Ziviler Ungehorsam. Einfach mal auf das Gewissen hören – 25.11.2010, 19 Uhr

1. Teil der Veranstaltungsreihe “(Nach dem) Extremismus? Demokratie, ziviler Ungehorsam, Rassismus.”

am Donnerstag, 25.11.2010, 19 Uhr im Kulturcafé Knicklicht, Dresdner Straße 79

Referent_innen: Ellen Thümmler, Politikwissenschaftlerin, TU Chemnitz; Markus Wutzler, Aktivist

Moderation: Jule Nagel (Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz)

In immer mehr Städten werden Nazi-Aufmärsche verhindert, GegnerInnen von Stuttgart21 blockieren die Baustelle, Tausende widersetzen sich Atommüll-Transporten. Ziviler Ungehorsam ist hoch aktuell. Doch was ist das eigentlich? Wie verträgt sich dieses Mittel mit dem demokratischen Rechtsstaat? Und warum übertreten AktivistInnen Gesetze? Zwei Vorträge gehen theoretischen Ansätzen und praktischen Erfahrungen nach. Danach ist Zeit für Fragen und Diskussion

2 Jahre Nazizentrum in der Odermannstraße – Kein Grund zur Ruhe

Am 13.11.2010 laden Leipziger Neonazis zum 2-jährigen Bestehen des NPD-Zentrums in der Odermannstrasse ein. Ab 17 Uhr soll es hinter dem Zaun “Tombola”, Nazimusik und Naziredner geben. Zwei Jahre Reorganisation der Naziszene – zwei Jahre Veränderung eines Stadtteils – zwei Jahre Protest

2 Jahre Odermannstraße bedeuten Reorganisation der lokalen und regionalen Neonaziszene, bedeuten Schulterschluss zwischen NPD und “Freien Kräften” und Einzug der NPD ins Leipziger Rathaus.
Insbesondere für den Leipziger Ableger der “Freien Kräfte” um Tommy Naumann und Istvan Repaczki ist das Zentrum in Leipzig-Lindenau zur Basis für ihre Bestrebungen einen „nationalen Sozialismus“ zu errichten geworden. Neben Freizeitaktivitäten wie Kampfsporttrainings, Partys und Kulturangeboten finden hier regelmäßig politische Bildungsveranstaltung und Treffen statt. Im Januar 2010 trafen sich in der Odermannstraße 8 beispielsweise Nazikader aus der gesamten BRD zur Bildung eines “Orderdienstes” für Demos und Veranstaltungen. Die Leipziger Nazis stehen bei dieser braunen Schutztruppe, die beim Grossaufmarsch am 13.2.2010 in Dresden zum ersten Mal zum Einsatz gekommen sein soll, an der Spitze. Auch in der sächsischen NPD und in der “freien” Szene nehmen sie Schlüsselrollen ein. Dass am 13.11. nicht das NPD-Zentrum sondern das „nationale Jugendzentrum“ zweijähriges Bestehen feiert, verweist auf die Bedeutung der Odermannstraße als Anlaufpunkt für die Jung-Nazis und deren starke Rolle im Organisationsgefüge.

2 Jahre Odermannstraße bedeuten auch die Veränderung eines Stadtviertels. Anfängliche Drohaktionen gegen Nachbarn und Vorbeilaufende haben zwar abgenommen, die Existenz eines Nazizentrums bedeutet für viele AnwohnerInnen und PassantInnen jedoch ein permanentes Unsicherheitsgefühl. Die Angst vor einem unerwarteten Übergriff aus dem Zentrum heraus ist nicht unberechtigt, denn aus Hass und Gewalt gegen alle/s, was nicht in die Vorstellung einer homogenen Volksgemeinschaft passt, speist sich ihre Ideologie.

2 Jahre Odermannstraße bedeuten aber auch Protest. Seit dem Tag der Eröffnung am 15.11.2008 fanden regelmäßig antifaschistische Aktionen und zivilgesellschaftliche Veranstaltungen statt, mit denen auf die menschenverachtende Ideologie, deren TrägerInnen sich hinter dem hohen Zaun versammeln, hinzuweisen und den Nazis zu zeigen, dass sie weder mit Ruhe noch mit Akzeptanz ihres Tuns rechnen können.
Verschiedene antifaschistische Demonstrationen führten durch die Odermannstraße, zahlreiche Kundgebungen und kreative Aktionen fanden im Umfeld statt. Und zuletzt am 16.10.2010 blockierten mehrere Hundert Menschen die Zufahrtswege zum Nazizentrum.

Hieran gilt es anzuknüpfen, am 13.11. oder anderen Tagen. Die Mobilisierung gegen die Naziaufmärsche am 16.10.2010 hat eine wichtige Basis für stetiges Engagement für eine offene, vielfältige Gesellschaft und in diesem Sinne gegen die Vorstellung einer homogenen Volksgemeinschaft wie sie die Nazis propagieren geschaffen. Diese Basis auszubauen und nicht allein auf das Treiben hinter dem Zaun in der Odermannstraße zu schauen, sondern auf Rassismus und Diskriminierung, auf Ausgrenzung und Abwertung von Menschen im Alltag ist dringliche Herausforderung für antifaschistische und zivilgesellschaftliche Politik.

Links:
– Chronik.Le Einträge zur Odermannstraße http://www.chronikle.org/thema/odermannstra%C3%9Fe
– Entwicklung der nationalsozialistischen Szene in Leipzig /2010/09/21/hintergrund-entwicklung-der-nationalsozialistischen-szene-in-leipzig/

Döbeln am 6.11. – Protest gegen Nazis trotz Versammlungsverboten. Nazikundgebung sowie Spontanaufmärsche im Umland

Am 6.11.2010 unterstützte das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz das Bündnis „Döbeln für eine aktive Demokratie“ bei den Protesten gegen den Aufmarsch der so genannten Nationalen Sozialisten Döbeln. In kürzester Zeit hatten sich Engagierte in Döbeln zusammengefunden und verschiedenste Aktionen auf die Beine gestellt um den Nazis Paroli zu bieten. Zahlreiche Kundgebungen waren angemeldet und Mobilisierung per Internet und Flyern in Gang gesetzt worden. Doch das Landratsamt Mittelsachsen machte dem Engagement einen Strich durch die Rechnung. Am Donnerstag, 4.11. wurden alle für Samstag angemeldeten Versammlungen, einschließlich der Naziveranstaltung, verboten. Begründet wurde dieser restriktive Eingriff in die Versammlungsfreiheit mit Polizeimangel. Auch das Treiben von „Linksextremisten“ am 16.10. in Leipzig und die drohende Wiederholung desselben in Döbeln wurde als Verbotsgrund angeführt. Auch was die Behörden sich hier bezogen bleibt rätselhaft, scheinbar hatte sich keiner der Schreiberlinge mit dem Protestgeschehen am 16.10. in Leipzig auseinandergesetzt und lediglich in die alte Mottenkiste gegriffen.
Am Abend des 5.11.2010 entschied das Verwaltungsgericht Chemnitz über den Eilantrag, den die Nazis gegen den Bescheid des Landratsamtes Mittelsachsen eingereicht hatten. Demnach wurde eine stationäre Kundgebung am Bahnhof erlaubt. Die Klagen gegen das Verbot einiger Gegenveranstaltungen wurden dagegen abgelehnt.
Auch am 6.11. selbst zeigte sich die Polizei in Döbeln kompromisslos. Eine noch am Vorabend angemeldete Eilkundgebung in der Nähe des Bahnhofes wurde nicht zugelassen und die Anwesenden per Androhung von Platzverweisen vertrieben. Einzig am Wettin-Platz, weit entfernt vom Versammlungsort der Nazis, wurde eine Eil-Kundgebung vom CDU-Bügermeister und einem SPD-MdL zugelassen. Auch hier zeigten sich die Beamten sinnlos konfrontativ indem sie BesucherInnen dieser Versammlung willkürlich Personalienfeststellungen und Durchsuchungen unterzog.
Währenddessen versammelten sich am Bahnhof zwischen 13 und 15 Uhr bei strömendem Regen ca. 100 Nazis. Weitere 80 marschierten im knapp 20 km entfernten Leisnig, wurden von der Polizei jedoch bald gestoppt. Wie die Nazis selbst behaupten gab es auch in Colditz und Delitzsch spontane Aufzüge.
Trotz miesen Wetters, Versammlungsverboten, der unklaren Informationslage und einer massiv präsenten Polizei kamen in Döbeln fast 300 Menschen zusammen, um gegen menschenverachtende und demokratiefeindliche Ideologien zu protestieren. Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz wertet dies als Erfolg und bestärkt das kurzfristig zusammengekommene Döbelner Bündnis in seinem Tun – auch und vor allem für die Zukunft. Schließlich hatten die Nazis bereits das dritte Jahr infolge im November eine Demonstration angemeldet. Auch die Alltagsbedrohung ist in jüngster Zeit gestiegen, wie zwei Brandanschläge auf Autos von MitarbeiterInnen des lokalen soziokulturellen Vereins Treibhaus sowie das Inbrandsetzen eines am Treibhaus angebrachten Transparentes im Sommer beweisen.
Das Vorgehen der Behörden gegen angemeldete Demonstrationen und Kundgebungen verurteilt das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz aufs Schärfste. Verbote haben noch nie etwas gegen menschenverachtende Ideologien ausrichten können. Zu allem Überfluss wurde letztendlich den Nazis ein beschränktes Demonstrationsrecht zugestanden, während der zivilgesellschaftliche und antifaschistische Protest gänzlich zu unterbinden versucht wurde.

Die Nazis haben am 6.11. an die Aktions“strategie“ des 16.10. in Leipzig angeknüpft, indem sie mindestens eine spontane Demonstration in einem anderen Ort durchführten. Wie in Leipzig war allerdings ein Großteil ihrer Anhänger ohne nennenswerte Außenwirkung im Polizeikessel festgesetzt.

UPDATE – Auf nach Döbeln! Den Nazis am 6.11.2010 entgegentreten.

Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz ruft auf am kommenden Samstag, 6.11.2010 mit nach Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) zu kommen und sich dem Aufmarsch der „Nationalen Sozialisten Döbeln“ entgegenzustellen.

5.11.2010 Nazis klagen gegen Verbot. Ebenso gehen die VeranstalterInnen der Gegenkundgebungen an der Lindenallee, an der Mastener Straße, Sternplatz und Wettiner Platz gegen die Verbote ihrer Kundgebungen vor. Infos über die Entscheidungen des Landgerichtes Chemnitz . Das Bündnis bittet weiterhin am morgigen Samstag, 6.11. nach Döbeln zu kommen. Zentraler Sammelort wird – je nach Entscheidung des Gerichtes – die Lindenallee sein. Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz trifft sich am Samstag um 9 Uhr am Infopunkt im Leipziger Hauptbahnhof zur gemeinsamen Abreise nach Döbeln. Kommt zahlreich und pünktlich!

4.11.2010 * Nazidemo und Gegenkundgebungen verboten. Keine Entwarnung! Nazis könnten Rechtsmittel einlegen und/ oder Spontandemos veranstalten! Haltet euch auf dem Laufenden [Artikel in der LVZ vom 4.11.2010]

Gemeinsam mit dem Bündnis “Döbeln für eine aktive Demokratie“ ruft das Aktionsnetzwerk dazu auf sich am Samstag ab 10 Uhr auf der Kundgebung in der Lindenallee direkt am Bahnhof (dem Startpunkt der Nazis) zu versammeln. Im Stadtgebiet sind zahlreiche weitere Kundgebungen angemeldet. Bis dato ist die Route der Nazis nicht bekannt.

INFORMATIONEN AUS DÖBELN: http://buendnisdoebeln.blogsport.de

AUFRUF

Den Nazis keinen Meter!

Das Bündnis „Döbeln für eine aktive Demokratie“ ruft auf, sich am kommenden Samstag, den 6.11.2010 dem Aufmarsch der „Nationalen Sozialisten Döbeln“ entgegenzustellen.

Nachdem die Nazis im November der beiden Vorjahre in unserer Stadt relativ ungestört demonstrieren konnten, soll ihnen dies in diesem Jahr nicht gelingen! Der Aufmarsch unter dem Motto „Steht auf gegen die Übermacht der Demokraten – Nationalen Sozialismus durchsetzen!“ ist ein deutlicher Angriff auf unsere demokratischen Grundrechte und unsere demokratisch verfasste Gesellschaft. Wir laden alle Döbelner Bürger ein, sich an unserem friedlichen, kreativen und entschlossen Protest zu beteiligen. Gleichzeitig erklären wir uns solidarisch mit allen Menschen, die an diesem Tag friedlich ihren Unmut über den Neonaziaufmarsch an verschiedenen Orten in Döbeln zum Ausdruck bringen.

Döbeln gilt den Nazis als Auftakt einer Demo-Kampagne in Südsachsen. Seit Mitte Oktober versucht das Freie Netz im Landkreis Leipzig Ähnliches: an bereits vier Wochenenden fanden in verschiedenen Kleinstädten Kundgebungen unter dem Motto „Unsere Heimat stirbt!“ statt. Diese wurden jeweils kurzfristig angemeldet.

Auch die Demonstration in Döbeln ist erst seit dem 21.10. bekannt. Die Aktivitäten der hiesigen Szene haben sich in der letzten Zeit qualitativ und quantitativ verstärkt: erinnert sei an die beiden Brandanschläge im Juli und August diesen Jahres. Einmal betraf es die Autos von MitarbeiterInnen des soziokulturellen Vereins Treibhaus e.V.,einmal wurde ein Transparent am Treibhaus angezündet. Wir laden deshalb Alle ein, die unseren Aktionskonsens des friedlichen und kreativen Protestes teilen: Zeigt euch solidarisch und kommt mit nach Döbeln! Wir wollen die Neonaziaufmärsche nicht nur in Großstädten verhindern, sondern insbesondere im ländlichen Raum, wo sie sich sicher und ungestört fühlen!

Wir wollen keinen antidemokratischen und menschenverachtenden „nationalen Sozialismus“ sondern eine offene, pluralistische und demokratische Gesellschaft, in der soziale Rechte jedem und jeder zustehen! Steht mit uns zusammen am 6.11.2010 dafür ein!

INFORMATIONEN AUS DÖBELN: http://buendnisdoebeln.blogsport.de

Angst und Trauer überwinden – Zusammen gegen Rassismus kämpfen – Antirassisstische Demonstration am 4. November

Vor wenigen Tagen, in der Nacht zum 24. Oktober, starb unser Freund und Kollege Kamal. Zwei deutsche Rassisten haben den 19-Jährigen vor dem Hauptbahnhof mit einem Messer angegriffen und mehrfach auf ihn eingestochen. Kamal erlag kurze Zeit später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Sie wurden ihm zugefügt, weil ihn seine Mörder nicht für „deutsch“ gehalten haben – Kamal kam aus dem Irak. Wir trauern um ihn. Er ist nunmehr der sechste Mensch, der allein in Leipzig seit 1990 durch nazistisch und rassistisch motivierte Gewalt ums Leben gekommen ist.

Rassismus und Erfahrungen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt sind trauriger Alltag für Migrantinnen und Migranten, auch in Leipzig. Kamal musste für diese Verhältnisse mit seinem Leben bezahlen. So etwas werden wir nicht länger hinnehmen. Deshalb laden wir euch ein, mit uns am Donnerstag, 4. November, lautstark und kraftvoll in der Innenstadt zu demonstrieren. Unsere Aufgabe heißt: Rassismus den Boden entziehen, Rassisten niemals und nirgends gewähren lassen. Unsere Solidarität gilt den Opfern rassistischer Angriffe!

Kommt zur antirassistischen Demonstration:

Angst und Trauer überwinden – Zusammen gegen Rassismus kämpfen
Treff: Donnerstag, 4. November 2010 / 17.30 Uhr / Südplatz

>>> http://initiativkreis.blogsport.de

Neonazis in Leipzig mit zukunftslosem Konzept

Stadtweites Netzwerk gegen die Neonaziaufmärsche, Statement gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit und zum Scheitern verurteilte, aus der Not geborene Aktionsformen der Neonazis. Zusammenfassende Betrachtung des 16.10. in Leipzig.

Zellmann_16102010 (Mikael Zellmann, http://www.flickr.com/photos/mikaelzellmann/sets/72157625057009495/with/5089579676)

Groß war die Überraschung als Stadt und Polizeidirektion Leipzig am 14.10.2010 ihren Umgang mit den vier für den 16.10. angemeldeten Naziaufmärschen kund tat. Eine der Demonstrationen hatte man verboten, da der mehrfach vorbestrafte Anmelder als „unzuverlässig“ eingeschätzt werden, die übrigen drei Demonstrationen wurden zu einer Kundgebung am Hauptbahnhof zusammengefasst. Diese drei Anmelder gingen auf den Fuß folgend vors Verwaltungsgericht, doch dieses lehnte ihren Einspruch, mit dem sie eine gemeinsame Demonstration vom Norden der Stadt in die Innenstadt begehrten, ab. Unerwarteterweise folgte dem auch das Oberverwaltungsgericht Bautzen, bei dem die Neonazis Beschwerde einlegten.
Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz, das die Proteste neben dem Antifa-Bündnis Roter Oktober organisierte, hatte trotz der Beschränkung der Naziveranstaltung auf den Hauptbahnhof dazu aufgerufen sich auf Kundgebungen und an den Aktionsnetzwerk-Infopunkten im gesamten Stadtgebiet zu versammeln. Schließlich hatten die Neonazis – allesamt Kader der NPD und Aktivisten der so genannten Freien Kräfte – in Reaktion auf die Beauflagung durch die Stadt Leipzig aufgerufen nicht in den „Leipziger Kessel“ am Hauptbahnhof zu kommen. Mit dem Begriff „Leipziger Kessel“ bemühten sie die Situation im Vorjahr. Am 17.10.20009 waren 1400 Neonazi stundenlang von der Polizei festgesetzt und Identitätsfeststellungen unterzogen worden.
An diesem 16.10. waren von ihrer Seite Spontandemonstrationen angesagt. Und tatsächlich wurden ab dem Vormittag verschiedenste Orte kommuniziert, an denen kleine Neonazigruppen auftauchten – in Leipzig selbst, wie auch im Umland (Halle, Geithain, Borna, Döbeln, Wurzen, Riesa).
Mehrere Tausend Protestierende aus Leipzig und von außerhalb waren im Gegenzug im gesamten Stadtgebiet unterwegs und zeigten demonstrativ oder direkt ihren Widerspruch gegen neonazistische Einstellungen und Ideologien der Ungleichwertigkeit. Neben Mahnwachen in 52 Kirchen der Stadt, Kundgebungen von Gewerkschaften und BürgerInneninitiativen, Aktionen wie „Stricken“ oder „Kaffeetrinken“ gegen rechts gab es auch Aktionen des zivilen Ungehorsam. So blockierten im Stadtteil Lindenau bis zu 1000 Menschen die Zugangsstraße zum NPD-Zentrum, in das sich um die 100 Neonazis auf ihrem Demonstrationsversuch Richtung Innenstadt geflüchtet hatten. Im Hauptbahnhof behinderten mehrere hundert Menschen durch Sitz- bzw. Stehblockaden die reibungslose Anreise von Neonazis. Lediglich 250 von ihnen versammelten sich an der Ostseite des Hauptbahnhofes.
Gegen 17 Uhr war das braune Häufchen wieder vom Hauptbahnhof verschwunden. Die Blockade des NPD-Zentrums wurde 19.30 Uhr mit einer antifaschistischen Kurz-Demonstration beendet.
Im Nachhinein rühmen sich die Neonazis auf ihrer „Recht auf Zukunft“-Kampagnenseite für ein erfolgreiches neues Demonstrationskonzept. 1200 Anhänger – 700 mehr als zuverlässige Quellen schätzen – seien unterwegs gewesen und der „Leipziger Kessel“ ausgespart worden, indem neben der offiziell zugestandenen Kundgebung am Hauptbahnhof einfach eine neue angemeldet wurde. Dass auch ihre neu angemeldete Kundgebung von Polizeikräften umrahmt wurde und dass alle ihrer Spontanaufmärsche im Leipziger Stadtgebiet von der Polizei aufgelöst oder wie in Lindenau von AntifaschistInnen behindert wurden, sparten die Berichterstatter aus.
Das „Konzept“ Spontandemonstrationen war nichts anderes als eine Notlösung für Anreisende, eine Notlösung um nach den Niederlagen vor Gericht und der massiven antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Gegen-Mobilisierung nicht gänzlich das Gesicht zu verlieren. Bereits am 17.10.2009 waren die Leipziger Organisatoren des verhinderten Aufmarsches um Tommy Naumann (Vorsitzender der JN Sachsen) szeneintern massiv in die Kritik geraten. Auch ein Maik Scheffler („Landesorganisationsleiter“ der sächsischen NPD und Mitbegründer des „Freien Netzes“), der den Leipziger Kameraden beiseite sprang, konnte in diesem Jahr wenig ausrichten. Auf der Neonazi-Plattform Altermedia wird mit Blick auf den 16.10.2010 heftig Kritik verteilt. Weder neu, noch besonders öffentlichkeitswirksam lautet der Tenor der Statements. Selbst hier wird die von den Organisatoren verkündete Zahl der DemonstrantInnen angezweifelt.
Klar, spontane Versammlungen eignen sich für flexible, gut strukturierte und vernetzte Gruppen. Alt-Nazis und unorganisierte Demonstrationsinteressierte allerdings werden damit potentiell ausgeschlossen. Kleingruppen sind zudem dem ungeschützten Zugriff von Polizei und Zusammentreffen mit AntifaschistInnen ausgesetzt und nicht zuletzt bleibt einem solchen Konzept eine konzertierte Vermittlung von Inhalten verwehrt.
Dass Leipzig ein Vorbild für die im Februar anstehenden geschichtsrevisionistischen Aufmärsche in Dresden sein wird, darf vor diesem Hintergrund angezweifelt werden. Sehr wahrscheinlich hätten auch in Leipzig reguläre Demonstrationen stattgefunden, wenn nicht die rigide und gerichtsfeste Beauflagung durch die Stadt Leipzig dazwischen gekommen wäre. Die Konstellation wie sie in Leipzig am 16.10.2010 mit fast 100 angemeldeten Gegenkundgebungen, mehreren Großveranstaltungen und gleich vier angemeldeten Nazidemonstrationen vorzufinden war, stellt eine Ausnahmesituation dar. Nur in diesem Kontext war eine derart weit reichende Beauflagung der drei Demonstrationen möglich. Die von Neonazi Enrico Böhm angemeldete Demonstration, die verboten wurde, fiel schon von Anfang aus dem inhaltlichen Konzept der Neonazi-Kampagne und wurde auf der entsprechenden Internetseite nicht beworben.

Den 16.10. als Erfolg von Zivilgesellschaft und AntifaschistInnen zu bezeichnen ist angemessen. Insbesondere dem Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz gelang es in kürzester Zeit eine stadtweites Netzwerk gegen die Neonaziaufmärsche zu spinnen und zahlreiche, sehr verschiedene Akteure zum selbstbestimmten, dezentralen und dennoch vernetzten Protest zu bewegen. Die Klammer dieses Netzwerkes ist die Leipziger Erklärung, die über den Anspruch Neonaziaufmärschen mit zivilem Ungehorsam zu begegnen hinausweist. Mit dem Bekenntnis „Neonazistisches Einstellungen und Ideologien der Ungleichwertigkeit (wie Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Nationalismus und die Reduzierung von Menschen auf eine Verwertungslogik) haben in Leipzig keinen Platz“ ist sie vielmehr Leitlinie für den Alltag.

PM 19.10.2010

Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz blickt drei Tage nach dem 16.10.2010 auf die Ereignisse zurück und äußert sich zur Aktionsstrategie der Neonazis und der Debatte um Demonstrationsverbote

Die Neonazis bewerten den 16.10.2010 als Erfolg und Testlauf für eine neue Aktionsform. Nach der Beauflagung dreier ihrer Demonstrationen zu einer Kundgebung am Hauptbahnhof riefen die Organisatoren aus dem Spektrum der Freien Kräfte dazu auf spontane Aktionen zu machen und nicht in den „Leipziger Kessel“ am Hauptbahnhof zu kommen. Der Begriff „Leipziger Kessel“ wurde von ihnen nach dem gescheiterten Aufmarschversuch am 17.10.2009 geprägt. Damals wurden fast 1400 Neonazi stundenlang von der Polizei festgesetzt und Identitätsfeststellungen unterzogen.

„Wenn die Nazis das Spontandemo-Konzept als Erfolg bezeichnen, ist ihnen nicht zu helfen. Sie haben ihr eigenes Klientel ziellos durch Randgebiete der Stadt irren lassen und dem Zugriff durch die Polizei ausgesetzt. Öffentlichkeit für ihre kruden Parolen blieb ihnen damit – glücklicherweise – verwehrt. Im Endeffekt blieb dem Gros der Neonazis nichts anderes übrig als in den ungeliebten „Kessel“ am Hauptbahnhof zu kommen. Dort wurden sie von GegendemonstrantInnen, die beispielsweise ihre reibungslose Zug-Ankunft durch gewaltfreie Blockaden behinderten, und einem massiven Polizei-Aufgebot empfangen.“, rekapitulieren die PressesprecherInnen des Aktionsnetzwerkes.
Das Aktionsnetzwerk denkt, dass das Aktionskonzept der Neonazis weder neu noch zukunftsfähig ist. „Bereits nach dem misslungenen Aufmarsch am 17.10.2009 durch den Leipziger Osten kündigten die Neonazis an von nun an spontane Demonstrationen durchzuführen, um staatlicher Repression zu entkommen. Wir gehen im Hinblick auf ihren alljährlichen geschichtsrevisionistischen Trauermarsch im Februar 2011 in Dresden davon aus, dass sie eher auf eine oder mehrere repräsentative Großdemonstrationen setzen, als auf kleine Aktionen.“

Zur Debatte um Demonstrationsverbote äußern die PressessprecherInnen des Aktionsnetzwerkes:
„Verbote sind keine adäquate Reaktion auf menschenverachtende und anti-demokratische Ideologien. Am 16.10.2010 gab es die Gesamtsituation in der Stadt her die Demonstrationen der Neonazis stark zu beschränken. Die Einschränkung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit muss aber ein absoluter Ausnahmefall bleiben.“
Die Hauptzielstellung des Aktionsnetzwerkes ist es in diesem Sinne Menschen zu mobilisieren, sich für die Belange einer offenen, pluralen und solidarischen Gesellschaft einsetzen – zum Beispiel mittels zivilem Ungehorsam gegen Neonaziaufmärsche – und dies nicht staatlichen Instanzen zu überlassen.

Anfang November startet das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz eine Veranstaltungsreihe, in der es u.a. um Rassismus, die Kritik des Extremismusbegriffes sowie zivilen Ungehorsam gehen wird. Des weiteren stehen die Vorbereitungen der Proteste gegen die Aufmärsche von Neonazis im Februar 2011 in Dresden an.

Informationen dazu finden sich in Kürze auf der Homepage des Aktionsnetzwerkes www.leipzig-nimmt-platz.de.

Öffentliches Auswertungstreffen am 21.10.2010

Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz lädt ein zur öffentlichen Auswertung der Proteste gegen die Neonaziaktionen am 16.10.2010.
Am Donnerstag, 21.10.2010 gibt es ab 18:00 die Möglichkeit Eindrücke zu teilen und in die Diskussion zu kommen. Das Aktionsnetzwerk wird darüber hinaus über kommende Vorhaben berichten. Ort des Geschehens ist der Festsaal des Neuen Rathauses.

PM 17.10.2010

Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz dankt allen, die sich am Widersetzen gegen Nazis beteiligt haben. Neonazis scheitern mit Aufmarschkonzept

Mehrere Tausend Menschen sind am 16.10. dem Aufruf gefolgt sich Neonazis zu widersetzen. Das Aktionsnetzwerk wertet dies als großen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Leipzig sowie das Oberverwaltungsgericht Bautzen hatten Widerspruch bzw. Beschwerden gegen die Beauflagung von drei angemeldeten Aufmärschen einen Tag vor dem 16.10.2010 ablehnt. So konnte nur eine Kundgebung an der Ostseite des Hauptbahnhofes stattfinden. Die Neonazis kündigten daraufhin dezentrale, spontane Versammlungen an.
Noch am Freitag rief das Aktionsnetzwerk darum dazu auf, sich nicht nur auf den Hauptbahnhof zu konzentrieren, sondern auch Kundgebungen im Norden, Osten und Westen der Stadt zu besuchen.
„Unser Konzept ging auf“, so Juliane Nagel und Gunnar Georgi, PressesprecherInnen des Aktionsnetzwerkes Leipzig nimmt Platz. „Wir haben so auch auf spontane Versammlungen der Neonazis reagieren können. Dies konnte nur aufgrund der breiten Unterstützung von Menschen aus Leipzig und anderswo funktionieren.“ So kamen in Lindenau an die 1000 Menschen zusammen, die die Zugänge der Odermannstrasse, dem Sitz des Abgeordnetenbüros des NPD-Landtagsabgeordneten Winfried Petzold sowie Anlaufpunkt der neonationalsozialistischen Freien Kräfte, dicht machten. Auch die schlecht besuchte Neonazi-Kundgebung am Hauptbahnhof wurde mit lautstarkem Protest begleitet. In 52 Kirchen fanden Mahnwachen für Nächstenliebe und Menschlichkeit statt und an zahlreichen Orten zeigten Menschen kreativ Protest.

Die Neonazis deuten den 16.10. zum Erfolg um. Das Demonstrationsverbot sei mittels kleinen spontanen Aufmärschen in verschiedenen Stadtteilen Leipzigs und außerhalb unterlaufen worden. Die Veranstaltung am Hauptbahnhof wird von ihnen zur „großen Abschlusskundgebung“ dieser kleinen Demonstrationen deklariert.
Die PressesprecherInnen des Aktionsnetzwerkes kommentieren: „Wenn die Nazis es als Erfolg verkaufen, dass zahlreiche ihrer Mitstreiter von der Polizei festgesetzt werden, ist ihnen nicht zu helfen. Das Konzept dezentraler Aktionen dürfte in ihrer Szene kaum zukunfts- und zustimmungsfähig sein.“

Das Aktionsnetzwerk will die Bekämpfung von Ideologien der Menschenfeindlichkeit, wie sie Neonazis propagieren, und die Aktivierung einer (basis)demokratischen Kultur in Leipzig weiterhin vorantreiben. Die „Leipziger Erklärung“ bleibt die Leitlinie für den Alltag auch nach dem 16.10.!

Kraftvolles, vielfältiges und großflächiges Widersetzen in Leipzig

Das Aktionsnetzwerke Leipzig nimmt Platz dankt allen, die am 16.10. dazu beigetragen haben, den Nazis entgegenzutreten. Dies ist ein wichtiges Zeichen für demokratische Kultur, gegen Abwertung und Ausgrenzung von Menschen, für eine offene Gesellschaft statt einer “Volksgemeinschaft”.

Die Nazis konnten keinen der geplanten vier Aufmärsche durchführen. Auch die Alternativeroute im Norden scheiterte durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Leipzig bzw. Oberverwaltungsgerichtes Bautzen. Die Kundgebung, die sie schlussendlich am Hauptbahnhof durchführen durften, wurde laut Angaben der Polizei von nur 250 Nazis besucht. Im gesamten Stadtgebiet versammelten sie sich ab dem Morgen immer wieder kleinere Gruppen von Neonazis (zb. in Schönefeld und Grünau) und auch in Geithain, Borna, Halle, Wurzen, und Döbeln wurden Spontandemonstrationen mit TeilnehmerInnenzahlen von 14 bis 250 durchgeführt.
Mit diesem dezentralen Kleingruppenkonzept lieferten die Organisatoren, NPD-Kader aus Leipzig und Nordsachsen, ihre eigenen Leute der Polizei aus. Diese löste die Spontanversammlungen auf und verbrachte die Teilnehmenden in Richtung Bahnhof.

Das Aktionsnetzwerk hatte darauf orientiert die Infopunkte im Norden, Zentrum und in West wie geplant ab 9 Uhr anzulaufen. Dieses Konzept ging auf. In allen Stadtbezirken versammelten sich Menschen, ab Möckern gab es gegen Mittag eine spontane Demonstration zur Unterstützung der Aktiven in der Innenstadt, nach Lindenau strömten zahlreiche ProtestlerInnen, um das NPD-Zentrum, in dem um die 100 Nazis gefangen waren, zu blockieren. Im Hauptbahnhof wurde die Anreise von 150 Neonazis aus Halle behindert. An der Ostseite des Hauptbahnhofes wurde die Neonazi-Kundgebung lautstark begleitet.

Wir haben die Nazis gemeinsam in die Schranken gewiesen! Ein Jahr nachdem ihr Aufmarsch im Leipziger Osten verhindert werden konnte, wurde ihnen von zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Kräften sowie staatlichen Instanzen erneut eine Niederlage bereitet.

Das Aktionsnetzwerk will die Bekämpfung von Ideologien der Menschenfeindlichkeit, wie sie Neonazis propagieren, und die Aktivierung einer (basis)demokratischen Kultur in Leipzig weiterhin vorantreiben. Die “Leipziger Erklärung” ist Leitlinie für den Alltag auch nach dem 16.10.!


Pressemitteilung des Aktionsnetzwerkes zum 16.10.2010
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