Stellungnahme des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ zum Antifa-Ost Verfahren

Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle!

Als Aktionsnetzwerk, dass sich gegen Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und deren Symptome einsetzt, haben wir das Antifa-Ost Verfahren aufmerksam verfolgt.

Der Eintritt gegen Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, Antifaschismus, ist ein zentraler Grundpfeiler unserer Demokratie. Dies gilt gerade in einer Zeit, in der sich überall in Europa der Nationalismus wieder ausbreitet und autoritäre Einstellungen zunehmen. Die Dynamiken in Sachsen sind dabei in gewisser Weise exemplarisch für Entwicklungen in anderen Teilen Deutschlands und Europas. Die weit verbreitete Präsenz rechtsradikaler Gruppen und Parteien und das Wiederaufleben von Faschismus auf den Straßen und in Parlamenten, sowie die Normalisierung dieses Zustandes, gefährden die Gesellschaft. Damit ist der Einsatz für eine offene Gesellschaft eine Grundverpflichtung für jeden demokratisch gesinnten Menschen. Wir sind daher mit allen solidarisch, die sich dafür einsetzen, auch wenn unsere Mittel gewaltfreie Aktionen sind und wir uns dazu verpflichtet fühlen.

Aktuell erleben wir insbesondere in Sachsen eine Welle der Repression gegen  Antifaschist*innen und Klimaaktivist*innen, die beispiellos ist und deren Speerspitze das Antifa-Ost Verfahren ist.

Wir konstatieren, dass es eine massive Vorverurteilung gegeben hat. Noch bevor es zu einer Verhandlung kam, erfolgte die mediale Inszenierung eines „Terrorprozesses“ mit Zurschaustellung der Angeklagten und der Ikonografierung der Bilder. Obwohl die Beweislage zur „kriminellen Vereinigung“ von Anfang an übersichtlich war, stand bereits für viele Medienvertreter*innen von Anfang an fest, dass es nur so gewesen sein kann.

Dies ordnet sich ein in die Erklärung von Landeskriminalamt und Co., die im Zweifelsfall jedweden Protest gegen Rechts in Sachsen als Ausdruck einer „linksextremen“ Überzeugung sehen und meinen, in mittelalterlichen Schauprozessen eine Abschreckungswirkung entfalten zu können. Dass dabei Grundprinzipien wie die Verhältnismäßigkeit und die Unschuldsvermutung auf der Strecke bleiben, ist der Ausdruck eines Handelns, das sich an autoritären Grundzügen orientiert und den Protest nicht als Teil einer nötigen politischen Auseinandersetzung begreift.

Wir erinnern daran, dass der Verfassungsschutz das Eintreten für Antifaschismus, gegen Gentrifizierung, Kapitalismuskritik und Klimaschutz jeweils als quasi staatsgefährdend versteht und bewertet. Dies geschieht in einer Zeit, da radikal rechts zu sein normal ist und Neonazis in Sachsen ganz offen ihre Gesinnung zeigen können, während Antifaschist*innen sich überlegen, ob es überhaupt ratsam ist, eine Anzeige bei der Polizei zu stellen, in der Annahme, dass ohnehin nicht ermittelt wird oder Daten direkt an Neonazis weitergegeben werden.  Wir erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass auch im Antifa-Ost Verfahren Grundlagen von Hausdurchsuchungen offenbar durch die Sicherheitsbehörden selbst, an das rechtsradikale Compact Magazin durchgestochen wurden.

Der Staat inszeniert einen einfachen Strafprozess als medialen Schauprozess, um die These eines vermeintlichen „Terrorismus“ zu nähren. Um was es eigentlich geht, ist die Delegitimierung von Antifaschismus.

Angesichts dessen können wir nicht schweigen.

Die Gefahr besteht nicht durch einzelne Straftaten. Die Gefahr für die Menschen- und Grundrechte besteht in einem Staat, der einzelne Straftaten als Grundlage für politisch intendierte Schauprozesse nimmt und mit der rahmengebenden Erzählung den Nationalismus weiter fördert. Die Gefahr besteht in der fortwährenden Eskalationsstrategie der Sicherheitsbehörden, deren ausufernde Repression die Grundlage der zunehmenden Eskalation ist.

Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle!

 

Beitragsbild (Symbolbild) von Paul P.

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