Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ zeigt sich entsetzt über die Fehldarstellung des Angriffs auf Teilnehmer_innen der Proteste gegen Legida und Pegida in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 2015 im Bericht des Sächsischen Verfassungsschutzes. Wir erinnern:
Am 19.10.2015 organisierte das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ eine gemeinsame Busreise zur Teilnahme am Protest gegen LEGIDA und PEGIDA in Dresden. Um Mitternacht, im Anschluss an die Rückkehr nach Leipzig, kam es zu einem Angriff auf eine Gruppe der Zurückreisenden.
Eine Gruppe von etwa fünfzig Menschen wollte am 20. Oktober gegen 0:20 Uhr den Hauptbahnhof Leipzig verlassen. Beim Versuch, langsam und geschlossen aus dem Bahnhof durch dessen Osthalle zu gehen, kam ihnen ein Mann entgegen, der dem Hooligan-Spektrum zugeordnet werden konnte. Dieser beleidigte die Gruppe und bedrohte sie mit einem Messer. Ihm folgten mehrere mit Holzstangen bewaffnete Hooligans, die auf einzelne Personen der Reisegruppe einschlugen, anderen Tritte versetzten und diese beleidigend anschrien. Außerhalb des Bahnhofs kam es zu Steinwürfen auf Teile der Reisegruppe, die die Osthalle verließen.
Die Polizeikräfte vor Ort, die zunächst nur beobachtend und unentschlossen abwarteten, ließen die bewaffneten Nazihools ungehindert an sich vorbei in den Bahnhof ein. In Reaktion auf die teils lebensbedrohlichen Angriffe ging die Polizei jedoch nicht gegen die Angreifer_innen vor, sondern drängte die Reisegruppe mit gezieltem Einsatz körperlicher Gewalt und mit Pfefferspray aus dem Hauptbahnhof. Augenzeug_innen berichten, dass anschließend in der geschlossenen Osthalle Rangeleien zwischen Polizei und Neonazis zu beobachten waren.
Nach diesen Vorfällen wurden von den Betroffenen Anzeigen erstattet, unter anderem auch gegen Kevin D.
Nun taucht im aktuellen Bericht des Sächsischen Verfassungsschutzes auf Seite 187 der Vorfall unter folgender Darstellung auf: „In der Nacht wurden am Leipziger Hauptbahnhof rückkehrende PEGIDA-Teilnehmer angegriffen.“
Das ist nicht einfach eine falsche und komplett verdrehte Darstellung, sondern reiht sich in das Schema der akuten Sehschwäche des Verfassungsschutzes auf der rechten Seite ein. So verwundert die vom Verfassungsschutz selbst definierte Abgrenzung zwischen „asylkritisch“ und „asylfeindlich“ auch nicht mehr. Damit wird die klare rechtsextremistische Einschätzung von diversen Veranstaltungen und Gruppierungen verharmlost. Besonders skurril liest sich, dass zwar Legida Mitbegründer Sylvio Rösler nun als „maßgeblicher rechtsextremistischer Akteur“ bezeichnet wird, Legida selbst aber nicht extremistisch sei.
Eine Behörde, die beim NSU versagt hat und erst kürzlich das Entstehen neuer rechtsterroristischer Zellen in Sachsen verschlafen hat oder wollte, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Teil des Problems der sächsischen Verhältnisse zu sein.
Irena Rudolph-Kokot stellt für das Aktionsnetzwerk klar: „Wir fordern für die von dem obig beschriebenen Angriff Betroffenen eine Richtigstellung des Ereignisses als rechtsmotivierte Straftat durch das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz im zitierten Bericht.“
Pressemitteilung: Leipzig, den 27. April 2016