Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ nahm am 11. Februar 2024 mit vielen Menschen aus Leipzig an den Protesten gegen den jährlich wiederkehrenden Naziaufmarsch teil. Über 5000 Menschen protestierten friedlich, trotz Dauerregen, in diesem Jahr in Dresden. Diese positive Bilanz ist allerdings überschattet von einem zu hinterfragenden Polizeieinsatz
Auch in diesem Jahr forderten die Verantwortlichen der Polizei Sachsen wieder Unterstützung aus anderen Bundesländern an, um die Durchführung der Nazi-Demonstration der Geschichtsrevisionist*innen in der Dresdner Innenstadt zu gewährleisten und von dem legitimen Protest der Zivilgesellschaft abzuschirmen. Am Sonntagmittag zeigte sich dabei abermals, dass die sächsischen Behörden dabei nicht in der Lage oder nicht Willens sind, die körperliche Unversehrtheit der Gegendemonstrant*innen zu gewährleisten. Während alte und neue Nazis ihre Versammlung dank eines massiven polizeilichen Einsatzes durchführen konnten, traten die Polizist*innen auf den angemeldeten Gegenprotesten unverhältnismäßig rabiat auf. So sendete die hessische Reiterstaffel gegen 15 Uhr gleich mehrmals berittene Einheiten in den Gegenprotest und sorgte damit für eine erhebliche Gefährdung der Teilnehmer*innen. Mehrere Menschen berichten davon, wie die Reiterstaffel ohne Ankündigung in die Versammlungen hinein geritten kam und Pferde direkt in der Gegendemonstration standen.
Dazu erklärt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk „Ich kritisiere den Pferdeeinsatz aufs Schärfste. Dieser war an mehrfachen Stellen unverhältnismäßig und ging so weit, dass Menschen durch Pferde geschubst wurden. Vor allem, dass die Pferde mitten durch eine bestehende Versammlung gesendet wurden, war äußerst fahrlässig. Als dabei ein Pferd für kurze Zeit außer Kontrolle geriet, war es absolutes Glück, dass es keine Verletzten gab.“
Während die Nazis an dem Gegenprotest an der Bürgerwiese dank der Polizei ungehindert vorbeimarschierten, wurde von den Polizeibeamt*innen aus Hamburg Pfefferspray gegen Gegendemonstrant*innen eingesetzt, wiederum ohne äußerlich erkennbaren Anlass. In das Bild passt, dass auch das extra aus Bayern angeforderte Unterstützungskommando, eine spezialisierte Einheit der bayrischen Polizeikräfte, in der Stunde davor mehrmals kreuz und quer durch die Versammlung an der Bürgerwiese schritt, scheinbar mit dem einzigen Zweck, die Versammlungsteilnehmenden zu provozieren und zu verunsichern. Auch nach dem reformierten sächsischen Versammlungsrecht sind Demonstrationen sogenannt „polizeifest“, das heißt, dass die Teilnehmer*innen gemeinsam und ohne äußere Durchquerungen ihre Anliegen kund tun dürfen sollen. Das schien die bayrischen Kräfte auch nach Widerspruch durch die Organisatoren nicht zu stören. Es ist geradezu bezeichnend, dass keine der feigen Polizist*innen an diesem Sonntag, darauf angesprochen, auch außerhalb von Maßnahmen bereit war, der in § 8 SächsPolG niedergelegten Ausweispflicht für Polizeibeamte nachzukommen.
„Ein Gesetz ist nur gut, wenn sich auch die Polizei daran hält. Die vorgesehende Kontrolle, die Bürger*in nur auslösen kann, wenn die Daten der jeweiligen Beamt*innen bekannt sind, ist Grundlage für das Funktionieren der demokratischen Institutionen. Wir müssen wiederholt feststellen, dass dies im Versammlungsgeschehen in Sachsen nicht funktioniert“, stellt Rudolph-Kokot klar.
Die Strategie der Polizei war es, mit einem massiven Polizeiaufgebot aus anderen Bundesländern Naziaufmarsch in der Stadt durchzuführen und dabei den zahlenmäßig überlegenen Gegenprotest, wenn es darauf ankam, mit Einschüchterungen davon abzuhalten, den Widerspruch der Zivilgesellschaft in Hör- und Sichtweite zu unterdrücken. Dass hierbei insbesondere ortsfremde Polizei Maß und Mitte vergaß und die Dresdner Versammlungsbehörde ihre Kolleg*innen nicht zur Einhaltung der hiesigen Gesetze verpflichten konnte, ist an diesem Sonntag mehrmals eine tatsächliche Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Demoteilnehmenden gewesen.
Nur den besonnenen Aufrufen der Organisator*innen und dem geistesgegenwärtigen Verhalten der Teilnehmer*innen ist es zu verdanken, dass es am Sonntagnachmittag nicht zu schweren Verletzungen der Gegendemonstrant*innen gekommen ist.
„Wir bedanken uns bei den Dresdner Organisator*innen der Proteste, bei allen Menschen, die auf der Straße waren, bei den parlamentarischen Beobachter*innen und bei den Antifaschist*innen, die mit uns nach Dresden gefahren sind, sowie bei dem uns begleitenden Anwalt. Unsere Kritik geht an den Innenminister Schuster, der scheinbar die perfide Strategie, Polizeieinheiten aus anderen Bundesländern als gewissenlose Kampftruppen einzusetzen, immer weiter ausbaut. Dies haben wir am Sonntag in Dresden nicht das erste Mal erlebt. Genau an solchen Tagen wird deutlich, wie wichtig die Einführung einer Kennzeichnungspflicht ist“, so Rudolph-Kokot abschließend.