Redebeitrag zur #Mietenwahnsinn-Demo: Kämpfe verbinden

Wir, das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“, erklären uns solidarisch mit dem Anliegen der heutigen Demonstration.

Es wird immer wichtiger, dass Menschen, die für eine solidarische Gesellschaft streiten, sich verbinden. In Zeiten, in denen die Auswirkungen jahrzehntelanger neoliberaler Politik nicht nur auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt immer spürbarer werden, versuchen rechte Rattenfänger*innen, Menschen davon zu überzeugen, dass nicht der ungezügelte Kapitalismus das Problem darstellt, sondern fokussieren den Unmut auf einzelne schwache Gruppen in unserer Gesellschaft. Und dies passiert gerade in allen Bereichen – egal ob Wohnen, Kita, Arbeit oder soziale Leistungen. Auch darauf müssen wir eingehen, wenn wir uns mit dem Thema Wohnen für alle beschäftigen. Wir müssen deutlich machen, dass wir solidarisch für alle Menschen in unserer Gesellschaft eintreten und dass Ideologien der Menschenfeindlichkeit nirgendwo Platz haben dürfen.

Für dieses Thema kämpft das Aktionsnetzwerk schon seit vielen Jahren und stellt rechten Aufmärschen in Leipzig – und darüber hinaus – regelmäßig Protest entgegen. Das ist wichtig, reicht aber nicht, um das Ziel einer lebenswerten Gesellschaft zu erreichen. Hierfür braucht es Bündnisse, welche die sozialen Kämpfe thematisieren und wie „Leipzig für alle“ auf die Straßen tragen.

Gerade auch das Thema Wohnen zeigt, wie es um eine Gesellschaft bestellt ist. Meistens ist die Wohnung der Lebensmittelpunkt für einen Menschen. Der passende, und damit auf jeden Fall bezahlbare, Wohnraum ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und damit würdevolles Leben. Und das gilt für alle Menschen. Wenn Mieter*innen aus ihren Vierteln vertrieben werden und neu ankommende Menschen gar keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden, müssen wir gemeinsam diesen Verhältnissen den Kampf ansagen und dabei streng darauf achten, dass wir selbst den Solidargedanken immer in den Mittelpunkt rücken.

Wir als Aktionsnetzwerk erinnern staatliche und politische Akteure sehr gerne an Grundrechte, wie zum Beispiel die Versammlungsfreiheit. Selbst die Sächsische Verfassung eignet sich gut dazu, Verantwortliche an die Grundsätze ihres Handelns zu erinnern. Im Artikel 7 finden sich die passenden Passagen:

»Das Land erkennt das Recht eines jeden Menschen auf ein menschenwürdiges Dasein, insbesondere auf Arbeit, auf angemessenen Wohnraum, auf angemessenen Lebensunterhalt, auf soziale Sicherung und auf Bildung, als Staatsziel an

In den Artikeln 31 und 32 der Verfassung wird beschrieben, wann eine Vergesellschaftung von Wohnraum möglich ist: »zum Wohl der Allgemeinheit«!

Wir rufen dazu auf, nicht zurückzuschrecken und auch in Leipzig die Enteignung von Wohnraum im Sinne des Gemeinwohls offen zu diskutieren.

Wir wollen, dass alle Menschen dort wohnen können, wo sie wollen, und dass jeder Mensch für sich eine Wohnung findet und dort frei von der Angst, diese zu verlieren, leben kann.

Eine solidarische Gesellschaft, frei von Ausgrenzung und Hass, ist unser aller Ziel. In diesem Kampf müssen wir uns vereinen, so wie heute hier auf den Straßen Leipzigs und darüber hinaus.


Foto: Leipziger Internet-Zeitung


Die Demonstration startet am 6. April um 14 Uhr ab Bayerischer Bahnhof. Aktuelle Informationen gibt es bei http://leipzigfueralle.blogsport.eu/.

Wir, das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“, erklären uns solidarisch mit dem Anliegen der heutigen Demonstration.

Es wird immer wichtiger, dass Menschen, die für eine solidarische Gesellschaft streiten, sich verbinden. In Zeiten, in denen die Auswirkungen jahrzehntelanger neoliberaler Politik nicht nur auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt immer spürbarer werden, versuchen rechte Rattenfänger*innen, Menschen davon zu überzeugen, dass nicht der ungezügelte Kapitalismus das Problem darstellt, sondern fokussieren den Unmut auf einzelne schwache Gruppen in unserer Gesellschaft. Und dies passiert gerade in allen Bereichen – egal ob Wohnen, Kita, Arbeit oder soziale Leistungen. Auch darauf müssen wir eingehen, wenn wir uns mit dem Thema Wohnen für alle beschäftigen. Wir müssen deutlich machen, dass wir solidarisch für alle Menschen in unserer Gesellschaft eintreten und dass Ideologien der Menschenfeindlichkeit nirgendwo Platz haben dürfen.

Für dieses Thema kämpft das Aktionsnetzwerk schon seit vielen Jahren und stellt rechten Aufmärschen in Leipzig – und darüber hinaus – regelmäßig Protest entgegen. Das ist wichtig, reicht aber nicht, um das Ziel einer lebenswerten Gesellschaft zu erreichen. Hierfür braucht es Bündnisse, welche die sozialen Kämpfe thematisieren und wie „Leipzig für alle“ auf die Straßen tragen.

Gerade auch das Thema Wohnen zeigt, wie es um eine Gesellschaft bestellt ist. Meistens ist die Wohnung der Lebensmittelpunkt für einen Menschen. Der passende, und damit auf jeden Fall bezahlbare, Wohnraum ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und damit würdevolles Leben. Und das gilt für alle Menschen. Wenn Mieter*innen aus ihren Vierteln vertrieben werden und neu ankommende Menschen gar keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden, müssen wir gemeinsam diesen Verhältnissen den Kampf ansagen und dabei streng darauf achten, dass wir selbst den Solidargedanken immer in den Mittelpunkt rücken.

Wir als Aktionsnetzwerk erinnern staatliche und politische Akteure sehr gerne an Grundrechte, wie zum Beispiel die Versammlungsfreiheit. Selbst die Sächsische Verfassung eignet sich gut dazu, Verantwortliche an die Grundsätze ihres Handelns zu erinnern. Im Artikel 7 finden sich die passenden Passagen:

»Das Land erkennt das Recht eines jeden Menschen auf ein menschenwürdiges Dasein, insbesondere auf Arbeit, auf angemessenen Wohnraum, auf angemessenen Lebensunterhalt, auf soziale Sicherung und auf Bildung, als Staatsziel an

In den Artikeln 31 und 32 der Verfassung wird beschrieben, wann eine Vergesellschaftung von Wohnraum möglich ist: »zum Wohl der Allgemeinheit«!

Wir rufen dazu auf, nicht zurückzuschrecken und auch in Leipzig die Enteignung von Wohnraum im Sinne des Gemeinwohls offen zu diskutieren.

Wir wollen, dass alle Menschen dort wohnen können, wo sie wollen, und dass jeder Mensch für sich eine Wohnung findet und dort frei von der Angst, diese zu verlieren, leben kann.

Eine solidarische Gesellschaft, frei von Ausgrenzung und Hass, ist unser aller Ziel. In diesem Kampf müssen wir uns vereinen, so wie heute hier auf den Straßen Leipzigs und darüber hinaus.


Foto: Leipziger Internet-Zeitung


Die Demonstration startet am 6. April um 14 Uhr ab Bayerischer Bahnhof. Aktuelle Informationen gibt es bei http://leipzigfueralle.blogsport.eu/.

Redebeitrag am 12. Januar bei der Demo “AfD? Adé!” in Riesa

Liebe Antifaschist*innen, oder anders gesagt liebe Demokrat*innen,

gemeinsam wollen wir heute deutlich machen, dass Hass und Hetze keine Alternative sind und die AfD keine demokratische Partei ist.

Nur weil eine Partei demokratisch gewählt wurde, ist sie deswegen noch keine demokratische Partei. Ein Fehlschluss, den aber viele Menschen begehen. Eine demokratische Partei bewegt sich im Rahmen des Grundgesetzes. Eine Partei, die Teile des Grundgesetzes abschaffen will, Rassismus verbreitet und zum Hass aufstachelt, ist keine demokratische Partei.

Kerninhalt der AfD ist die Verbreitung von Hass und Hetze, die Stimulierung der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Gezielt werden in den Reden Versatzstücke und Argumentationsmuster des dritten Reiches aufgegriffen und ein Bürgerkrieg heraufbeschworen.

In ihrem Auftreten schafft es die AfD, nahezu alle Themen im Kernbereich mit dem Thema Migration zu verknüpfen. An allem sollen Menschen Schuld haben, die nach Deutschland auf der hoffnungsvollen Suche nach einem besseren Leben gekommen sind. Egal ob es das Thema Mietsteigerung, Pflegenotstand oder soziale Gerechtigkeit ist. Gezielt setzt die AfD dabei auf die Verbreitung von Falschinformationen, um Menschen zu verunsichern und Ängste zu verstärken.

Statt ernsthaft an den Problemen zu arbeiten, präsentiert die AfD Sündenböcke und stachelt zum Hass auf.

Und gerade in einer Zeit, wo allerorten über Gewalt diskutiert wird, weil die AfD sich als Opfer geriert, sind wir auch hier, um an die vielen Opfer rassistischer Gewalt zu erinnern: An diejenigen, die Leidtragende der AfD sind, weil sie anders aussehen, eine andere Sprache sprechen oder weil sie anders denken oder anders lieben oder anders leben. An diejenigen, die verletzt und getroffen werden, weil sich Rechte auf der Straße berufen fühlen, die AfD-Propaganda in die Tat umzusetzen. Taten, in deren Folge es keinen großen Aufschrei gibt und keine Betroffenheitsgesten folgen, weil rassistische, menschenverachtende Gewalt in Deutschland 2019 offenbar so normal geworden ist, dass man sich daran gewöhnt hat.

Wir sagen „Nein!“

Wir sind auch hier, um uns mit jenen zu solidarisieren, die Opfer dieser mörderischen AfD-Propaganda werden. Mit dem Auftreten der AfD sind Rassismus und Diskriminierung wieder gesellschaftsfähig geworden. Und wir sind hier um deutlich zu widersprechen und darauf hinzuweisen, dass es die AfD ist, die die Gewalt auslöst und schafft.

Hier in Riesa trifft sich die deutsche Brexit-Partei. Man will über das Europawahlprogramm sprechen und fordert einen radikalen Umbau der EU oder man wolle sie verlassen. Dazu inszeniert man den Schulterschluss mit der europäischen Rechten von Lega Nord über den Front National bis hin zu der PIS in Polen. Europa steht am Scheideweg. Der Neofaschismus ist überall auf dem Vormarsch und wir sind heute auch hier, um den Faschist*innen in den erhobenen Arm zu fallen und an das „Nie wieder“ zu erinnern. An ein „Nie wieder“, dass viele Menschen vergessen zu haben scheinen.

Die Ausbreitung der Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die Zustimmung zum Autoritarismus, zu Ausgrenzung und zu Etabliertenvorrechten hat auch damit zu tun, dass die AfD den Rechtsruck befeuert, aber viele Parteien diesen auch mittragen, statt entschlossen zu widersprechen. Der Hass der AfD fällt in einer Gesellschaft, in der Rassismus und Vorurteile in der Mitte der Gesellschaft wurzeln, auf fruchtbaren Boden – gerade hier in Sachsen.

Diese Entwicklung hat aber auch damit zu tun, dass Teile der Medien allzu schnell Behauptungen der AfD aufgreifen und verbreiten, ohne diese zu überprüfen. Wir erinnern die Medien daran, dass es ihre Aufgabe ist, Behauptungen zu überprüfen und Fakten zu verifizieren und nicht ungeprüft zu übernehmen.

Und wir erinnern auch daran: Wer heute gegen die AfD demonstriert, ist nicht vorgeblich links. Gegen die AfD zu demonstrieren, Faschist*innen zu widersprechen, ist eine Frage des demokratischen Anstands.

Es wäre die Aufgabe des Staates, auch der Polizei, das Grundgesetz zu verteidigen und für dessen Werte einzutreten, statt viel zu oft schweigend den Rechtsradikalen den Weg zu bereiten oder deren Forderungen zu übernehmen. Ja, es ist auch Aufgabe der Polizei, die Veranstaltung der AfD zu schützen, aber es nicht Aufgabe der Polizei, sich mit der AfD oder deren Inhalten gemein zu machen. Und gerade in Sachsen fordern wir die Polizei auf, deutlich zu machen, dass sie auf der Seite des Grundgesetzes steht und entschlossen die Grundrechte verteidigen wird, so wie es ihre Aufgabe ist.

Nein, nicht die AfD hat sich in den letzten Jahren radikalisiert. Der Kern des Faschismus und Neoliberalismus war bei ihrer Gründung bereits vorhanden. Eine Saat, die mehr und mehr aufgeht und gedeihen kann, auch weil vorgebliche Politikwissenschaftler, dem Hass ihren Segen erteilen und mit dem Lamento der „berechtigten Sorgen und Nöten“ verklären.

Wir rufen ihnen zu: Hier stehen heute über 1000 Menschen mit berechtigten Sorgen und Nöten vor einem Wiederaufstieg des deutschen Faschismus. Nehmt diese Sorgen ernst!

Aus der Geschichte Deutschlands erwächst eine besondere Verantwortung. Wir, die wir heute leben, sind nicht dafür verantwortlich was geschehen ist, aber wir sind dafür verantwortlich, dass es nicht wieder geschieht. „Nie wieder Faschismus! Stoppt die AfD!“


Foto: Marco Arenas, Quelle: https://twitter.com/MarcoAr12380282/status/1084399868829941760

Redebeiträge bei “Feminismus oder Schlägerei”

Am 29. Juli 2018 hatte ein neuerlicher Ableger aus den rechten Verstrickungen in Leipzig als “Frauen fordern” versucht zur Demonstration zu mobilisieren. Auch wenn das Motto “Keine Gewalt” zu breiter Beteiligung aufrief, kamen nur etwa 50 Ewiggestrige zusammen, die plötzlich Frauenrechte als ein wichtiges Thema für sich entdeckt hatten. Daran änderte auch die Mobilisierung vorrangig aus den bekannten Strukturen in Dresden und Meißen sowie über eine ebenfalls neue Gruppe “Biker for Womens” (wir lachen immer noch ;‍) nichts. Nach 25 Minuten war der Spuk dann schon wieder zu Ende.

Dem faden Aufwärmen von Gewaltmythen gegen Geflüchtete und überhaupt alle, die nicht der Halluzination eines homogenen deutschen Volkes entsprechen, hat das Aktionsnetzwerk einen feministischen Aufruf unter dem Titel Feminismus oder Schlägerei entgegengesetzt, dem mehr als Hundert Menschen folgten. Einige Redebeiträge dokumentieren wir hier.

Einen guten Einblick in die Strukturen, die hinter “Frauen fordern” stehen, findet ihr im blog Pure Coincidence.

Wir möchten uns auch ausdrücklich beim MC Kuhle Wampe Pleißenburg bedanken, der es sich nicht nehmen lassen wollte, dem Aufruf zum Motorradkorso zu folgen – mit ernsthaft feministischem Anspruch.

Redebeitrag der Grünen Jugend Sachsen:

Unser Feminismus bleibt antirassistisch!

Vermeintlich feministische Positionen werden immer wieder von reaktionären Kräften missbraucht.

Diejenigen, die sich bei der Diskussion um Frauenquoten, um das Recht auf gleiche Bezahlung oder bei der Diskussion um sexuelle Übergriffe, bspw. unter dem Hashtag #metoo, gern laut beklagen, dass es irgendwann mal gut sein müsse mit dem Feminismus, dass man als Mann nicht mehr wisse, wie man richtig flirten könne und die das Ende der gesellschaftlichen Akzeptanz des gepflegten Altherrenwitzes beweinen – sie blühen auf, wenn es darum geht, Ressentiments im Namen der Frauenrechte zu verbreiten.

Was Menschen, wie die Organisator*innen der Demo von „Frauen fordern“ eigentlich mit ihrem Kampf „gegen Gewalt gegen Frauen“ sagen möchten, ist, dass deutsche Frauen geschützt werden müssen. Sie beschwören eine Gefahr, die von Menschen „aus einem anderen Kulturkreis“ ausginge, in dem Frauen „naturgemäß“ unterdrückt würden. Mit dem Konstrukt der „fremden Kultur“, der sie Eigenschaften andichten, die angeblich alle Menschen, die dieser zugehörig wären, aufweisen, rechtfertigen sie ihre Hetze gegen Migrant*innen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Diese Ignoranz zieht sich bis weit in die sogenannte Mitte unserer Gesellschaft. Bei weitem nicht nur Politiker*innen der AfD machen die „jungen Männer aus Nordafrika“ als Gefahr für „unsere Frauen“ aus. Die Behauptung, Muslime wären per se reaktionär und alle Muslima würden unterdrückt, hält sich unter anderem in zahlreichen Talkshowdiskussionen wacker.

Über kaum ein Kleidungsstück wurden in den vergangenen Jahren so heftige Debatten geführt, wie über das Kopftuch. So bezeichnete Alice Schwarzer das Kopftuch als „Flagge des Islamismus“. Wie in vielen anderen Debatten, wurde vor allem ÜBER die Betroffenen geredet. Kopftuchtragenden Muslima wird ihre Selbstbestimmtheit abgesprochen, dass Kopftuch per se als Symbol der Unterdrückung gelabelt.

Das Fatale: Auch Feministinnen bedienen sich rassistischen Ressentiments. Auch Feministinnen sprechen plötzlich wieder über Kleiderordnungen für Frauen, auch Feministinnen sprechen vor allem ÜBER, statt mit Betroffenen.

Dagegen müssen wir laut sein. Wir wehren uns gegen jede Form der Stigmatisierung und des Rassismus.

Und wir müssen zuhören, was Frauen zu sagen haben.Nach der Silvesternacht 15/16 initiierten muslimische und nichtmuslimische Feminist*innen den Hashtag #ausnahmslos.Sie setzten damit ein Zeichen gegen rassistische Hetze, die sich nach den Übergriffen auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof Bahn brach. Ihre Kritik richtete sich gegen die Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes, die mit der Änderung des Sexualstrafrechts einherging. Es ist unsere Aufgabe, solchen Stimmen mehr Gehör zu verschaffen.

Grausame Straftaten gegen Frauen und LGBTIQ* aber auch subtilere Formen der Unterdrückung sind immer noch an der Tagesordnung. Sie zeigen deutlich, dass wir noch weit entfernt sind von einer gleichberechtigten Gesellschaft.

Den Initiator*innen von „Wir sind Kandel“ und anderen Hetzdemonstrationen, geht es jedoch nicht darum Probleme zu benennen. Sie erzählen nicht von psychologischen Studien, die belegen, dass Frauen bei der Polizei und vor Gericht Nachteile nach der Anzeige einer Straftat haben, weil sie tendenziell als weniger kompetent und glaubwürdig wahrgenommen werden als Männer. Sie erzählen nicht von der Gewalt und der Unterdrückung, die tagtäglich in Familien stattfindet. Sie prangern nicht die zahlreichen sexuellen Übergriffe auf urdeutschen Traditionsfesten wie dem Oktoberfest an. Ihre wohlfeilen Anklagen müssen wir deshalb immer wieder entlarven.

Wir sind feministisch. Das bedeutet: Wir stehen für die Rechte von Frauen und LGBTIQ* ein. Wir kämpfen gegen strukturelle Diskriminierung und die Macht des Patriachats. Wir kämpfen dafür, dass es egal ist, welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst, wen du liebst. Für ein selbstbestimmtes Leben für alle – und DAS gegen gewaltige gesellschaftliche Widerstände. Überall. Jeden Tag.

Redebeitrag der Jusos Leipzig:

Deutschland ist emanzipiert wie nie, es ist gleichgestellt wie nie. Dennoch gibt es eine seltsame Gleichzeitigkeit. Im Alltag ist die Freiheit queerer Menschen trotz aller Fortschritte immer noch eingeschränkt. Sei es, weil sie gemobbt werden: Schwule Sau gehört immer noch zu den beliebtesten Schimpfwörtern. Oder weil sie am Arbeitsplatz ihre sexuelle Identität verheimlichen müssen. Oder weil sie Opfer von Übergriffen auf offener Straße werden. Minderheitenrechte sind Menschenrechte und wer eine Minderheit angreift, greift die ganze Gesellschaft an.

In der Gesellschaft, für die wir kämpfen, ist es selbstverständlich, dass Minderheiten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es ist eine Gesellschaft, in der es keine Diskriminierung aufgrund der Herkunft, des Namens des Aussehens und der Identität geben kann.

Wir werden nicht zulassen, wenn rechte Akteure sich als Feminist*innen darstellen, denn Feminismus kann in vielen Arten gelebt werden, nie aber ist er rassistisch, klassistisch oder völkisch. Jedes völkische Denken aber beschränkt zwangsläufig die sexuelle und politische Freiheit.

Anstatt Sexismus und sexuelle Gewalt in einem öffentlichen Diskurs anzuprangern, mit der Motivation frauenfeindliche Strukturen aufzubrechen, gehen rechte ”Feminist*innen” davon aus, dass es in westlichen Gesellschaften keinen Sexismus gäbe. In der deutschen Kultur, so die Auffassung, leben Frauen selbst bestimmt und frei. Sexuelle Gewalt und Diskriminierung, beispielsweise am Arbeitsplatz oder im häuslichen Umfeld, wird geleugnet bzw. nicht thematisiert.

Die Tatsache, dass rechte Demonstrationen, wie diese heute, beinahe Alltag geworden sind, ist Zeichen einer politischen Entwicklung, die sich nicht nur in Deutschland und Europa beobachten lässt. Insbesondere mit Hinblick auf die Landtagswahlen nächstes Jahr hier in Sachsen, lässt es einen schaudern. Wir demonstrieren daher heute gegen rechtes Gedankengut allgemein und für eine gerechte und solidarische Gesellschaft.

Eines Tages – dafür stehen wir hier – werden der Frauenkampftag und der CSD keine Demonstrationen mehr sein, sondern bunte Paraden, bei denen Queers und ihre Freund*innen miteinander feiern. Alle haben die selben Rechte. Niemand muss mehr Angst vor Übergriffen haben. Schwuchtel ist kein Schimpfwort mehr. Und an intergeschlechtlichen Kindern werden keine korrektiven Maßnahmen mehr vorgenommen.

Danke, für euer euer Engagement.
Freundschaft

Redebeitrag von Irena Rudolph-Kokot zum Fachtag „Nächstenliebe – Polizei – Gesellschaft“

Fachtag der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft „Kirche für Demokratie und Menschenrechte“ am 5. April 2017 in Leipzig


Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dem Eingangsreferat von Norbert Kueß, der uns eine spannende Betrachtung zivilgesell­schaftlichen Protestes aus polizeiwissenschaftlicher Perspektive geboten hat, möchte ich als Vertreterin eines großen Leipziger Netzwerkes zivilgesellschaftlicher Akteur*innen zum Protest­geschehen der letzten Jahre sprechen.

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“

Das Aktionsnetzwerk hatte sich 2009 gegründet, um einem Aufmarsch der „Nationalen Sozialis­ten“ am 17.10.2009 in Leipzig mit Aktionen des zivilen Ungehorsams zu begegnen. Diese Demonstration und eine folgende im Oktober gelang es zu verhindern. Danach gab es in Leipzig lange Zeit nur wenige (stationäre) Kundgebungen, häufig von so genannten „Bürger­initiativen“ wie die gegen den Moschee-Bau in Gohlis. Auch gegen die letzten „echten“ Nazidemos 2013 in Schönefeld (NPD) und 2014 in Lindenau (JN) wurde im Aktionsnetzwerk Proteste organisiert.

Gemeinsam mit zahlreichen Partner*innen aus zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Zusammenhängen – dazu gehören Gruppen, Initiativen, Gewerkschaften, Parteien, Jugend­organisationen, engagierte Einzelpersonen und auch Kirchenvertreter*innen – mobilisierte das Aktionsnetzwerk gegen viele weitere Nazidemonstrationen in Leipzig und anderen Städten. „Leipzig nimmt Platz“ kooperiert mit ähnlichen überregionalen Strukturen, z. B. dem „Aktionsnetzwerk Jena“, dem „Bündnis für Zivilcourage Halle“ oder „Dresden Nazifrei“.

Die Leipziger Erklärung 2015 und erste Repressionen des Protests

Im Januar 2015 wurde ein besonderes und öffentlich wirksames Handeln in Leipzig für das Aktionsnetzwerk akut notwendig. Ein Ableger der *Gida-Bewegung, LEGIDA, wollte in Leipzig Fuß fassen. In kürzester Zeit konnte die Leipziger Zivilgesellschaft aktiviert werden. In diesem Zusammenhang wurde die Leipziger Erklärung 2015 verabschiedet, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Darin heißt es:

  1. Wir sind entschlossen, LEGIDA-Proteste und andere rassistische und Neonaziaufmärsche in Leipzig zu verhindern.
  2. Neonazistische Einstellungen, Rassismus, Islamfeindlichkeit und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit haben in Leipzig keinen Platz.
  3. Wir sind solidarisch mit allen, die diese Ziele mit uns teilen.
  4. Wir wollen das in gemeinsamen und gewaltfreien Aktionen erreichen.
  5. Wir werden Rassist_innen, Neonazis und andere LEGIDAs mit Widersetz-Aktionen zeigen, dass wir sie weder in Leipzig noch anderswo dulden.

Unterzeichnet wurde diese Erklärung innerhalb nur einer Woche von 2183 Menschen. Zu den Erstunterzeichnenden gehörten unter anderen der Künstler Michael Fischer-Art, Ines Kuche: Geschäftsführerin ver.di Leipzig/Nordsachsen, Bernd Kruppa: 1. Bevollmächtigter IGM Leipzig/Vorsitzender Courage Verein, der Sänger Sebastian Krumbiegel, Franz Kimmerle vom Erich-Zeigner-Haus e.V., Monika Lazar: MdB B90/Grüne, Daniela Kolbe: MdB SPD, Constanze Krehl: MdEP SPD, Juliane Nagel und Marco Böhme: MdL Linke, Dirk Panter und Holger Mann: MdL SPD, Jürgen Kasek: Landesvorstandssprecher B90/Grüne Sachsen, und viele mehr.

Die erste Legida-Gegendemo hatte am 12. Januar 2015 mit ca. 30.000 Menschen auf der Straße gezeigt, dass der *Gida Ableger hier nicht willkommen ist. Damals brachte das selbst ernannte „Volk“ maximal 5.000 Menschen auf die Beine.

Schon an diesem ersten erfolgreichen Protesttag begann die lange Reihe der staatlichen Repres­sionen gegen friedliche Aktionen des zivilen Ungehorsams. Damals gab es eine Sitzblockade, deren Beteiligte über ein Jahr erst mit Strafandrohungen, dann Bußgeldern schikaniert wurden. In den meisten Fällen wurden die Verfahren schließlich eingestellt.

Um weiterhin viele Leipziger*innen zum Protest gegen das aufkommende Unheil zu mobilisieren, veranstaltete das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ am 19. Januar 2015 eine Presse­konferenz, an der u. a. die Bundestagsabgeordnete der Grünen Monika Lazar und die Landtags­abgeordnete der Linken Juliane Nagel teilnahmen. Sie riefen die Leipzigerinnen und Leipziger zum Protest auf. Für beide folgte ein juristisches Nachspiel. Ihnen wurde vorgeworfen, zu Verhinderungsblockaden aufgerufen zu haben.

Aus Solidarität stellten über hundert Menschen Selbstanzeige nach § 111 StGB bei der Staats­anwaltschaft Leipzig, auch ich persönlich. Denn wir alle hatten die Leipziger Erklärung unterzeichnet und nichts anderes als in der Erklärung geschrieben steht, haben die beiden Politiker*innen verlautbart. Die Anzeigen wurden wegen Mangels an öffentlichem Interesse nicht verfolgt, das Verfahren gegen Frau Lazar wegen geringer Schuld eingestellt, wobei sie heute noch auf die Antwort der Staatsanwaltschaft wartet, was denn ihre geringe Schuld gewesen sei. Auch Frau Nagels Verfahren fand nach zwei Jahren ein Ende, allerdings gegen Zahlung von 3.500€. Was darüber hinaus geblieben ist – ein tiefes Misstrauen vieler Menschen in die sächsische Justiz und die bestätigte Gewissheit, in Sachsen gilt „derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.“ (Tucholsky)

Einordnung von Legida in die Neue Rechte

In der Wahrnehmung von außen war das Oranisationsteam von Legida überwiegend von Personen aus dem Hooliganmillieu, aus der subkulturellen Neonaziszene und dem Umfeld der „Montags­mahnwachen“ getragen. Der Mann, der laut Boulevardzeitungen Pegida nach Leipzig holte, war jedoch der jetzige AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider. Er wird ebenso wie beispielsweise der Verleger Götz Kubitschek oder Jürgen Elsässer einer sogenannten „Neuen Rechten“ zugeordnet, die sich zumindest verbal vom historischen Nationalsozialismus abgrenzt und einen biologistischen Rassismus nicht öffentlich legitimiert, sich dafür aber positiv auf die Vordenker*innen des NS bezieht und mit ihrem „Ethnopluralismus“ auf die ideologischen Grundlagen von „Blut und Boden“ zurückgreift.

Neben Tillschneider erhielt Legida auch von Kubitschek und Elsässer durch Reden und Werbung über deren ausgebaute Netzwerke Unterstützung. Öffentlich wurde teilweise über finanzielle Unterstützung durch Elsässer spekuliert. Im Sommer 2015 beteiligte sich außerdem die, ebenfalls als „neurechts“ bezeichnete Identitäre Bewegung mit einem eigenen Block und einem Rede­beitrag durch den sächsischen Anführer Tony Gerber aus Zwickau, der Kontakte zum NSU-Umfeld unterhielt. Das rechte Projekt „Ein Prozent für unser Land“ um den Burschenschaftler Philipp Stein, Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer spendete an den damaligen Legida-Anführer Markus Johnke.

Entwicklung des Protestgeschehens
oder wie in Leipzig die *Gida-Bewegung scheiterte

Anders als in Dresden riss der Protest über zwei Jahre nie ab und brachte regelmäßig wesentlich mehr Menschen auf die Straße, als Legida es vermochte.

Im Jahr 2015 gab es alleine in Leipzig an 36 Terminen rassistische Aufmärsche. Diesen hat das Aktionsnetzwerk 80 angemeldete Veranstaltungen entgegengesetzt und so breiten Protest ermöglicht. Das Ziel, die Aufmärsche zu verhindern, wurde nur partiell erreicht. Es gab verschie­dentlich Absagen der Rassist*innen aufgrund von taktisch klugen Anmeldungen der Proteste und etliche Widersetzaktionen, welche zu Routenverkürzungen führten. Die Zahl der Teilnehmer*innen gegen die rassistischen und nationalistischen Aufmärsche hatte sich auch minimiert, weil die Proteste sehr oft von starken Repressionen begleitet waren.

Neben dem Protestgeschehen initiierte das Aktionsnetzwerk im Zuge des Anstiegs der zu uns kommenden Menschen im September 2015 erstmalig das Brückenfest, an dem Alt- und Neu Leipziger*innen sich kennenlernen und zusammen feiern konnten. Dies war aber auch ein Ort politischer Forderungen nach einem humanen Umgang mit den zu uns geflohenen Menschen, einer Erhöhung und Verstetigung der Förderung antirassistischer und in der Geflüchtetenhilfe ehrenamtlich aktiven Initiativen. Das Fest war ein großer Erfolg und wurde 2016 mit erweitertem Fokus auf Antirassismus erneut durchgeführt.

Mit dem Aufkommen diverser Legida-Abspaltungen wie OfD (Offensive für Deutschland) oder GIDA-Regional verstärkte das Aktionsnetzwerk sein Engagement außerhalb von Leipzig. Es gab Beteiligungen an Protesten in Dresden, Freital, Plauen, Halle, Heidenau, Bautzen und weiteren Städten. Die dort gesammelten verschiedenartigen Erfahrungen mit den Behörden vor Ort könnten separat bewertet werden. Dies würde aber den Rahmen hier sprengen.

Nachdem das selbst ernannte, aber stark geschrumpfte „Volk“ die Auftrittsversuche 2016 in Leipzig reduzieren musste, organisierte das Aktionsnetzwerk – neben der Aufrechterhaltung des Protestes – das zweite „Brüc­kenfest“ und schob im Frühjahr 2016 die Kampagne „Druck! Machen. Für ein anderes Sachsen“ an. Daneben wurden zahlreiche inhaltliche Veranstaltungen, wie ein Gespräch mit dem Kapitän der „Cap Anamur“, Stefan Schmidt, zum Thema Seenotrettung sowie etliche Mobilisierungs­veranstaltungen und praktische Demotrainings organisiert.

Nach dem zweiten Jahrestag und einem kraftvollen Protest gegen die Ewiggestrigen, gab Legida am 9. Januar 2017 auf. Das war der Verdienst der Menschen, die unter Einsatz von Freizeit, Nerven und ihrer persönlichen Sicherheit den stetigen Protest ermöglicht haben, immer wieder den Dialog mit den Behörden gesucht haben, um zu verdeutlichen, dass dieses Engagement wichtig ist, und natürlich der vielen Menschen die bei Wind und Wetter sich auf der Straße dem aufkeimenden Hass, Nationalismus und Rassismus widersetzt haben.

Umgang der Behörden mit zivilgesellschaftlichem Protest

Nach jeder Anmeldung einer Kundgebung oder Demonstration erfolgte regelmäßig ein Koope­rationsgespräch, zu dem die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig die Polizei und die Anmel­denden einlud. An den meisten Gesprächen der vergangen zwei Jahre habe ich teilgenommen.

In der Anfangszeit der Proteste im Jahre 2015 gestaltete sich aus meiner Sicht die Kooperation schwierig. Ich erlebte die Vertreter*innen der Polizei sehr oft mit einer vorgefertigten Meinung, dass die Demonstrationen von „Leipzig nimmt Platz“ prinzipiell das eigentliche Problem für die Sicherheit und Ordnung darstellen würden. Unseren potenziellen Teilnehmer*innen wurde immer wieder unterstellt, Straftaten begehen zu wollen. Dabei wurden Würfe von Steinen und friedliche Sitzblockaden in einem Atemzug genannt. Man unterstellte sehr oft im Voraus einen unfriedlichen Verlauf und stützte sich dabei, auch als Versammlungsbehörde, auf völlig abstruse Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen.

Im ersten Protestjahr entstand der Eindruck, dass man unsere Anmeldungen, hier sind alle demokratischen Proteste eingeschlossen, immer wieder stärker beschränkte als die von Legida. Bestes Beispiel war die Eingitterung der Stolpersteinmahnwache. Damals wurden völlig ignorant gegenüber gesellschaftlicher Erinnerungskultur Absperrgitter auf die Stolpersteine gestellt und der Zugang zu der Mahnwache vielen Menschen versagt. Diese Zuwegungsversagung ist sachsenweit eine gern gelebte Praxis im Demonstrationsgeschehen.

Dagegen wurde der westliche Leipziger Ring regelmäßig den Rassist*innen und Hetzer*innen überlassen, welche vorbei an Stolpersteinen und dem Synagogendenkmal marschieren durften. Dies war für viele Bürger*innen ein unerträglicher Zustand und führte zu einem Gespräch zivil­gesellschaftlicher Akteur*innen mit dem Oberbürgermeister und dem Polizeipräsidenten Anfang 2016.

Aus meiner persönlichen Sicht hat sich seitdem die Kommunikation wesentlich verbessert. Vor allem die Versammlungsbehörde hat immer wieder neu abgewogen, welche Versammlungslagen möglich sind und uns schließlich auch den westlichen Ring für die Demonstrationen dem Aktions­netzwerk überlassen.

Auch die Kommunikation mit den Vertretern der Polizei hat sich verbessert. Ich führe das auch auf die Verstetigung der an den Gesprächen teilnehmenden Beamt*innen zurück. Eine grundlegende Änderung der Herangehensweise, vor allem der potenziellen „Störerbetrachtung“ konnte ich leider nicht erkennen. Die Entspannung war hauptsächlich auf die eingespielten Lagen und betei­ligten Personen zurückzuführen.

Beim Versammlungsgeschehen selbst war Anfang 2015 ein höchst gewaltvolles Vorgehen der Polizei gegen Demonstrant*innen zu beobachten. Wenn dies zum Ziel hatte viele Menschen zu verschrecken, so hat dies gefruchtet.

So ereigneten sich im Januar 2015 mehrere aus unserer Sicht nicht nachvollziehbare Polizei­einsätze. Am 30. Januar 2015 kam ich auch in den Genuss, ein Polizei-Tonfa im Rücken spüren zu dürfen in einer Situation, wo genau dieser Einsatz nicht angezeigt war. Neben dem Abdrängen von Protest und dem rabiaten Räumen von Sitzblockaden wurden Menschen systematisch nicht zu den angemeldeten Kundgebungen durchgelassen. Besonders krass wirkten die Geschehnisse des 20. April 2015, als die Polizei mehrfach völlig unverhältnismäßig gegen versuchte Sitzblockaden vorging.

Darüber hinaus sind vielfache Weigerungen der Polizei dokumentiert, gewalttätige Teilnehmende bei Legida in die Schranken zu weisen. Allen Anwesenden dürften die Bilder vom 21. Januar 2015 im Kopf sein, als an der Spitze des Aufmarsches eine regelrechte Jagd auf Journalist*innen begann und die Polizei nicht einschritt. Viele weitere Vorfälle sind bei der Leipziger Zeitung dokumen­tiert.

Auch im Jahre 2016 gingen die Repressionen weiter. Am 2. Mai 2016 fand am Leipziger Innenstadt­ring nicht nur lautstarker Protest gegen das neofaschistische Legida-Bündnis statt, sondern eine dreistellige Zahl von Demonstrierenden beschloss, das „Platznehmen“ wortwörtlich zu nehmen. Sie setzten sich auf die angekündigte Legida-Route. Im Anschluss wurden die Personalien von 163 Personen aufgenommen, denen fälschlicherweise ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen wird.

Weder wurde Legidas Versammlungsrecht eingeschränkt, noch wurden durch die Teilnehmenden Versammlungsauflagen verletzt. Einige von ihnen berichten, es sei ihnen gar nicht mehr möglich gewesen, noch vor der dritten Räumungsaufforderung die Blockade zu verlassen. Danach bekamen die Betroffenen Bußgeldbescheide in überdurchschnittlicher Höhe und willkürliche Strafbefehle gegen Einzelpersonen. Insgesamt fordert die Stadt Leipzig über 50.000 € ein. Es sind nicht nur die Kosten für die Einzelpersonen, die diesen Fall so bitter machen, vielmehr ist es ein fatales Zeichen gegen all diejenigen die gegen die regelmäßigen Nazi-Aufmärsche protestiert und mit ihrem lang anhaltenden Engagement Legida zum aufgeben gebracht haben. Während die Stadt Leipzig und das Land Sachsen Zivilcourage einfordern und anpreisen, werden diejenigen, die sie zeigen, mit Strafbefehlen belegt. Sich dagegen zu wehren, ist schwierig und mühselig

Was bedeuten für uns Widersetzaktionen?

Ziviler Ungehorsam ist kein bockiges Querstellen, sondern ein ganz bewusster und durchdachter Regelübertritt. Hintergrund ist, dass der und die Einzelne in einem Gemeinwesen den eigenen Verstand und das Gewissen als letzte Entscheidungsinstanz behält. Wenn in Politik oder Gesell­schaft generell etwas falsch läuft, muss den Verursachenden des Problems dies auch gezeigt oder Missstände sogar direkt verhindert werden. Unter Umständen wird dabei ein Gesetz oder eine Vorschrift übertreten. Mit voller Absicht und reinem Gewissen. Einfach ungehorsam.

Den zivilen Charakter bekommt der Ungehorsam dadurch, dass es um das Engagement von Bürger*innen geht, die im Sinne demokratischer Selbstorganisation das Gemeinwesen, in dem sie leben, mitgestalten. Definieren kann man Zivilen Ungehorsam also als einen bewussten, begrenz­ten Regelverstoß.

Es gibt für den Zivilen Ungehorsam keine rechtliche Grundlage und er wird damit als nicht legal eingestuft, basiert aber auf Gewissensentscheidungen, die die Handlung moralisch rechtfertigen – also legitim machen. Die Handlungen sind auf das Allgemeinwohl gerichtet und rechtliche Konse­quenzen werden akzeptiert. Außerdem sollen zuvor legale Möglichkeiten der Einflussnahme ausgeschöpft worden sein.

Das Aktionsnetzwerk richtet sein Handeln an einer Definition des Soziologen Habermas1 aus:

»Ziviler Ungehorsam ist ein moralisch begründeter Protest, dem nicht nur private Glaubensüberzeugungen oder Eigeninteressen zugrunde liegen dürfen; er ist ein öffentlicher Akt, der in der Regel angekündigt ist und von der Polizei in seinem Ablauf kalkuliert werden kann; er schließt die vorsätzliche Verletzung einzelner Rechtsnormen ein, ohne den Gehorsam gegenüber der Rechtsordnung im Ganzen zu affizieren; er verlangt die Bereitschaft, für die rechtlichen Folgen der Normverletzung einzustehen; die Regelverletzung, in der sich ziviler Ungehorsam äußert, hat ausschließlich symbolischen Charakter – daraus ergibt sich schon die Begrenzung auf gewaltfreie Mittel des Protests.«

Ziviler Ungehorsam kann sicherlich nicht bereits vorhandene rechte Gesinnungen abändern. Sitz­blockaden können aber verhindern, dass rechtsradikale Aufmärsche – egal unter welchem Etikett – ungestört verlaufen, manchmal sogar, dass sie überhaupt stattfinden. Es kann verhindert werden, dass die Parolen unwidersprochen in die Öffentlichkeit getragen werden. Die rechte Szene kann außerdem nicht nach innen gestärkt aus den Aufmärschen hervorgehen, bestenfalls wird sie sogar zermürbt.

Von zivilgesellschaftlichen Sitzblockaden gehen starke Zeichen aus:

  • dass sich viele Büger*innen mit verschiedensten weltanschaulichen Hintergründen für eine aktive, offene und solidarische Gesellschaft einsetzen,
  • dass diese Menschen mit verantwortlicher Entschlossenheit vorangehen und nicht warten, dass gesellschaftliche Auseinandersetzungen z. B. an Gerichte delegiert werden,
  • dass rechte Aufmärsche Weck- und Warnrufe verlangen, weil sie nicht bloße Unmuts­äußerungen sind, sondern auf Eroberung der Macht in der Gesellschaft zielen.

Eine Sitzblockade kann somit beides sein: eine symbolische Aktionsform, die starke Signale an die Öffentlichkeit und Politik sendet, aber auch ein Mittel, mit dem konkret und direkt Unrecht verhindert oder zumindest eingedämmt wird.

Wir werben darum:

  1. friedliche Sitzblockaden als „demonstrative“ Blockaden, also Versammlungen zu werten,
  2. in Abwägung der Verhältnismäßigkeit eher das Mittel der Routenverlegung zu wählen und nicht der Räumung,
  3. die Teilnehmer*innen der demonstrativen Sitzblockaden nicht zu kriminalisieren und auf umfassende Identitätsfeststellungen zu verzichten,
  4. auf demonstratives Abfilmen des Protestes – häufig als Übersichtsaufnahme deklariert – zu verzichten,
  5. die Höhe der Bußgelder zu überdenken – in Leipzig wurden jetzt 300 bis 400 Euro erhoben, für Castor-Blockaden gibt es regelmäßig 50 Euro.

Warum ich persönlich mich antirassistisch und antifaschistisch engagiere

Ich wurde als Tochter einer Russin und eines Deutschen in Moskau geboren und verbrachte auch viele Jahre meines Lebens in Russland. Wie nahezu jede russische Familie, hatte auch meine Opfer des Nationalsozialismus zu beklagen. Meine russische Großmutter erzählte mir von ihren, als vermeintliche Partisanen, gehängten Geschwistern. Das Leben in der Sowjetunion war stark geprägt von der Erinnerung an den traumatischen Zweiten Weltkrieg. Für mich ist Antifaschismus sozusagen eine Selbstverständlichkeit.

Als politisch interessierter junger Mensch erlebte ich die rassistischen und nationalistischen Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland in den1990er Jahren. Diese Zeit prägte mich zusätzlich stark.

Als dann 2014 Pegida sich zu einer Bewegung entwickelte, hatte ich starke Befürchtungen, dass sich die 1990-er wiederholen oder es noch schlimmere Entwicklungen geben könnten. Da konnte ich nicht untätig bleiben. Den Umfang meines Engagements hatte ich so nicht geplant und hätte mir im Januar 2015 jemand gesagt, dass ich bis März 2017 an die 150 Versammlungen aktiv gestalten werde, hätte ich es vermutlich nicht geglaubt.

Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zu zivilgesellschaftlichem Engagement gegen rechts. Wann immer nötig: natürlich auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Irena Rudolph-Kokot


1) Jürgen Habermas: Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik, in: Peter Glotz (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1983, S. 35.


Download des Redebeitrages (PDF, 257kB)

Redebeitrag „Die Bürgerbewegung Leipzig“

Kurz nachdem Legida das Ende der regelmäßigen Demos verkündete, erschien mit der „Bürgerbewegung Leipzig“ ein neuer Akteur. Trotz Beteuerungen für Dialog und eigentlich nicht „rechts“ oder „links“ zu sein, gibt es personelle Kontinuitäten, die eine Einordnung als faktische Legidanachfolge rechtfertigen.

Zu Beginn wurde die Facebookveranstaltung, welche für den 4. Februar aufrief insbesondere durch das AfD-Mitglied Madeleine Feige, die eine der treibenenden Personen hinter den „Wellenlängen“ aus Dresden und Umgebung ist [1], und durch Ester Seitz, die Karlsruher Reiserednerin, die mittlerweile in Meißen lebt [2], beworben. Ester Seitz kündigte nach einer ersten Demonstration ihrer damaligen Gruppierung „Widerstand Ost/West“ in Frankfurt gemeinsam mit dem damaligen Ex-Legidachef an die kommende Demonstration am 26. September 2015 in Leipzig nachzuholen. [3,4] Nach internen Unstimmigkeiten behauptete Rösler, es hätte nie den Versuch einer solchen Demo gegeben. [6] Tatsächlich handelte es sich um den ersten Aufmarsch der „Offensive für Deutschland“. [6] Stark beworben und wenn es nach den Adminitrator_innen der BBL-Facebookseite geht, ein wenig zu stark wurde die Kundgebung durch den ehemaligen Legidachef und Militariagutachter Jörg Hoyer. [7]

Am 4. Februar 2017 trat auf dem IHK-Parkplatz Thomas Festerling als Versammlungsleiter auf. [8] Der dreimalige Legidaredner war bereits am 7. Oktober 2016 gemeinsam mit Feige am Versuch gescheitert mit einer Demo unter dem Label „Pflegerevolution“ in Leipzig Fuß zu fassen [9]. Festerling selbst ist maßgeblich am Projekt „GIDA-regional“ beteiligt. Nach Wahrnehmung antirassisitscher Aktiver handelte es sich um einen Versuch Silvio Röslers und Markus Johnkes zunächst im Leipziger Umland die Basis von Legida zu vergrößern [10, 11]. Mittlerweile behauptet Festerling, dass das nicht stimme und „GIDA-regional“ wäre ein Akronym für „Gemeinsam für Deutschland“.

Neben Festerling gab es noch andere bekannte Gesichter bei der ersten BBL-Kundgebung: Neben Feige und Seitz, die natürlich anwesend waren, trat als Redner auch „der Lange aus Roßwein“ von der Gruppierung „Rosswein wehrt sich gegen Politikversagen“ auf. Bei dem viermaligen Legidaredner handelt es sich um eine der Personen, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass Legida nach Johnkes Abgang im März 2016 weitermacht. [12] Der „Lange“ war auch gemeinsam mit Jens Lorek, Nicos Chawales und Michelle „Marie Deutsch“ S. von der „Bürgerbewegung Grimma“ an der Kundgebung gegen die Konferenz von „Druck machen“ am 30.4.2016 am Markt beteiligt. [13, 8] „Marie Deutsch“ beteiligte sich ebenfalls bei der BBL. Ein weiterer Redner war Jens Tamke, der bereits auf der Demo für den angegriffenen Legidaordner Ronny Ullmann auftrat [14] und in Roßwein versuchte Bürgermeister zu werden. Dabei wurde er von oben genannter Initiative und „Roßwein wehrt sich/ Wir lieben Sachsen & Thügida“ unterstützt. Neben eher sächsischen rechten Aktivist_innen nahm am 4. Februar nach Beobachtungen anwesender Journalist_innen auch der Geschäftsführere von pro NRW Thorsten Crämer teil [8].

Ein beiläufige Erwähnung verdient noch der Legidafronttranparentträger, der seit einer Anzeige wegen Zeigen des verbotenen Kühnengruß bei Legida „Drei-Bier-Mann“ genannt wird und aus Hannover kommen soll. [15, 16]

Nicht nur die Werbung durch Legida zeigt, dass es sich faktisch um eine Nachfolgeprojekt handelt, auch die handelnden Personen lassen darauf schließen. Beachtenswert ist jedoch der Umstand, dass nahezu alle maßgeblichen Akteur_innen dieses Mal nicht aus Leipzig kommen, sondern teilweise aus Dresden.

Quellen:

Redebeitrag vom 20.02.17

Dieser Redebeitrag wurde auf den Kundgebungen gegen die AFD-Veranstaltung am 20.02.17 in Leipzig gehalten

Weiter Infos zum Thema:

1. Offenes Treffen am 22.02.17 19:30 Uhr im interim (Demmeringstraße 32)

Zivilcourage ist kein Verbrechen – Lasst uns Solidarität organisieren

Erinnert ihr euch noch an den 2. Mai 2016? Für mehr als 160 Menschen hinterlässt dieser Tag leider sehr schlechte Erinnerungen an Polizeigewahrsam und die Ankündigung strafrechtlicher Maßnahmen.

Am ersten Montag im Mai vergangenen Jahres fand am Leipziger Innenstadtring nicht nur lautstarker Protest gegen das neofaschistische LEGIDA-Bündnis statt, sondern eine dreistellige Zahl von Demonstrierenden beschloss, das „Platznehmen“ wortwörtlich zu nehmen. Auf Höhe der Otto-Schill-Straße setzten sie sich auf die angekündigte LEGIDA-Route. Eine solche Sitzblockade ist eine friedliche Form des zivilen Ungehorsams, um einen Nazi-Aufmarsch vollständig zu verhindern. Dies gelang an diesem Tag nicht, sondern LEGIDA wurde an den sich Widersetzenden vorbei geleitet. Im Anschluss wurden die Personalien von 163 Personen aufgenommen, denen fälschlicherweise ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen wird.

Fälschlicherweise? Allerdings, denn weder wurde LEGIDAs Versammlungsrecht eingeschränkt, noch wurden durch die Teilnehmenden Versammlungsauflagen verletzt. Einige von ihnen berichten, es sei ihnen gar nicht mehr möglich gewesen, noch vor der dritten Räumungsaufforderung die Blockade zu verlassen.

Nun flattern seit über einem Dreivierteljahr mehr als schlechte Erinnerungen ins Haus der Betroffenen: Bußgeldbescheide in überdurchschnittlicher Höhe und willkürliche Strafbefehle gegen Einzelpersonen erreichten nach und nach fast alle, deren Personalien am 2. Mai aufgenommen worden sind. Insgesamt fordert die Stadt Leipzig über 50.000 € für ihre Repression ein.
Es sind nicht nur die Kosten für die Einzelpersonen, die diesen Fall so bitter machen, vielmehr ist es nach zwei Jahren LEGIDA ein fatales Zeichen gegen all diejenigen, die weiterer Repression und Ermüdung zum Trotz gegen die regelmäßigen Nazi-Aufmärsche protestiert haben. Während die Stadt Leipzig und das Land Sachsen Zivilcourage einfordern und anpreisen, werden diejenigen, die sie zeigen, mit Strafbefehlen belegt. Sich dagegen zu wehren, ist schwierig und mühselig. Doch es gibt eines, das alle, ob betroffen oder nicht, ob Gruppe oder Einzelperson, dem entgegensetzen können: Solidarität.

Solidarität bedeutet ihn diesem Fall nicht nur praktische Unterstützung für die Betroffenen, sondern auch ein starkes politisches Zeichen. Rechte Umtriebe und Aufmärsche in Sachsen hat es immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Ob sie nun LEGIDA heißen oder Bürgerbewegung, PEGIDA oder AfD, es ist nicht abzusehen, dass menschenfeindliche Bewegungen in naher Zukunft und ohne Weiteres Geschichte sind. Umso wichtiger ist eine entschlossene Zivilgesellschaft, die ihre Grundrechte nutzt und mit aller Deutlichkeit und allen Mitteln jeglicher Diskriminierung und Ideologie der Ungleichwertigkeit widerspricht.

Um zu planen, wie genau diese Solidarität aussehen soll, findet am 22. Februar ab 19:30 Uhr ein Treffen im Interim in der Demmeringstraße 32 statt. Dort werden Ideen gesammelt und letzten Endes geplant, welche Aktionen der Repression des 2. Mai 2016 entgegengesetzt werden können.

Ihr wollt

  • einen Solitresen starten?
  • eine Party feiern?
  • eine Unterschriftensammlung auf den Weg bringen?
  • kennt euch mit Crowdfundingprojekten aus?

Vielleicht habt ihr Ideen oder auch Wünsche, vielleicht habt ihr Fragen oder schon Projekte in den Startlöchern – kommt vorbei! Lasst uns Solidarität organisieren!

Einladung zum strategischen Treffen am 14. Dezember im interim

Redebeitrag am 5. Dezember 2016: Wie weiter mit dem Aktionsnetzwerk?

Wir stehen heute hier, um unseren Protest gegen Legida zu zeigen, die seit fast zwei Jahren sozialdarwinistischen Hass und rassistische Hetze in unserer Stadt auskippen. Danke an euch alle für euer Kommen und für euer lautes Eintreten gegen Neonazis!

Erwartungsgemäß ist Legida mit derzeit ca. 100 stadtbekannten Faschos, Hooligans und auch ein paar DDR-Fans schlecht aufgestellt. Der heutige Abend wird wie gewohnt so ausgehen, dass wieder mehr Menschen im Protest zusammen gekommen sind, wir aber Legida nicht endgültig stoppen konnten.

Aber wir konnten dem demokratiefeindlichen Bündnis die Anziehungskraft nehmen. Nach den etwa 3.000 Teilnehmenden bei Legida, die am 12. Januar 2015 durch das hermetisch abgeriegelte Waldstraßenviertel zogen, ist der rassistische Haufen deutlich zusammengeschmolzen. Zur Erinnerung: damals waren ca. 30.000 im Protest unter den Labels „Legida? Läuft nicht.“, „Willkommen in Leipzig“ und vielen weiteren auf der Straße. Seitdem haben wir über einhundert Gegendemonstrationen organisiert, es gab erfolgreiche Sitzblockaden, Infoveranstaltungen, Partys. Die Wahrscheinlichkeit, dass Legida nun den zweiten Geburtstag nicht erleben wird, ist ziemlich hoch. Das haben wir erreicht mit immer wieder entschlossenem Widerspruch gegen einen Rechtsruck, der sich nicht nur auf der Straße verbreitet.

Die Menschen, die sich dort drüben zusammenschließen, um gegen eine vermeintliche Islamisierung, gegen Rundfunkgebühren, gegen die „Lügenpresse“, gegen Lokalpolitiker_innen, gegen die Demokratie an sich, polemisieren – und doch die humanistischen Grundwerte unseres Zusammenlebens und Menschenrechte an sich meinen – werden nicht einfach verschwinden, nachdem Legida Geschichte ist. Deswegen glauben wir, dass „Leipzig nimmt Platz“ weitermachen muss, und laden euch zu unserem strategischen Plenum am Mittwoch in der nächsten Woche im Interim in Lindenau ein. Vielleicht haben einige von euch Interesse, sich zu beteiligen. Vorab versuchen wir darzustellen, was das Aktionsnetzwerk eigentlich macht:

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ist ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus politischen Initiativen, Gewerkschaften, Parteien, Kirchen, anderen Netzwerken und engagierten Einzelnen, die sich politisch unter dem Ziel vereinen, öffentliche Versammlungen von Neonazis und Neurechten nicht zuzulassen. Dabei ist es oft schwierig, einen politischen Konsens herzustellen, da sich die Beteiligten notwendigerweise sehr stark in politischer Analyse und Zielen unterscheiden. Das Aktionsnetzwerk stellt sich diesen Debatten und ist bemüht, im Konsens zu agieren. Wo sich dies als unmöglich erwies, hat „Leipzig nimmt Platz“ klare Trennlinien gezogen.

Das Aktionsnetzwerk hat immer das Ziel, rechte Aufmärsche tatsächlich zu verhindern und verzichtet ausdrücklich auf juristische Mittel gegen rechte Versammlungsanmeldungen, da wir Meinungs- und Versammlungsfreiheit als schützenswertes Grundrecht betrachten. Vielmehr setzen wir auf öffentlichen und lauten Protest gegen rassistische Ideologien. Das Verhindern soll als Mittel des zivilen Ungehorsams mit gewaltfreien Mitteln erreicht werden.

Gegründet wurde das Aktionsnetzwerk 2009 anlässlich eines bundesweiten Naziaufmarsches, zu dem NPD, JN und Freie Kräfte nach Leipzig aufgerufen hatten. Diese Nazi-Anmeldung wurde am 17. Oktober 2009 aufgelöst, noch bevor die eigentliche Demonstration starten konnte. In den folgenden fünf Jahren wurden vor allem gegen NPD-Demos aufgerufen. Seit der Ankündigung von Legida wurde Anfang 2015 ein kontinuierlicher Neubeginn nötig. „Leipzig nimmt Platz“ war regelmäßig aktiv gegen Legida und weitere Gruppierungen im Umfeld von Pegida wie GIDA, Offensive für Deutschland, Weißer Rabe, Thügida sowie Parteien von NPD über Die Rechte bis AfD.

Bei den Demos mussten wir erleben, wie unser Protest als nichtig abgetan wurde. Wir alle mussten auch immer wieder erleben, wie unser Protest kriminalisiert wurde. Im Zuge von Sitzblockaden ergingen hunderte Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren gegen Beteiligte im friedlichen Protest. Das Aktionsnetzwerk versucht die Betroffenen zu unterstützen und vermittelt dabei unter anderem zum Ermittlungsausschuss Leipzig. Dieser ist auch heute vor Ort. Die Telefonnummer ist 03412119313 bzw. ist der EA immer freitags von 17:30 bis 18:30 Uhr im linXXnet in Connewitz zu erreichen.

Neben den Demos haben wir auch andere Strategien gegen zunehmende Fremdenfeindlichkeit und offenen Rassismus verfolgt. Im Juli haben wir zum zweiten Mal das „Brückenfest“ als Begegnung aller Menschen unabhängig ihrer Herkunft oder Zuordnung veranstaltet. Wir unterstützen Initiativen für Geflüchtete wie z. B. Mission Lifeline/Seenotrettung aus Dresden. Die im Aktionsnetzwerk entstandene Initiative „Druck! Machen. Für ein anderes Sachsen“ hat sich zur Aufgabe gemacht, das Wirken gegen die erstarkende Neue Rechte auf eine politische Ebene zu heben. Nicht zuletzt wurde aus dem Aktionsnetzwerk heraus der gemeinnützige Verein „say it loud“ gegründet, der technisches Equipment für Demos und einen Lauti zur Verfügung stellen kann.

Das gesellschaftliche Klima in Deutschland erlebt derzeit einen Rechtsruck. Feindlichkeit und Gewalt gegen alles, was einer sogenannten „Leitkultur“ nicht entspricht, sind an der Tagesordnung. Davon sind nicht nur Zufluchtsuchende betroffen, sondern genauso Menschen, die bestimmte Normen nicht erfüllen oder diese nicht erfüllen wollen; seien das Menschen, die sich in queeren Identitäten wiederfinden, Menschen auf Wagenplätzen oder die sich Verwertungsmechanismen entziehen wollen. Auch wenn wir nicht in allen einzelnen Argumenten und immer übereinstimmen, wollen wir doch diese Meinungsvielfalt verteidigen.

Dafür steht das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“. Wir sind der festen Überzeugung, dass das gewaltfreie Verhindern von neurechten Aufmärschen Teil der öffentlichen Meinungsäußerung ist und nach demokratischen Grundwerten keine Straftat darstellen kann. Wenn ihr die strategische Ausrichtung des Aktionsnetzwerks mitbestimmen oder uns bei der Organisation unterstützen wollt, laden wir euch herzlich ein, auch bei der Diskussion am 14. Dezember Platz zu nehmen.


Das Interim befindet sich am Lindenauer Markt in der Demmeringstraße 32: zur Karte bei OSM

„Fucking hell. I’m disapointed in this country“

Redebeitrag auf der #NoTrump-Demo Stand Up! Represent! Trump Is Not Our President! Leipzig against Trump! am 15.11.2016 in Leipzig

„Fucking hell. I’m disapointed in this country.“ – Das waren die Worte meines Gastbruders aus Minnesota kurz nach dem erschütternden Wahlergebnis in den USA. In der grenzenlosen Enttäuschung schwingt auch das Bangen vor einer Abschiebung zurück nach Indien.

Dass tatsächlich ein „zeitgemäßer Faschist“, um es mit den Worten des Stanford-Wissenschaftlers Fred Turner zu sagen, welcher von vielen nur verlacht wurde, nun wirklich Präsident der USA wird, damit hätte wohl kaum jemand gerechnet. Vor allem nicht nach diesem, einer Schlammschlacht gleichendem Wahlkampf und den rassistischen, sexistischen, auf keinerlei Fakten beruhenden Äußerungen Trumps. Sein Wahlsieg muss als klares Indiz für den Rechtsruck eines Teils der amerikanischen Bevölkerung und für das Desinteresse am politischen Geschehen einiger Bürger_innen, was die enormen Nichtwähler_innenzahlen zeigen, gewertet werden. Aber ist es wirklich Desinteresse? Oder ist es vielmehr Verzweiflung über die beiden Kandidat_innen gewesen?

Auf den ersten Blick lässt es einen nur den Kopf schütteln, wie um alles in der Welt dieser Mann zum Präsidenten gewählt werden konnte. Ein Mann, welcher vermeintlich „Fremde“ einfach deportieren, seinem persönlichem Erzfeind Mexiko eine Mauer vor die Nase setzen will und den Klimawandel für eine große chinesische Verschwörung hält, besitzt bald den Code für die amerikanischen Nuklearwaffen. Dies ist eine mehr als erschütternde Vorstellung, welche bald Realität werden soll.

Dass zahlreiche Amerikaner_innen nun nach diesem katastrophalen Wahlergebnis auf die Straßen gehen, lässt hoffen. Ich spreche heute hier auch für das Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz”. Wir sind heute hier, um uns mit den Menschen, welche für Freiheit und gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit und gegen Trump demonstrieren, solidarisch zu zeigen. Wir wollen diesen Hass nicht dulden. Nicht in Leipzig. Nicht in Sachsen. Nicht in Deutschland. Und nirgendwo sonst auf der Welt.

Was können wir tun, damit es nicht auch in Deutschland nächstes Jahr zu einer Überraschung der besonderen Art kommt? Still schweigen und stehen bleiben ist keine Lösung. Wer es nicht glauben mag, dass Trump-ähnliche Zustände in unserem Land möglich sind, der nehme sich die Rede eines AfD-Mitgliedes und vergleiche sie mit einer Rede von Donald Trump. Die Parallelen sind nicht sonderlich verblüffend, ist doch die zugrunde liegende Ideologie die gleiche. Rechtspopulistische Argumentationsweisen und völkischer Rassismus sind weder in Deutschland noch in den USA Einzelfälle.

Angesichts einer Welt, in der die Komplexität von Sachverhalten und Geschehnissen immer weiter zu- und die Übersichtlichkeit und Erklärbarkeit dieser Vorgänge im gleichen Maße abnimmt, sind einfache Antworten nur allzu bequem und attraktiv.

Rechtspopulisten wie Trump oder die AFD scheinen diese einfachen Erklärungen parat zu haben. Diese finden so gut wie immer ihren Ausdruck in einer Trennung in „die da oben“ und „die anderen“. Das selbst ernannte Volk sei durch „die da oben“ unterdrückt, belogen und machtlos und würde durch die von „denen da oben“ bevorzugten „anderen“ weiter gefährdet. Im Falle der von Trump, der AFD und auch der verschiedenen GIDA-Bewegungen sind „die anderen“ in der Regel Geflüchtete, Migrant_innen und Menschen muslimischen Glaubens. Wahlweise aber auch Frauen, Homosexuelle, Gewerkschafter_innen, Arbeitslose und und und – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. „Die Anderen“ werden zur Gefahr erklärt, zu Täter_innen, die das Wohl der zum „Volk“ erklärten gefährden. Dies findet Ausdruck in Sozialneid, diffusen Ängsten und wilden, häufig gewaltvollen Gerüchten. So wird Menschenfeindlichkeit entfacht und gerechtfertigt. Alle, die nicht in das eigene Weltbild passen und alle, die diesem Weltbild widersprechen, werden angegriffen.

Wir dürfen es nicht mehr zulassen, dass stumpfe Hassparolen und einfache Lösungen den Großteil der Bevölkerung in Euphorie versetzen. Die einfach wirkenden Heilsversprechen werden unserer komplexen Welt nicht gerecht.

Um einen Sieg von Rechtspopulisten*innen hier zu verhindern, dürfen wir nicht schweigen und müssen anderen Menschen die Augen öffnen, damit sie die Parallelen zu noch nicht allzu lang vergangenen Zeiten erkennen. Mund aufmachen immer und überall! Ob in der Kneipe, in der Uni oder im Betrieb. Ideologien der Ungleichwertigkeit müssen mit Argumenten aus den Köpfen der Bevölkerung verdrängt werden. Der Propaganda der Menschenfeinde darf kein Gehör und vor allem kein Glauben geschenkt werden.

Wir sollten unbedingt Schlüsse aus Trumps Sieg ziehen. Über eine Witzfigur sollte man nicht vorschnell lachen, weil sich am Ende auch herausstellen kann, dass man selbst die ganze Zeit die Witzfigur war.

Damit uns das Lachen nicht im Halse stecken bleibt, müssen wir gegen den Rechtsruck zusammenhalten und dürfen Rassisten_innen keinen Raum lassen.