Aufruf des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ gegen Legida/Pegida am 11. Januar 2016

Wir lassen uns den Platz nicht nehmen

Am 12.01.2015 demonstrierten 35.000 Menschen in Leipzig gemeinsam gegen Rassismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit. Seitdem haben sich Woche für Woche, Tag für Tag Menschen für Geflüchtete engagiert, haben gespendet und haben immer wieder gegen diskriminierende Ideologien Stellung bezogen. Damit konnte in Leipzig eine breite Anschlussfähigkeit von Legida – anders als bei Pegida in Dresden – verhindert werden.

Dennoch ist bei weitem nicht „alles gut“. Auch in Leipzig hat sich das gesellschaftliche Klima eingetrübt, und die Anzahl an Übergriffen auf Migrant_innen und Nichtrechte ist deutlich angestiegen. Antifaschistische und antirassistische Arbeit konnte die Verbreitung von Einstellungsmustern der Ungleichwertigkeit und ihre Auswirkungen nicht verhindern, wohl aber deutlich begrenzen.

11. Januar 2016: Wir lassen uns den Platz nicht nehmen. NoLegida NoPegida

Vom Irrglauben mit LEGIDA zu reden

Das Entstehen der GIDAs, die auf die Erfahrungen der Montagsmahnwachen zurückgriffen, war absehbar. Dass LEGIDA, CEGIDA, PEGIDA und weitere immer noch eine gefährliche Anziehungskraft besitzen, hängt auch mit dem ambivalenten Agieren von Teilen der Politik und Zivilgesellschaft zusammen, die trotz unzähliger Übergriffe schweigen, das Problem leugnen und dem Irrglauben folgen, dass man mit den GIDAs reden könne. So wurde der GIDA-Bewegung ein Resonanzraum gegeben, der das eigentliche Problem der Vorurteile und Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit verdeckte, und den Hass als „berechtigte Ängste“ legitimierte. Dabei hat sich mehr als ein Mal gezeigt, dass die GIDAs und ähnliche rassistische Gruppierungen in ihrem Kern weder durch Fakten noch Argumente zu erreichen sind.

Sehenden Auges nimmt ein Großteil der Gesellschaft hin, dass sich eine völkische Front von Rechts herausbildet, die demokratischen Grundwerten und Grundrechten ablehnend gegenübersteht. Diese „Volksfront“, die auf die Theorien der Neuen Rechten zurückgreift, hat in der völkisch-nationalistischen Partei AfD bereits einen parlamentarischen Arm, der stetig an der Etablierung von menschenfeindlichem Gedankengut arbeitet. Dennoch werden weiterhin Gesprächsangebote unterbreitet und eine Bereitschaft zum Dialog gefordert.

Eine ähnliche Aufmerksamkeit wird den Gegner_innen des Rassismus nicht zuteil. Stattdessen wurde im letzten Jahr immer wieder deutlich, dass nicht nur Teile der Politik, sondern auch der Polizei mit den GIDAs sympathisieren und versuchen, den notwendigen Protest gegen Vorurteile und Faschismus zu kriminalisieren. Mithilfe einer wissenschaftlich fragwürdigen Extremismustheorie wird „linke Gewalt“ als staatsgefährdendes Mysterium beschworen, werden Antirassist_innen pauschal verurteilt und stigmatisierend unter Generalverdacht gestellt. Wer sich in Sachsen demokratisch äußern darf, bestimmt anscheinend die herrschende CDU mit ihrem willfährigen Arm der parteigebundenen Extremismus- und Politikforschung. Dabei wird konsequent ignoriert, dass es ebenso wenig um Kommunalpolitik geht wie um den Ruf Sachsens.

Es geht nicht um Leipzig, es geht um Menschen- und Grundrechte

Der Protest gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit bleibt weiterhin notwendig – gerade in Sachsen, einem demokratischen Entwicklungsland. Ziel des Protests gegen LEGIDA war von Anfang an eben nicht, das Image Leipzigs zu verteidigen. Die Stadt Leipzig will als weltoffen wahrgenommen werden, ein Teil seiner Bewohner_innen ist es jedoch nicht, wie der Widerstand gegen den Moscheebau in Gohlis, die Diskussionen um die Unterbringung von Geflüchteten und die Versammlungen in Paunsdorf, Wahren und Schönefeld und schließlich die LEGIDA-Aufmärsche immer wieder gezeigt haben.

Es geht um die Menschenrechte, wie sie 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden, inbegriffen das Menschenrecht auf Asyl. Ein Menschenrecht, das zusammen mit anderen Grundrechten in unserem Grundgesetz Einklang findet und seitdem immer wieder Angriffen ausgesetzt war. Mit der letzten Asylrechtsverschärfung ist dieses Recht faktisch im Grundgesetz abgeschafft.

Aber der Angriff der GIDAs und nationalkonservativer Politiker_innen richtet sich nicht nur gegen das Asylrecht – auch die Gleichheit aller Menschen und die Religionsfreiheit sind wie die Presse- und Meinungsfreiheit in Bedrängnis geraten. In Leipzig wie in Dresden wurden am Rande der Aufmärsche immer wieder Pressevertreter_innen attackiert. Auch die Gleichheit von Mann und Frau wird durch das Gesellschaftsbild der GIDAs negiert, das kämpferischen Antifeminismus propagiert. Die Frau als Mutter, als ausschließlich Reproduktionsarbeit leistender Teil der Familie und der gesamten Gesellschaft entspricht dem nationalsozialistischen Frauenbild und ist mit dem des 21. Jahrhunderts nicht vereinbar. Dass auch die Religionsfreiheit abgeschafft werden soll, ist fast eine Randnotiz im Ringen um die „völkische Revolution“.

In der Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung wird ein Versagen der gesellschaftlichen Mitte deutlich, die sich angesichts des Auftretens von völkischem Nationalismus und rechten Gewalttaten in Schweigen hüllt und damit einem neuen Faschismus dem Weg bereitet. Es geht längst nicht mehr darum, die vielbeschworene aber nicht erreichte Weltoffenheit zu verteidigen, für die Leipzig gern stehen möchte, sondern den aufkeimenden Faschismus und den Angriff auf die Grund- und Menschenrechte abzuwehren.

Ein Jahr Hass und Gewalt

Wenn am 11. Januar die auf wenige hundert Menschen zusammengeschmolzene Parallelgesellschaft von LEGIDA in Leipzig zusammen mit der Dresdner PEGIDA aufmarschieren will, steht auch unser gemeinsames Ziel einer offenen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft zur Disposition. Nein, wir stellen uns nicht vor die Politik irgendeiner Regierung oder Partei. Wir stellen uns nicht nur gegen die Inbesitznahme öffentlichen Raumes in Form wöchentlicher GIDA-Aufmärsche.

Wir treten dem Angriff gegen Grund- und Menschenrechte durch Diskriminierung und Einstellungsmuster der Ungleichwertigkeit entschlossen entgegen.

Wir rufen daher dazu auf, am 11.01.2016 ein deutliches Zeichen gegen den aufkeimenden Faschismus zu setzen und Hass und Rassismus den Platz zu nehmen. Treffpunkt zur Demonstration von „Legida? Läuft nicht.“ ist 17 Uhr am Augustusplatz. Ab 18 Uhr wird die Lichterkette des Bündnisses „Willkommen in Leipzig“ den Ring umschließen.

Leipzig, den 5. Januar 2016
Aufruf als Download (PDF, 124kB)

4 Gedanken zu „Aufruf des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ gegen Legida/Pegida am 11. Januar 2016“

  1. Ihr stellt Behauptungen (Anzahl an Übergriffen auf Migrant_innen und Nichtrechte ist deutlich angestiegen.) auf ohne irgendwelche Quellenangaben! Und das hebt euch nicht von den anderen ab. Ihr betreibt pure Propaganda!

    1. Belege gab es auch zuvor genug. Nach Ihrer ignoranten Antwort gab es zum Beispiel diese Meldung: „Die Zahl der rechtsextremen Straftaten hat in Sachsen deutlich zugenommen. Das geht aus der internen Bilanz des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) für 2015 hervor, die LVZ.de vorliegt. Verantwortlich für den Anstieg sind insbesondere Anschläge auf Asylunterkünfte sowie Drohungen und Übergriffe gegen Politiker und Behördenmitarbeiter.“ http://www.lvz.de/Mitteldeutschland/News/Deutlicher-Anstieg-von-Neonazi-Uebergriffen-in-Sachsen

    1. Danke für Ihr Interesse am Internet! Uns reichen viertausend Menschen bei der Demo und Kundgebung zuzüglich den Teilnehmenden an der Lichterkette aus.

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