#Blockruf heißt Platz nehmen – Geschichte darf sich nicht wiederholen

Offener Rassismus und Nationalismus sind wieder gesellschaftsfähig geworden. Nicht erst seit dem Entstehen von PEGIDA und dem Leipziger Ableger LEGIDA zeigt sich deutlich, dass Ideologien der Ungleichwertigkeit bis in die Mitte der Gesellschaft reichen und von dort weiter ausgreifen. Gerade in Momenten, in denen Viele das Gefühl haben, unsere Gesellschaft sei von inneren und äußeren Feinden bedroht, scheint es leicht zu pauschalisieren und eigene Freiheiten aufzugeben, bevor diese angegriffen werden könnten.

Unter dem Eindruck einer komplexer werdenden Welt, einem kapitalistischen System in Dauerkrise, einer Vielzahl nur schwer durchschaubarer kriegerischer Konflikte weltweit und dem Auflösen alter Gewissheiten und Rollenbildern zeigen sich Teile der Bevölkerung demonstrativ überfordert und verweigern sich pauschal einem gesellschaftlichem Diskurs. In dieser Situation, angeheizt durch die Panikmache von Populisten und unterstützt durch ein Meer von Falschnachrichten, ist die Zustimmung zu autoritären Weltbildern und nationalistischen Tönen gewachsen.

Statt diese Herausforderung für die pluralistische Demokratie anzunehmen und offensiv für eine moderne weltoffene Gesellschaft zu streiten, haben sich die demokratischen Kräfte in die Defensive drängen lassen.

Zwei Jahre Legida

Seit zwei Jahren versucht LEGIDA ähnlich wie Pegida in Dresden, die Deutungshoheit im öffentlichen Raum zu besetzen. Das ist eine offen gestellte Machtfrage – und es ist LEGIDA nicht gelungen.

Nur anfänglich konnte eine vierstellige Zahl an Menschen mobilisiert werden, die aber stets gegenüber den ihnen widersprechenden Menschen in der Unterzahl war. Trotz der Bandbreite der Gesellschaftsentwürfe haben sich alle demokratischen Gegenkräfte zu dem ewig gestrigen Ungeist auf einen Minimalkonsens geeinigt und im Protest Einigkeit gezeigt. Auch wenn sich Hooligans, organisierte Neonazis, Identitäre und selbst die aus der Zeit gefallenen Reichsbürger*innen dieser Bewegung anschlossen, wurde sie in die Defensive gedrängt und bedurfte jedes Mal eines repressiven Polizeiapparates zur Absicherung. Für zuletzt 150 vom Ungeist des Nationalismus beseelte Menschen wurden mehrere Hundertschaften Polizei mit Wasserwerfern und Räumpanzern aufgefahren.

Aber auch durch den „Cordon Sanitaire“ der Gegendemonstrationen ist Menschenverachtung in Leipzig eingesickert. Etliche Veranstaltungen zur Unterbringung von Geflüchteten zeigten, wie weit Einstellungsmuster der Ungleichwertigkeit und offener Rassismus sich auch in Leipzig ausbreiten. Abseits der montäglichen Prozeduren ist Rechtspopulismus und Rückwärtsgewandheit bis hin zu offener Menschenverachtung wieder salonfähig geworden. Wer über LEGIDA spricht, darf über Abwertung und Hass, wie er auch in demokratischen Parteien und Initiativen vorkommt, nicht schweigen. Wer über LEGIDA spricht, muss über den offenen menschenverachtenden Rechtspopulismus sprechen, der täglich durch die AfD verbreitet wird und sich auch bei allen anderen Parteien des politischen Spektrums Vertreter findet.

Wir müssen handeln und uns hinterfragen

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ist gegründet worden mit der Zielstellung, in einem breiten Konsens Nazis, Rassist*innen und Antisemit*innen nicht die Straße zu überlassen sondern den öffentlichen Raum eigenständig zu besetzen. Besetzen ist im Sinne von Aktionen des zivilen Ungehorsams auch wörtlich zu verstehen. Der öffentliche Raum soll Ausdruck einer modernen, vielfältigen Gesellschaft sein, einer weltoffenen Stadt.

Waren die Aktionen und Demonstrationen anfangs noch durch Pluralismus und Kreativität gekennzeichnet, ist daraus mit der Zeit Routine geworden, gleichsam traten auch immer wieder verschiedene Akteur*innen auf, die auf unterschiedlichen Wegen den Protesten neue Kraft verliehen. Auf der einen Seite verbreitete sich die Vorstellung, dass das Aktionsnetzwerk alleine dafür zuständig sei, den Rest von LEGIDA quasi in Schach zu halten, weil bereits anfänglich geklärt wurde, wer den öffentlichen Raum dominiert. Ein gefährlicher Trugschluss. Andererseits fühlten sich Akteur*innen immer wieder durch das kontinuierliche Auftreten des Netzwerkes gehemmt.

Tatsächlich reicht es nicht, nur zu widersprechen, während eigene Antworten fehlen. In der grundsätzlichen Herausforderung, in der sich pluralistische Demokratie und Freiheit befinden, sind alle gefragt. Dabei definiert nicht das Aktionsnetzwerk den Gegenprotest sondern jeder Mensch entscheidet eigenständig für seinen Anteil am gemeinsamen Handeln.

Der Verweis auf die allzu bekannte Routine und die Kritik daran, verkommt zu oft zur Entschuldigung für das eigene Nichthandeln und das eigene Nichthinterfragen. Wem der durch das Aktionsnetzwerk aufgestellte Protest zu bürgerlich erscheint ist ebenso aufgefordert deutlich zu werden, wie diejenigen, die sich hinter der Extremismustheorie verstecken und so den notwendigen Protest als extremistisch diskreditieren um hernach eine Entschuldigung für das eigene Schweigen zu haben.

Remember Connewitz – ohne LEGIDA kein 11.01.

Am 11. Januar 2016, als LEGIDA den ersten Jahrestag feierte, fielen parallel mehr als 250 neonazistische Hooligans in Leipzig-Connewitz ein und zogen eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Connewitz als Insel der Glückseligkeit – Leipzig als linke Hochburg – ist damit endgültig zum Zerrbild geworden.

Rechte Angriffe und Bedrohungen haben seitdem kontinuierlich zugenommen. Auch den Letzten hätte dämmern müssen, dass man allein mit Mahnwachen und reflexartigen Demonstrationen nicht auf Dauer den Rechtsruck wird aufhalten können. Es ist viel geschehen und versucht worden. Dennoch ist der Effekt gering.

Ein Jahr danach will LEGIDA wieder in der Innenstadt aufmarschieren und dem Hass Raum und ein Forum geben. Es war kein Zufall, dass am 11. Januar mit Hannes Ostendorf der Sänger der Hooliganband Kategorie C auf der LEGIDA-Bühne gröhlte, während etwas später die Hooligans in Connewitz einfielen. Es ist kein Wunder, dass abermals neonazistische Kräfte offensiv zur Teilnahme am 9. Januar 2017 bei LEGIDA aufrufen.

Zurück auf Anfang: #Blockruf

Der Anspruch des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ war und ist es, Ideologien der Ungleichwertigkeit den Platz zu nehmen. Wir wollen und dürfen nicht zulassen, dass sich Geschichte wiederholt. Wir wollen uns den Nazis und Rassist*innen mit gewaltfreien Widersetz-Aktionen in den Weg stellen. Und wir sind solidarisch mit allen, die dieses Ziel mit uns teilen.

Wir rufen dazu auf, am 9. Januar auf die Straße zu gehen und LEGIDA ein für allemal deutlich zu machen, dass sie unwillkommen sind.

Wir stehen als Aktionsnetzwerk für Pluralismus, für Vielfältigkeit und eine moderne Gesellschaft. Jeder Mensch trägt für die Gesellschaft Verantwortung und entscheidet mit. Nur so funktioniert Demokratie. Wir rufen daher gemeinsam zum #Blockruf auf. Lasst uns gemeinsam LEGIDA die Straße und die Plätze nehmen und deutlich machen, dass es für Hass und Menschenfeindlichkeit keine Toleranz gibt und geben kann!

#Blockruf heißt Platz nehmen – Geschichte darf sich nicht wiederholen.

Leipziger AfD verortet sich selbst – weit rechts

Am vergangenen Montag hat die Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling in ihrer Rede auf der Kundgebung in Dresden die AfD zum Bündnispartner erklärt und offenen Wahlkampf für diese betrieben – genau jene Frau, welche nach einer Anzeige wegen Aufrufs zur Gewalt durch den Deutschen Journalistenverband wegen Volksverhetzung aufgrund ihres Beitrages am 11. Januar in Leipzig angezeigt wurde. Nur einen Tag nach dieser Liebesbekundung durch Pegida beeilte sich der Leipziger Kreisvorsitzende der AfD, diese zu begrüßen.

Mit der Erklärung des Leipziger Kreisverbandes der AfD zur Annäherung an Pegida und Legida zeigt diese Partei, dass sie sich ganz offenkundig nicht im demokratischen Parteienspektrum bewegt. Eine später folgende „Richtigstellung“ der AfD Leipzig des dennoch „sehr geschätzten Leipziger AfD Kreisvorsitzenden Siegbert Droese“ kann nur mit einem Schulterzucken hingenommen werden. Wenn ein Mitglied der mit Verbindungen zur extremen Rechten hinreichend bekannten „Patriotischen Plattform“ zum Kreisvorstand gewählt wird, sind solche Statements der Partei Alternative für Deutschland in Gänze zuzuschreiben.

Wenn selbst ein prominenter Vertreter der Christdemokraten nach den Redebeiträgen von Tatjana Festerling am 11. Januar in Leipzig und vergangenen Montag in Dresden feststellt, dass Pegida mit den offenen Aufrufen zu Gewalt gegen andere die Maske fallen lassen hat, dürfte nun unter allen Demokrat_innen ein Minimalkonsens bei der Einschätzung der selbsternannten Volksbewegung gegeben sein.

„Mit dem Aufruf zu gemeinsamen Großdemonstrationen mit Legida hat sich die AfD Leipzig selbst im nationalen, rechten, rassistischen und gewaltbereiten Spektrum verortet. Hier wächst jetzt auch öffentlich zusammen, was schon immer zusammengehört hat“, erklärt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk.

Mit Blick darauf, dass nicht nur gegen Tatjana Festerling und Lutz Bachmann juristische Verfahren laufen, sondern überdies der Sänger der deutlich rechts positionierten Hooligan-Band „Kategorie C“ am 11. Januar aufgetreten ist und schließlich – während von der Legida-Bühne zu Gewalt aufgerufen wurde – deren gewalttätige Gefolgschaft einen Straßenzug im Leipziger Süden verwüstete, hat sich die AfD Leipzig nun bezeichnenderweise dieser demokratiefeindlichen und völkischen Vereinigung angeschlossen.

Dies darf die Zivilgesellschaft in Leipzig nicht unbeantwortet lassen. Das durch Legida schon jetzt vergiftete Klima soll nun mithilfe der AfD weiter esklaiert werden. Dafür stehen die steigende Zahl der Anschläge und Übergriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte, auf Aktivist_innen und Politiker_innen und nicht zuletzt der massive Ausbruch rechter Gewalt in Connewitz. Diese Allianz muss alle aufrütteln, die in einer vielfältigen, weltoffenen und toleranten Stadt leben wollen. Es wird höchste Zeit, klar Position zu beziehen und Gesicht zu zeigen – jetzt!

Pressemitteilung: Leipzig, den 20. Januar 2016

Der Angriff auf Connewitz, das Versagen des Rechtsstaates und die Relativierung der CDU

Das Aktionsnetzwerk “Leipzig Nimmt Platz” fordert nach den Angriffen am 11.01.2016 den Rücktritt des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen und eine lückenlose Aufklärung darüber, wie Polizeiinterna im Vorfeld an Neonazis gelangen konnten.

Am Montag versammelten sich mehr als 6000 Menschen in Leipzig, um vielfältigen Protest gegen Rassismus und Hass bei LEGIDA zu üben. Während viele Leipziger Bürgerinnen und Bürger ein klares Zeichen setzten, kam es in Leipzig-Connewitz zu einem gezielten Angriff durch ca. 300 Neonazis. Dabei wurden mehrere Personen – zum Glück nur leicht – verletzt.

Der Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes folgend, der das Aktionsnetzwerk in eine „extremistische“ Ecke rückte und unfriedliche Aktionen vorhersagte, konzentrierte sich die Polizei auf den Gegenprotest und sicherte den Aufmarsch der Menschenfeinde bei Legida/Pegida, bei dem neben etlichen anderen Rechtspopulisten und Nazis auch der Sänger der rechten Hooliganband “Kategorie C” auftrat. Durch die polizeilichen Absperrungen wurde der Zugang zur angemeldeten Kundgebung unter dem Titel “Für Weltoffenheit und Toleranz” am Nordplatz erheblich erschwert. Wiederholt gaben Polizeibeamt_innen wahrheitswidrig an, dass die Kundgebung abgesagt worden sei.

Parallel dazu wurde bekannt, dass es offenbar Verbindungen zwischen organisierten Neonazis und der Polizei gibt. Im Vorfeld der Kundgebungen wurden interne Polizeidokumente veröffentlicht. Das Vertrauen in die grundgesetzlich verankerte Gewaltenteilung wurde erheblich erschüttert.

Bereits Tage zuvor hatten neonazistische Gruppen wie Brigade Halle und Freie Kräfte Dresden zum „Sturm auf Leipzig“ und zur Unterstützung für Legida/Pegida aufgerufen. Anzeichen für organisierte Übergriffe gab es zuhauf. Sie wurden vom Verfassungsschutz ignoriert. Im Verlauf des Abends gab es über verschiedene neonazistische Accounts bei Twitter vielfach Versuche, Aktivist_innen und Politiker_innen einzuschüchtern. Der Angriff auf Connewitz wurde auch durch die im Leipziger Stadtrat vertretene Partei NPD über Twitter gefeiert.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla antwortete am Tag danach über Twitter auf die Empörung von Justizminister Maas zu den gezielten rechten Anschlägen mit einem Verweis auf linksradikale Gewalt. Dies ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen und eine unglaubliche Entstellung der wahren Zusammenhänge. Bereits vorher hatte die CDU es abgelehnt, sich gegen Rassismus und Gewalt auszusprechen. Die Teilnahme an der Lichterkette oder anderen Gegenprotesten wurde durch die CDU verweigert.

“Der gestrige Tag macht betroffen. Wir sind vom Ausmaß der Gewalt schockiert. Den Geschädigten gilt unsere Anteilnahme und Solidarität. Dass die Nazis gestern auch den Tod von Menschen billigend in Kauf nahmen, ist ungeheuerlich, ebenso wie die Tatsache, dass die CDU in Gestalt von Frau Kudla diese Gewalt verdreht und relativiert”, erklärt Irena Rudolph-Kokot für „Leipzig nimmt Platz“.

Jürgen Kasek ergänzt für das Aktionsnetzwerk: “Angesichts des Geschehens gestern wird auch das Versagen von Polizei und Verfassungsschutz mehr als deutlich. Ein Verfassungsschutz, der offenbar gezielt versucht, demokratischen Protest gegen Rassismus zu delegitimieren und neonazistische Umtriebe verschweigt und ignoriert, ist eine Gefahr für die Demokratie. Wir fordern die umfassende Aufklärung der Vorgänge und den Rücktritt des zuständigen Leiters.”

Abschließend weist das Aktionsnetzwerk auf das Spendenkonto der Amadeu-Antonio-Stiftung hin, das für die direkten Schäden in Läden und Geschäften eingerichtet wurde:

Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung
GLS Bank Bochum
IBAN: DE75 4306 0967 6005 0000 02
BIC: GENODEM1GLS
Stichwort: Leipzig

Pressemitteilung: Leipzig, den 13. Januar 2015