
Der aufziehende Faschismus … und folglich kann es wieder geschehen.
Wir erleben aktuell ein geschichtliches Rollback und der Faschismus in Gestalt einer Partei ist zurück. Umso notwendiger ist es, sich klarzumachen, was wir mit Faschismus meinen und wie wir damit umgehen. Es darf sich eben nicht wiederholen und die Sentenz von Primo Levi, des KZ-Überlebenden, muss haften bleiben: Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.
Umberto Eco hat Ende des letzten Jahrtausends den Urfaschismus in einer sehr griffigen Zusammenfassung als immer bestehendes Sammelbecken für gesellschaftszersetzende Individuen deklariert. Von den 14 gefundenen Merkmalen seien ein paar griffige exemplarisch genannt:
- Da ist die kultische Überhöhung der selbstgebastelten Tradition als Gegenentwurf zur multikulturellen Gesellschaft und ein daraus abgeleitetes elitäres Denken, eher Fühlen!
- Die Ablehnung der Moderne: Trotz Technikverehrung fußt die Ideologie auf Blut und Boden – Stichwort Ethnopluralismus. Im Grunde werden die Aufklärung und die Werte der Französischen Revolution, also unsere Menschenrechte – abgelehnt,
- Der Irrationalismus: Es herrscht Misstrauen gegenüber dem kritischen Intellekt. Ablehnung der analytischen Kritik, freie Wissenschaft als potentieller Feind bzw. Verräter, Ablehnung von Meinungsvielfalt und Pluralismus, Nationalismus
- Verschiedene Ausprägungen der Frauenfeindlichkeit mit der Darstellung des Patriarchats als natürlich,
- Diktatorisches Framing zur Erlangung von Deutungshoheit – Bsp.: Lügenpresse, Umvolkung und jetzt Remigration
Kann sich ein Mensch heutzutage der Frage, wie er zum Faschismus steht, wirklich entziehen? Die jüngsten Entwicklungen – auch in anderen Ländern – schließen das aus. Diese politische Strömung ist zu präsent und zu raumgreifend, als dass sich der/die Einzelne neutral dazu erklären könnte.
Und sie weist allzu klare historische Parallelen aus. Vertreter der AfD greifen nicht zufällig auf Vokabular des dritten Reiches zurück und agieren mit NS Sprache. Auch die Ablehnung der Presse, vermeintlicher Eliten und die Behauptung es gehe um Freiheit finden sich bei der AfD wie auch der NSDAP.
Wendet man die gängigen Faschismustheorien an, ist klar, dass die AfD im Kern eine faschistische Partei ist, der es nicht um die Erneuerung der Demokratie, sondern um die Zerstörung dieser geht. Anstelle einer Demokratie, die auf der Erklärung der Menschen- und Grundrechte fußt, soll ein autoritärer, nationalistischer Staat entwickelt werden.
Damit wäre auch die Presse- und Meinungsfreiheit stark eingeschränkt, die Freiheit der Kunst und der Kultur wäre bedroht und die Menschenrechte würden in Teilen aufgehoben.
Umso erschreckender ist es, wie geschichtsvergessen heute viele Menschen agieren und glauben, nicht die AfD und ihre Helfershelfer seien der Faschismus und sie selbst lebten in einem autoritären Staat. Die Geschichte Deutschlands scheint bei vielen vergessen zu sein, bis hin zu dem Umstand, dass Faschismus und Großkapital auch damals Hand in Hand arbeiteten.
Die Lehre aus der Geschichte und der europäischen Gegenwart kann aber nicht sein, den Faschismus dadurch einzuhegen, indem man dessen Themen übernimmt und diese Themen dadurch verstärkt. Noch aberwitziger ist die Idee, die einige haben, die AfD dadurch einzuhegen, dass man sie an der Macht beteiligt und auf eine Entzauberung setzt.
Wohin Themenübernahme führt, sieht man an Ländern wie Österreich und aktuell den Niederlanden oder Italien. Postfaschisten und Rechtspopulisten triumphieren, weil die vermeintlich demokratischen Parteien viel zu lange mit der Behauptung, man müsse die Sorgen derjenigen, die den Faschismus wählen, ernst nehmen, an dessen Etablierung gearbeitet haben.
Die Idee der Entzauberung muss mit Blick auf die Geschichte kategorisch abgelehnt werden. Auch in der Weimarer Republik glaubten viele, dass die NSDAP nur ein Haufen von chaotischen Schlägerbanden wäre, die an der Macht schon zerbrechen würden. Es waren die damaligen Verwaltungs- und Funktionseliten, die den Übergang möglich machten. Der Faschismus entzaubert sich nicht an der Macht. Er konsolidiert sich und treibt weiter aus.
Wehret den Anfängen, heißt eben auch, die Lehren aus der Geschichte zu verstehen und der Versuchung des nationalen Populismus, der im Faschismus mündet, zu widerstehen. Dem Faschismus begegnet man nicht, indem man ihn sanft einhegt oder meint, dass man die Wähler*innen einer faschistischen Partei nicht so schroff markieren dürfe. Dem Faschismus begegnet man mit Haltung, mit Verteidigung der Menschenrechte und mit konsequentem Widerspruch gegen Nationalismus, Ausgrenzung und letztlich Hass.
Bei allen Unterschieden, die wir auch als Vertreter*innen unterschiedlicher Strömungen und Haltungen haben, so sind wir uns doch einig:
Nie wieder Faschismus. Niemals AfD!
English version
Here you will find our speech that we delivered in Leipzig on January 21, 2024, as part of the “Together Against the Right” assembly. English Version below
The rise of fascism… and thus it can happen again.
We are currently experiencing a historical rollback, and fascism in the form of a party is back. It is all the more necessary to be clear about what we mean by fascism and how we deal with it. It must not be repeated, and the sentence of Primo Levi, the concentration camp survivor, must stick: It has happened, and consequently, it can happen again.
At the end of the last millennium, Umberto Eco declared ur-fascism as a persistent pool for society-dissolving individuals in a very concise summary. A few striking characteristics out of the 14 he found are worth mentioning:
There is the cultic glorification of self-made tradition as a counter-model to multicultural society and a derived elitist thinking, or rather feeling! The rejection of modernity: Despite adoration of technology, the ideology is based on blood and soil – keyword ethno-pluralism. Fundamentally, it rejects the Enlightenment and the values of the French Revolution, i.e., our human rights, Irrationalism: There is a distrust of the critical intellect. Rejection of analytical criticism, free science as a potential enemy or traitor, rejection of diversity of opinion and pluralism, nationalism Various forms of misogyny with the portrayal of patriarchy as natural, Dictatorial framing to gain interpretive sovereignty – e.g., lying press, population exchange, and now remigration.
Can a person today really avoid the question of how they stand on fascism? The latest developments – also in other countries – rule that out. This political trend is too present and too expansive for an individual to declare neutrality.
And it shows all too clear historical parallels. Representatives of the AfD randomly revert to the vocabulary of the Third Reich and act with NS language. The rejection of the press, supposed elites, and the claim that it is about freedom are also found in both the AfD and the NSDAP.
Applying common theories of fascism, it is clear that the AfD is fundamentally a fascist party, not about renewing democracy but destroying it. Instead of a democracy based on the Declaration of Human and Basic Rights, an authoritarian, nationalist state is to be developed.
This would also severely restrict press and freedom of opinion, the freedom of art and culture would be threatened, and human rights would be partially abolished.
It is all the more frightening how historically oblivious many people act today, believing not the AfD and its accomplices are the fascism and they themselves live in an authoritarian state. The history of Germany seems to be forgotten by many, up to the fact that fascism and big capital also worked hand in hand back then.
However, the lesson from history and the European present cannot be to contain fascism by adopting its themes, thereby reinforcing these issues. Even more absurd is the idea some have of containing the AfD by involving them in power and betting on a disillusionment.
Where topic adoption leads can be seen in countries like Austria and currently the Netherlands or Italy. Post-fascists and right-wing populists triumph because the supposedly democratic parties have worked too long with the assertion that the concerns of those who choose fascism must be taken seriously.
The idea of disillusionment must be categorically rejected in view of history. Even in the Weimar Republic, many believed that the NSDAP was just a bunch of chaotic thugs who would break apart in power. It was the administrative and functional elites of the time that made the transition possible. Fascism does not disillusion in power. It consolidates and drives further.
“Resist the beginnings” also means understanding the lessons of history and resisting the temptation of national populism, which culminates in fascism. Fascism is not encountered by gently containing it or thinking that the voters of a fascist party should not be marked so harshly. Fascism is met with attitude, with the defense of human rights, and with consistent contradiction against nationalism, exclusion, and ultimately hate.
Despite all the differences we have as representatives of different currents and attitudes, we agree on one thing:
Never again fascism. Never AfD!