Redebeitrag bei #NoCegida am 17. August 2015 in Chemnitz.

Liebe Antirassistinnen und Antirassisten, ich überbringe euch solidarische Grüße vom Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz”.

Seit Dezember des vergangenen Jahres zeigen sich die Feinde einer offenen Gesellschaft in erschreckender Weise auf den Straßen Deutschlands und vor allem Sachsens. Die selbst ernannten Hüter der europäischen Kultur warteten mit menschenfeindlichen Tiraden, Verschwörungstheorien, rassistischen und völkischen Beiträgen und einer konstruierten Bedrohung der Überfremdung auf. Andersdenkende werden zu Feinden bzw. Feindinnen erklärt und bedroht. Auch die Zahl der Übergriffe auf Migrantinnen und Migranten sowie auf Asylunterkünfte steigt vor allem in Sachsen seit Anfang 2014 dramatisch an. Wir erleben in Sachsen gerade sehr plastisch, was sich im Schlepptau von Pegida und Co, von NPD und Freien Kameradschaften zusammengebraut hat. Zustände wie in Böhlen, Freiberg, Freital und Meißen sind Resultat einer von oberster politischer Ebene entfachten Ablehnung von geflüchteten Menschen. Wenn Asylsuchende wie in Sachsen explizit von Integrationsbemühungen ausgeschlossen werden, wenn sich der Freistaat als Abschiebespitzenreiter rühmt, Herr Tillich Anfang August ein Abschiebecamp fordert und Innenminister Ulbig gestern in einem BILD-Interview sich der abstrusen Forderung von de Maiziere zu Taschengeldkürzungen für Geflüchtete anschließt, dann kann man sich über Brandanschläge auf Unterkünfte und Übergriffe auf MigrantInnen kaum noch wundern.

Wenn man sich das Chaos bei den Erstaufnahmeeinrichtungen ansieht – Zeltlager, Turnhallen, zum Teil fehlende BetreiberInnen für die Unterkünfte, uninformierte Kommunen – sollte man meinen, dass Herr Tillich und Herr Ulbig erst einmal ganz andere Aufgaben zu lösen hätten. Es fehlt in Sachsen nach wie vor ein schlüssiges und nachhaltiges Unterbringungskonzept und ein komplettes Umdenken, was die Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte angeht.

Die CDU und CSU haben aber insgesamt, egal ob auf Landes- oder Bundesebenen, verbal gegen das Grundrecht auf Asyl aufgerüstet mit dem Ziel, es weiter zu beschränken. So steckt hinter den Verbalattacken eindeutig die Absicht, weitere Länder zu so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ zu erklären.

Bis zum 1. Juli 1993 gab es im Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) ein grundgesetzliches Recht auf Asyl ohne festgelegte Ausnahmen. Leider stimmte eine Zweidrittelmehrheit unter Druck der fremdenfeindlichen pogromartigen Stimmung, die Anfang der 90iger Jahre in der Bundesrepublik herrschte, den Plänen der Union zu einer Grundgesetzänderung im so genannten Asylkompromiss zu. Das Zugeständnis sah auch die Einführung des Konzeptes der „sicheren Herkunftsstaaten“ vor, was einer Aushöhlung des Grundrechtes gleichkam. Dieses Bewertungskonzept macht faire Verfahren mit Einzelfallprüfungen unmöglich, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) diese Anträge als offensichtlich unbegründet ablehnt.

Auch eine objektive Betrachtung, jenseits der grundsätzlichen Kritik, des Nutzens der letzten Ausweitung der Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ auf Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zeigt, dass es nicht zum erwünschten Abschreckungseffekt geführt hat. Serbien lag nach den Antragszahlen im Monat Juni dieses Jahres auf Platz vier (nach Syrien, Kosovo und Albanien). [1] Die Zahlen der Menschen aus den genannten Staaten haben also nicht abgenommen. [2]

Eine weitere Asylrechtsverschärfung würde außerdem die rassistischen und nationalistischen Kräfte in unserem Land weiter fördern und damit die RechtspopulistInnen der *Gidas stärken.

Cegida Chemnitz am 17. August 2015Cegida Chemnitz am 17. August 2015 (Quelle: eigene)

Deswegen bleibt es nach wie vor wichtig, überall wo die *Gidas und andere rassistische Gruppierungen auftauchen, sich entgegenzustellen und ihnen weder die Deutungshoheit noch die Straßen zu überlassen.

So wird heute, am 17. August, dem Todestag von Rudolf Heß, auch unser Nachbarbundesland Thüringen von rassistischen und nationalistischen Aufmärschen gleich in vier Städten – in Erfurt, Nordhausen, Schleusingen und Eisenberg – heimgesucht. Auch mit dabei, der Legida Mitorganisator Silvio Rösler und andere Gida-RassistInnen. Hier wird die Funktion der *Gidas als Grundwerteverschieber einmal mehr deutlich. Umso mehr obliegt es uns auf das wahre Wesen dieser Akteure immer wieder den Blick zu lenken.

Wir werden uns jederzeit und überall konsequent Rassismus und Geschichtsrevisionismus entgegenstellen! Gemeinsam sagen wir Nein zu rechtspopulistischer Propaganda! Nein zu rassistischer Hetze! Für eine menschenwürdige Asylpolitik!

[1] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Asylgeschäftsstatistik 06/2015
[2] Prof. Dr. Dietrich Thränhardt: Gutachten. Warum das deutsche Asylsystem zu einem Bearbeitungsstau führt, Juli 2015

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