Stellungnahme von Leipzig nimmt Platz zu „Leipzig leuchtet“

 

Am 30.01.2022 fand die von einem breiten Bündnis getragene Aktion „Leipzig leuchtet“ statt, in der das Aktionsnetzwerk eingebunden war. Wir wollen mit diesem Statement eine solidarische, aber kritische Diskussion anstoßen. Insbesondere nach der Diskussion um einen Redebeitrag des StuRa, hinter den wir uns solidarisch stellen.

Eigene Fehler.
Kritik sollte zunächst eigenes Handeln kritisch reflektieren. Als Aktionsnetzwerk ist es uns nicht gelungen, vorhandene Kritik und Vorschläge stärker in die Vorbereitung einzubringen. Wir versäumten es, die jetzt notwendigen Kritikpunkte im Vorfeld zu klären. Bei den Planungsprozessen brachten wir inhaltlich nicht genug ein. Dies wäre notwendig gewesen, da uns bekannte Gruppen aus der rechtsoffenen Verschwörungszene dazu aufgerufen hatten, die Veranstaltung zu unterwandern. Wir hätten unser Wissen im Umgang mit Versammlungen und den Umgang mit Störversuchen stärker im Vorfeld einbringen können und müssen.

Im Nachhinein den Finger zu heben, ist leicht. Notwendig wäre aber ein Handeln gewesen, das Probleme antizipiert und Fehler schon in der Vorbereitung ausschließt. Leider gelang uns das nicht in einem akzeptablen Maß.

Anspruch und Wirklichkeit.
Grundsätzlich ist es notwendig und richtig in breiten Bündnissen mit unterschiedlichen Vorstellungen gemeinsame Nenner zu suchen, um gemeinsam auch gegen menschenfeindliche Einstellungen handlungsfähig zu sein. Diese Brücken von Gewerkschaften, über Parteien bis hin zu Initiativen und emanzipatorischen Gruppen und Vereinen zu schlagen, ist mitunter mühevoll, nicht frei von Spannungen, aber zwingend notwendig.
Im Vorfeld von „Leipzig leuchtet“ ist es aus unserer Sicht nicht ausreichend deutlich geworden, dass ein breiter Brückenschlag gesucht wird und eben nicht nur das sogenannte bürgerliche Spektrum mobilisiert werden soll. Auch der Anspruch, am 90. Jahrestag der Machtübernahme der NSDAP ein Zeichen zu setzen, ist nur teilweise erfüllt worden. Dennoch gab es viele gute Redebeiträge.

Unbehagen.
So wichtig wie es ist, stellenweise gemeinsam zu agieren, so deutlich muss auch die Kritik ausfallen, wenn Personen die Aktion für sich nutzen dürfen, die sonst eher damit auffallen, antifaschistischen Gegenprotest zu kriminalisieren oder zu kritisieren – also gerade der Ministerpräsident, der mit seinem Handeln in den letzten Jahren auch zur Etablierung von rechten Einstellungen in Sachsen beigetragen hat. Positiv herauszuheben ist, dass auf der Bühne mit den Vertreterinnen des Stadtschüler:innenrates und des Student:innenrates, die junge Generation vertreten war und auch die migrantische Perspektive einbezogen wurde. In diesem Zusammenhang stehen wir auch solidarisch an der Seite des Student:innenrates der Uni Leipzig, dessen Rednerin aus unserer Sicht zu Unrecht für ihren Beitrag kritisiert wurde. Wir verstehen, dass dieser Redebeitrag für einige verstörend wirkte. Aber er spiegelt das Grundgefühl vieler junger Menschen wieder, die das Zitat der Auschwitz Überlebenden Esther Bejarano wieder, dass wer gegen Nazis kämpft sich auf den Staat nicht verlassen kann, mit eigenen Erfahrungen teilen. Für viele junge Menschen, die Montags auch gegen rechte Raumnahmen demonstrieren ist übergriffiges Verhalten von Polizeibeamten Realität, verbunden mit dem Gefühl im Ernstfall nicht geschützt zu werden.

Das auszuklammern, was ist, und sich gegebenenfalls zu distanzieren, nur weil man die Wahrnehmung nicht teilt, verprellt auch diese Menschen, die sich für Menschenrechte und Demokratie engagieren.

Wir verstehen auch die notwendige radikal emanzipatorische Kritik, dass man nicht Seite an Seite mit Menschen stehen will, die mit ihren einseitigen Gesprächsangeboten an Verschwörungsfreund:innen und rechte Demagog:innen immer wieder menschenfeindliche Aufwallungen in Sachsen letztlich legitimiert haben.

Kritik.
Der notwendige Bruch muss kommen, wenn rechte Gruppen, wie geschehen, zur Teilnahme aufrufen und versuchen, die Demonstration zu kapern. Mit Menschen, die montäglich mit Reichsfahnen über den Ring laufen, antisemitische Erzählungen verbreiten und meinen, dass wir in einer Diktatur seien und sie deswegen die eigentlichen „Antifaschisten“ wären, weil dieser Staat bereits „faschistisch“ sei, kann und darf es keinen Frieden geben. Allein schon deshalb nicht, weil damit auch die Shoah verharmlost wird. Die Toleranz darf nicht der Intoleranz weichen.

Notwendig wäre es daher gewesen, die Versuche von rechten Gruppen, am Geschehen teilzunehmen, konsequenter zu unterbinden und Ordner darauf hinzuweisen. Dass rechte Streamer ungestört vor der Bühne filmen und Verschwörungsfans ohne Widerspruch teilnehmen konnten, muss daher denjenigen, die montags – allein gelassen von breiten Teilen der Zivilgesellschaft – den Protest organisieren, wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen.
Rechte Gruppen und Personen konnten glücklicherweise keine wirkmächtigen Bilder produzieren. Dies darf uns aber nicht ausreichen.

Es ist leicht als Angehöriger der weißen Mehrheitsgesellschaft darüber hinweg zu sehen, dass rechte Personen teilgenommen haben und zu begrüßen, dass es keine Störungen gab. Für Menschen, die nicht Teil dieser Mehrheitsgesellschaft sind, weil sie rassifiziert werden, war es ein Problem. Dabei wäre diese Perspektive zwingend erforderlich. Auch wir sind hier immer noch lernende und umso wichtiger ist es daher marginalisierten Gruppen mehr Raum zu geben und ernst zu nehmen, was sie sagen. Teil 2/2

Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“
www.platznehmen.de

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