Sächsischer Verfassungsschutz – eine Behörde im Wahn der Extremismustheorie?

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hat im Zusammenhang mit den angemeldeten Protesten für den 11. Januar 2016 von einer Lageeinschätzung des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz Kenntnis erhalten, welches das Aktionsnetzwerk in die Nähe gewalttätiger Aktionen rückt.

Alle Beteiligten im Aktionsnetzwerk verwahren sich entschieden gegen die Vorwürfe des sächsischen Verfassungsschutzes. Den Aufrufen des Netzwerks liegt die „Leipziger Erklärung“ vom Januar 2015 zugrunde. In dieser ist die Gewaltfreiheit aller Aktionen festgeschrieben. Im Netzwerk sind unter anderem Politiker_innen von Grünen, Linken und SPD ebenso engagiert wie Kirchen, Gewerkschaften und Initiativen.

„Der offensichtliche Versuch des Landesamtes für Verfassungsschutz und damit des Staatsministeriums des Inneren, den gewaltfreien Protest gegen eine rassistische und menschenverachtende Gruppierung zu kriminalisieren, kann und darf nicht hingenommen werden“, empört sich Irena Rudolph-Kokot als Anmelderin der Proteste.

Das Aktionsnetzwerk ruft regelmäßig zu Widersetz-Aktionen auf. Friedliche Blockaden sind nicht generell unzulässig und können ebenso vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit erfasst sein. Das gemeinsame Behindern menschenverachtender und rassistischer Aufmärsche von Gruppierungen im Muster der *GIDA versteht das Aktionsnetzwerk als kollektives Recht auf demokratischen Meinungsstreit und Mitbestimmung. Das Aktionsnetzwerk wird nicht akzeptieren, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit durch Rassist_innen missbraucht wird, um eine Hassstimmung gegen Menschen, die hier Zuflucht suchen, aufzubauen.

Dem Aktionsnetzwerk wird insbesondere vorgeworfen, Aktionen „gegen Bullenschweine“ zumindest „subtil“ zu unterstützen. Dieser Duktus entspringt der Ära einer „Armeefraktion“ und ist dem Aktionsnetzwerk vollständig fremd. Ziel des Netzwerkes ist es, eine demokratische solidarische Gesellschaft zu stärken, nicht Feindbilder aufzubauen. Alle Menschen in Uniform oder in Zivil sind vollwertig einbezogen.

Bekanntlich befreien Uniformen und Ämter aber nicht von Fehlverhalten. Uniformen und Ämter haben die Demonstrationen von „Leipzig nimmt Platz“ immer wieder massiv eingeschränkt. Beispiele in jüngerer Zeit waren die Kesselung ohne Angabe von Gründen (23.09.2015), der anlasslose Abschuss einer Gasgranate in die Kundgebung (12.12.2015) oder die vermutlich verdeckte Überwachung der Versammlung (04.01.2016). Dagegen wehrt sich das Aktionsnetzwerk auch juristisch – auf dem Boden der Rechtsordnung.

Auch der Dialog mit Herrn Innenminister Ulbig wurde von Akteuren des Aktionsnetzwerks gesucht. Der im Januar 2015 an ihn versandte Brief blieb leider ohne Antwort. Der offensichtliche Unwille zum Dialog auf der einen und die fehlenden Berührungsängste zu Pegida auf der anderen Seite deuten darauf hin, dass der für den Verfassungsschutz zuständige Minister keineswegs neutral agiert. So traf sich Herr Ulbig im selben Monat mit der damaligen Pegida-Sprecherin K. Oertel.

Der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen Meyer-Plath hatte im Oktober 2015 erklärt, dass Legida und Pegida nicht beobachtet würden. Entsprechend hatte der öffentliche Aufruf von Lutz Bachmann (Pegida) „Wir holen uns die Neustadt“ für den 21. Dezember 2015 in Dresden zur Folge, dass dieser verbreitet und schließlich mit zahlreichen Gewalttaten, die zum Teil schwere Körperverletzungen zur Folge hatten, auch umgesetzt wurde. Die Polizei und der Verfassungsschutz waren hier offensichtlich überfordert.

Der Verfassungsschutz, der im Falle des NSU vollständig versagt hat und ganz offensichtlich mit zweierlei Maß misst, folgt der wissenschaftlich kritisierten Extremismustheorie, die Rechte und Linke als analoge Phänomene umdeutet, aber die empirisch belegten „extremistischen“ Einstellungsmuster einer gesellschaftlichen „Mitte“ ausblendet. In widersinniger Konsequenz scheint der Verfassungsschutz nun das Aktionsnetzwerk zu observieren.

Rechtsanwalt Jürgen Kasek, der sich laut dem VS-Papier „als Rechtsanwalt für ‚No LEGIDA‘ ausgibt“ und dem vorgeworfen wird, dass er Demonstrationsteilnehmer_innen über ihre Grundrechte aufgeklärt habe, erklärt: „Wir werden die lückenlose Aufklärung der nun wahrscheinlichen Beobachtung tausender Menschen einleiten. Für die Staatsregierung ist das offenbar der Versuch, gegen die Stadt Leipzig und die Zivilgesellschaft vorzugehen.“

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