Heute jährt sich zum 23. Mal der Mordanschlag von Mölln. In Zeiten wie diesen, in Zeiten in denen seit Monaten Rassist_innen vor Unterkünften für Zufluchtsuchende ihre Parolen brüllen. In Zeiten wie diesen, wo Migrant_innen und Zufluchtsuchende sich tagtäglich rassistischer Hetze und rechter Gewalt ausgesetzt sehen. In Zeiten, in denen wieder Unterkünfte für Zufluchtsuchende brennen. In Zeiten wie diesen, in denen die rassistische Bewegung Legida zum 28. Mal in Leipzig aufmarschiert – ist es umso wichtiger zu zeigen, wozu Rassismus führen kann. Rassismus kann töten.
Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft deshalb zum entschlossenen Gegenprotest unter dem Motto „Nie wieder Mölln – Erinnern erkämpfen.“ auf.
Seit Monaten sehen wir uns konfrontiert mit einer gesamtgesellschaftlichen Stimmungsmache gegen Zufluchtsuchende und Migrant_innen. Seit Monaten bricht sich rassistische Hetze neue Bahnen.
Neben der Gida-Bewegung gründen sich Bürgerwehren und Bürgerinitiativen, die offen menschenfeindliche Parolen verbreiten und die Gewalt gegen Zufluchtsuchende und gegen geplante oder bestehende Unterkünfte verüben.
Seit Monaten bedient sich auch die etablierte Politik einer Rhetorik, die von Asylflut oder Krise spricht. Diese Metaphern suggerieren, dass Zufluchtsuchende etwas Bedrohliches seien, eine „Naturkatastrophe“ die man bändigen muss – Grenzen setzen muss.
Die Asylrechtsverschärfung und die EU-Außenpolitik zeigen, wie menschenverachtend die etablierte Politik ist. Das Menschenrecht auf Asyl wird weiter und weiter ausgehöhlt. Die Politik schürt weiter Ressentiments gegenüber Zufluchtsuchenden. Der gesamtgesellschaftliche Diskurs rückt damit immer weiter nach rechts und schafft so eine Akzeptanz von Rassismus.
Rassismus ermöglicht Morde, Brandanschläge, Hetzreden und Pogrome. Das Erinnern an Mölln und damit das Benennen von Rassismus als eine Struktur, die weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitet ist, gar eine Organisationsform der Gesellschaft darstellt, ist heute aktueller den je.
In der Nacht auf den 23. November 1992 warfen Neonazis Molotowcocktails auf zwei Häuser, die von türkischstämmigen Menschen bewohnt waren. Dabei starben 3 Menschen (darunter zwei Kinder), 9 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Täter waren schnell gefasst. Sie riefen bei der Feuerwehr an und beendeten ihr Telefonat mit „Heil Hitler“ – beide Täter sind inzwischen wieder frei.
Dem Mordanschlag vorangegangen waren viele Monate rechter und rechtsextremer Stimmungsmache in ganz Deutschland bis hin zu pogromähnlichen Ausschreitungen, zum Beispiel in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen.
Damals waren in der sogenannten Asyldebatte parteiübergreifend häufig von „Asylantenschwemme“ die Rede, zu reglementieren nur durch eine Grundgesetzänderung und eine schärfere Abschottungspolitik. Diese unsägliche Debatte damals hat rechte Tabuzonen durchbrochen und die Hemmschwelle für rassistische Gewalttaten gesenkt.
Die Parallelen zu heute sind ernüchternd.
Das Erinnern an Mölln ist keine Selbstverständlichkeit. Die jährlich stattfindende Gedenkfeier in Mölln darf in Mölln nicht mehr stattfinden. In Mölln will man sich nicht erinnern. Der Freundeskreis Mölln, der das jährliche Gedenken organisiert, führt seine Gedenkfeier im Exil durch.
In Mölln ist man lieber um ein positives Image bemüht. Über Rassismus wird geschwiegen.
Aber über Rassismus darf nicht geschwiegen werden. Rassismus kann töten.
Für viel Aufmerksamkeit hat damals die Nicht-Anteilnahme von Bundeskanzler Helmut Kohl an den rassistischen Mordanschlag gesorgt. Er tat es ab mit „Beileidstourismus“.
Und auch hier zeigen sich die Parallelen zu heute. Heidenau, Freital und die vielen anderen Orte, wo rassistische Anschläge stattfanden und stattfinden – die Anteilnahme der etablierten Politik ist gering.
Aber nicht nur, dass Fehlen von Anteilnahme ist ein Problem. Nein, viel schlimmer ist, dass Rassismus nicht auf allen Ebenen deutlich widersprochen und begegnet wird. Viel mehr sehen wir uns konfrontiert mit einem strukturellen Rassismus. Ein Rassismus, der mehr und mehr salonfähig gemacht wird.
Solange Ängste und Befindlichkeiten von sogenannten „besorgten Bürger_innen“ ernster genommen werden, als die Bedürfnisse von Zufluchtsuchenden werden wir widersprechen. Solange Ressentiments gegenüber Menschen geschürt werden, werden wir widersprechen. Solange Rassist_innen aufmarschieren, werden wir uns widersetzen.
Rassismus hat viele Gesichter. Rassismus muss immer widersprochen und entschlossen entgegentreten werden. Rassismus kann töten.
Mordanschläge wie in Mölln dürfen sich nicht wiederholen. Der Mordanschlag von Mölln und die gesamtgesellschaftliche Debatte damals und heute müssen uns mahnen. Das Erinnern an Mölln heißt das Schweigen über Rassismus zu durchbrechen, rassistische Strukturen und Ausdrucksformen immer wieder klar zu benennen und zurückzuweisen. Jegliche Form von Rassismus muss widersprochen werden. Deshalb rufen wir alle auf. sich der rassistischen Bewegung von Legida zu widersetzen.
Nie wieder Mölln. Nie wieder Rassismus.