PM 6.10.2010

Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz ruft für den 16.10.2010 ab 10 Uhr zu kreativen, gewaltfreien und entschiedenen Widersetzaktionen auf und schreibt Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig

In 10 Tagen wollen Neonazis vier Aufmärsche in Leipzig durchführen. Diese „Stermarsch-Strategie“ gilt als Testlauf für den kommenden Großaufmarsch aus Anlass des Jahrestages der Bombardierung Dresdens im Februar 1945. Dieser konnte im laufenden Jahr durch gewaltfreie zivilgesellschaftliche Blockaden verhindert werden. Mit der Anmeldung mehrerer Demonstrationen wollen die Neonazis Proteste und auch die Polizeistrategie erschweren.

Über 500 Menschen unterstützen inzwischen den Aufruf zu gewaltfreien, entschiedenen Widersetzaktionen gegen die Neonaziaufmärsche mit ihrem Namen, weit über 1.000 Menschen haben sich der facebook-Kampagne angeschlossen.
„Wir appellieren insbesondere an die Menschen in Leipzig am 16.10. nicht wegzuschauen, sondern den öffentlichen Raum mit Aktionen des zivilen Ungehorsams zu füllen, und die Menschenwürde und demokratische Grundwerte zu verteidigen!“, erklären Juliane Nagel und Gunnar Georgi, PressesprecherInnen des Aktionsnetzwerkes.

Das Aktionsnetzwerk ruft deshalb dazu auf, sich am 16.10. ab 10 Uhr in den Stadtteilen zu versammeln, in denen die Neonazidemonstrationen starten sollen. In der Nähe dieser Startpunkte wird es Infopunkte des Aktionsnetzwerkes geben. Genauere Informationen über die Aktionskoordination finden sich in Kürze auf auf der Internetpräsenz des Aktionsnetzwerkes www.leipzig-nimmt-platz.de.

„In ihren Aufrufen propagieren die Nazis die Errichtung einer Volksgemeinschaft, in der weder Menschen mit Migrationshintergrund, individuelle Lebensentwürfe oder demokratische Prozesse einen Platz haben. Diese Vorstellungen verdienen klaren Widerspruch, vor allem auch von den RepräsentantInnen dieser Stadt!“, so Georgi und Nagel weiter. Das Aktionsnetzwerk hat sich darum unter anderem an den Oberbürgermeister der Stadt gewendet, um diesen zu bewegen sich öffentlich positionieren und darüber hinaus aktiv an den Protesten am 16.10.2010 mitwirken.

Am 9.10. wird das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz ab 11:00 Uhr auf dem Markt der Demokratie (Standort Naschmarkt) mit einem Informationsstand zu den geplanten Neonaziaufmärschen präsent sein. In diesem Rahmen sind weitere Aktionen geplant, um noch mehr Menschen dazu zu bewegen sich gegen menschenverachtende Ideologien zu engagieren.

Eine weitere Informationsveranstaltung des Aktionsnetzwerkes findet am Montag, 11.10.2010, 19 Uhr im Seminarraum 3 der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität, Grimmaische Str. 12 statt. Für den 13.10.2010 ist ab 17 Uhr im Westwerk auf der Karl-Heine-Straße ein Aktionstraining geplant. Am 12.10.2010 lädt das Evangelische Studienhaus Leipzig zu einem Vortrag „Neue Jugend – alter Hass. Autonome Nationalisten und rechtsextreme Jugendkultur“ ein.

Zentrale Buskoordination

Für alle, die am 16. Oktober Busanreisen planen, gibt es eine zentrale Buskoordination. Da die Aufmarschpunkte der Neonazis quer durch die Stadt verteilt sind, wird es am Tag selbst von Vorteil sein, mit aktuellen Infos und einer Anfahrtsempfehlung ins Stadtgebiet zu kommen. Die Buskoordination erreicht ihr per email:

busnachleipzig (ät) gmx.de

Wenn ihr nach Leipzig kommen wollt, aber noch nicht wisst wie, dann meldet Euch bei organisierten Trägern und Strukturen wie Gewerkschaften, Kirchen und Parteigruppen in Eurer Stadt und regt dort die Organisation einer gemeinsamen Busfahrt an. Zusammen fahren ist einfacher und angenehmer, als alleine nach Leipzig zu kommen!

Protestvorbereitungen

Die Vorbereitungen des Aktionsnetzwerkes Leipzig nimmt Platz schreiten voran. Unter der Leitlinie “Wir werden die Nazis keinen Meter laufen lassen” wurden mittlerweile Konzepte für alle vier Aufmarschorte entwickelt. In Kürze werden wir an dieser Stelle Orientierungen geben. Auch für mögliche neue Anmeldungen der Neonazis sind wir gerüstet und brauchen dazu eure praktische Unterstützung!
Für Menschen von außerhalb, die unseren Protest unterstützen wollen, bieten wir zudem eine Anreisekoordination an. Wir laden explizit ein am 16.10.2010 nach Leipzig zu kommen und den Nazis den Feldversuch für ihren Großaufmarsch am 19.2.2011 in Dresden gehörig zu vermiesen. Wir werden uns immer und überall gegen menschenverachtende Denk- und Handlungsweisen wehren!
Für den 11.10. und 13.10.2010 lädt das Aktionsnetzwerk zu Infoveranstaltung bzw. Aktionstraining ein.
Details folgen …

Eine geht noch: NS-Anmeldung Nr. 4 eingegangen, Route durch den alternativen Stadtteil Connewitz

Eben noch im Scherz gesagt und jetzt schon wahr: die organisierenden Neonazis haben Anmeldung Nr. 4 bei der Versammlungsstelle eingereicht. Der anvisierte Streckverlauf: Start am Bruno-Plache-Stadion, über Marienbrunn (Connewitzer, Probstheidaer und Zwickauer Straße) über Dankwartstraße, Liechtensteinstraße nach Connewitz die Bornaische Straße entlang, von dort über die Karl-Liebknecht-Straße über den Petersteinweg bis zum Martin-Luther-Ring.
Das Motto der Demonstration “Gegen linksradikale Hetze durch Roter Stern Leipzig” fällt aus dem Duktus der übrigen drei Aufmärsche heraus.
Anmelder diesmal ist Enrico Böhm. Er kandidierte – ebenso erfolglos wie Naumann und Repaczki – auf der NPD-Liste für den Leipziger Stadtrat im vergangenen Jahr. Böhm bewegt sich wie die anderen seit Jahren in der hiesigen und regionalen NS-Szene. Er war zusammen mit Naumann maßgeblich beteiligt an einem Angriff auf Fans des Fußballvereins BSG Chemie im vergangenen Jahr. (siehe hier). Dabei wurde ein Fan von einem Auto an einer Lindenauer Tankstelle absichtlich mit einem PKW überfahren und schwer verletzt.

In einem Beitrag auf der Kampagnenseite der selbsternannten “Widerstandsbewegung” vom vergangen Montag, versuchen sie ihren eigenen Kameraden die ganze Anmelderei zu erklären. Denn selbst in einschlägigen rechten Foren wird über Sinn oder Unsinn weiterer Aufmärsche in Leipzig gestritten. Die Strategie, die sie verfolgen, ist recht einfach: sie gehen davon aus, dass mit einer Vielzahl an Anmeldungen über das gesamte Stadtgebiet sowohl Polizeikräfte als auch mögliche Gegendemonstrationen derart gebunden werden, dass eine erneute Verhinderung ihrer Aufmärsche nicht möglich wäre. Dazu sagen sie selbst:

“Wir entwickeln ein neues Bewusstsein, schätzen die Situationen nun anders ein, finden zur alten Disziplin zurück, führen und folgen zum Erfolg.”

Vielleicht wollen sie ja auch einfach nur ins Guiness-Buch kommen, mit den meisten angmeldeten Nazi-Aufmärschen an einem Tag, in einer Stadt. Offensichtlich soll der 16.10.2010 in Leipzig der Testlauf für die alljährliche Großdemonstration im Februar in Dresden werden. Bis dato sind dort für den 19.2.2011 drei Nazidemos angemeldet. Diese Strategie folgt einer Empfehlung des Neonazis Christian Worch, der nach dem durch zivilgesellschaftliche Blockaden verhinderten Dresdner “Trauermarsch” der Nazis am 13.2.2010 die Parole ausgab Sternmärsche durchzuführen, um Polizei und Protestpotential zu spalten.
Wir lassen uns überraschen, wie viele sie noch anmelden und sind gespannt, wie seitens der Stadt nun reagiert wird.
Von Großveranstaltungen der Arena und der Oper an diesem Tag abgesehen, wird das öffentliche Leben in Leipzig an diesem Tag in weiten Teilen zum Erliegen kommen.

Hintergrund: Entwicklung der nationalsozialistischen Szene in Leipzig

Ein Blick auf Entstehung und Selbstverständnis der “neonationalsozialistischen Jugendbewegung“ (Update 21.9.2010)

Über was/ wen sprechen wir?

Sich stark an den Berliner und Dortmunder Wurzeln der sich popkulturell gebenden Jugendbewegung der „Autonomen Nationalisten“ orientierend traten die Leipziger „freien“ Neonazis 2007 erstmals öffentlich in Erscheinung, Sie imitier(t)en das, was seit etwa 2002 von der Berliner Kameradschaft Tor als Stil geprägt wurde: eine aktionistische Ausrichtung, ein moderner Stil in der Propaganda-Praxis (etwa Graffiti-Schriftzüge auf Transparenten, Aufklebern und Plakaten) und im Auftreten (in Anleihe an den von der radikalen Linken geprägten „Black-Block-Style“), Kommunikation und Präsentation im Internet und der Verzicht auf eine zu formale Organisationsstruktur. Inhaltlich bezieht sich das insbesondere in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen aktive neonationalsozialistische Netzwerk recht ungefiltert auf nationalsozialistische Inhalte. Es sind die großen Themen, Antikapitalismus oder Anti-Globalisierung, die ganz oben auf ihrer Agenda stehen. Zwischen Aktionsberichten tauchen auf ihren Internetseiten wehleidige epische Versuche über die Lage der Nation, über die Gefahr von Individualisierung und Entgrenzung, die die moderne spätkapitalistische Gesellschaft mit sich bringt, auf. Einen roten Faden durch ihre ideologisch brüchigen Ergüße stellt zudem das antisemitische Motiv des Finanzkapitals und seiner „Zinsherrschaft“ dar. Der große Gegenentwurf der FKL ist das völkische Kollektiv , eine homogene Volksgemeinschaft, die die Reproduktion der Gesellschaft ohne Störfaktoren von aussen (Migration) und mit ehrlicher Arbeit sichert. Ihr Demonstrationsslogan „Kapitalismus abschalten“ (Demonstration 2 am 16.10.) ist somit nicht viel wert: nicht die Aufhebung des Kapitalismus als auf Wertschöpfung durch die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft, auf Leistungsethos und die Entfremdung der Produzierenden vom Produktionsprozess basierendes System, ist ihr Ziel, sondern dessen Überführung in die nationale Form.

Publikationen wie auch die aktuellen Demonstrationsaufrufe bezeugen die Inkonsistenz und mangelnde öffentliche Kommunikationsfähigkeit der FKL aka Autonome Nationalisten aka JN. Ihr modernes Erscheinungsbild steht in klarer Opposition zu den alt-nazistischen Inhalten, Aufkleber/ Graffiti und Demonstrationen sind Propagandamittel, die die Mehrheit der Bevölkerung eher verschrecken als ansprechen. Die anfängliche Distanz zur lokalen NPD, die inzwischen zur Symbiose geronnen ist, markiert die Schizophrenie des Konzeptes der „Freien Kräfte“ – frei aka autonom und revolutionär können und dürfen sie qua weitestgehender Personalunion mit der lokalen NPD- Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten nicht mehr sein, andererseits ist die Selbsbezeichnung als frei und autonom qua personeller Verschmelzung mit der NPD nichts mehr wert.
Die Demonstration(en) am 16.10. stellen in diesem Sinne reine Machtdemonstrationen gegenüber dem zurecht übermächtig erscheinenden politischen Gegner, der Antifa, und dem Staat dar und dienen andererseits dazu dem eigenen Klientel eine Aktionsfläche und (unzulängliches) inhaltliches Futter zu bieten und das lädierte Image aufzubessern.

Der Weg der „Freien Kräfte Leipzig“
Die FKL formierten sich im klaren Widerspruch zu den alljährlichen Großdemonstrationen des Hamburger Neonazis und „Freier-Widerstand“-Protagonisten Christian Worch. Einen Tag nach dessen schmachvoller Niederlage, einer von lediglich knapp 40 Personen besuchten Demo in Leipzig-Südost, triumphierten sie mit einer ersten Spontanaktion in Leipzig-Grünau, zu der um die 100 Neonazis mobilisiert werden konnten. Die Leipziger Pflänzchen kooperierten hier eng mit den Delitzscher Strukturen. Diese nehmen als „Freies Netz Nordsachsen“ auch heute noch eine Vorreiterrolle ein. Mittels Präsenz bei Veranstaltungen ihres „politischen Gegners“ (die sog. Wortergreifungsstrategie), Propaganda-Aktionen im Stadtbild und gewaltsamen Übergriffen auf alternative Menschen und Projekte kamen die „Freien Kräfte“ Leipzig auf die Beine. Hauptaktionsfeld war in der Anfangsphase der Leipziger Osten.
Langsam aber sicher suchten die FKL die Nähe zur NPD. Der überalterte Leipziger Kreisverband der extrem rechten Partei mag froh über ein solch aktives Nachwuchspotential gewesen sein und sah über den, ihrer eigene eher „bürgernahe“ Strategie durchkreuzenden, offen den Nationalsozialismus verherrlichenden und gewaltfetischisierenden Duktus hinweg. Als Gegenleistung fungierten die Nachwuchskader als Kandidaten auf den Listen der Partei. Beispielsweise in Geithain und Borna zogen gerade die lokalen „Freie Kräfte“-Protagonisten in Geithain bzw. Borna in den Stadtrat ein. Grund dafür war der lokale Bekanntheitsgrad in eher jüngeren Milieus und familiennahen Netzwerken. Die autonome BürgerInnenschreckmentalität wurde dafür in den Hintergrund gerückt. Sicherlich ging das „Freie Netz“, die Vernetzungsplattformm Haupt-Kommunikations-, Mobilisierungs- und Propaganda-Instrument der „Freien Kräfte“ in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, darum auch in den Hochzeiten des Wahlkampfes, von Juli bis Oktober 2009 offline.

Mit zahlreichen kleinen Demonstrationen in Randstadtteilen Leipzigs (Grünau, Anger-Crottendorf/ Schönefeld/ Reudnitz oder Grosszschocher) und einer letztendlich zumindest oberflächlich betrachtet gescheiterten Intervention in eine Kinder-Mord-Fall in Leipzig ebneten die „Freien Kräfte“, die inzwischen die Neugründung der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ initiiert und vollzogen hatten, ihren Weg. Mit der Eröffnung des NPD-Zentrums in der Odermannstrasse in Leipzig-Lindenau bekamen sie ihren eigenen Anlaufpunkt und nach den für die in NPD in Leipzig erfolgreichen Wahlkämpfen (Stadtrat und Landtag) ihren Lohn. Mindestens Istvan Repaczki, Anmelder zahlreicher Aufmärsche, wird heute von der NPD-Landtagsfraktion bezahlt. Einer der Urväter der Freien Kräfte, Maik Scheffler aus Delitzsch, ist mittlerweile Stadtrat auf NPD.Ticket, vielmehr aber noch Landesorganisationsleiter und ehemals Wahlkampfleiter der Partei. Er ist gleichsam Anmelder der 3. Leipzig-Demonstration am 16.10.

Der neuralgische Tag und das Jahr danach
Der 17.10.2009 sollte offensichtlich ein Befreiungsschlag werden: eine „nationale Großdemonstration“ ohne Rücksicht auf die Altherrenpartei, von der mann mittlerweile ressourcentechnisch und auch intellektuell abhängig ist, und unter Einbeziehung der auch in Leipzig existenten bzw. verbliebenen parteikritischen Zusammenhänge (2008 hatten sich einzelne „Kameraden“ von den „Freien Kräften“ abgewendet, sie präsentieren sich und ihre Aktionen unter freies-leipzig.org und machten sich in den Wahlkämpfen für einen Wahlboykott, auch gegen die NPD stark).
Doch daraus wurde nichts. Die unter dem Motto der gleichnamigen Kampagne „Recht auf Zukunft“ firmierende Demonstration wurde durch die erfolgreiche Mobilisierung zivilgesellschaftlicher und antifaschistischer Strukturen ein Flop. Die über 1300 angereisten Neonazis konnten nicht marschieren. Eine fest stehende Blockade zog ihren Demonstrationsstart derart in die Länge, dass bei einzelnen Teilnehmenden die Sicherungen durchbrannten. Der Angriff der Polizei aus Reihen der im Grossteil im „Autonomem-Nationalisten“-Style erschienenen Nazis war schlussendlich Anlass für die Auflösung der Versammlung durch die Polizei. Das Wundenlecken danach war gross. Den Organisatoren, allen voran dem inzwischen zum Chef der JN Sachsen aufgestiegene Kumpel Repaczkis, Tommy Naumman, wurden Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit abgesprochen.
Nach dem 17.10. zog Ruhe in die „Freie Kräfte“-Szene ein – zumindest in Leipzig. Viel lieber betätigte mann sich nun bei der geräuschlosen NPD-Strukturaufbauhilfe in der Provinz. Für Wurzen, Torgau, Oschatz und Delitzsch wurde die Gründung von „JN-Stützpunkten“ verkündet.
Derweil stiegen die Leipziger Strukturen zu einem wichtigen Bestandteil des weitestgehend vom „Freien Netz“ gestellten Nazi-Ordnungsdienstes, der beispielsweise bei den Aufmärschen am 13.2. in Dresden und am 1.5. in Zwickau zum Einsatz kam, auf.
In Leipzig selbst liefen und laufen Rekrutierungs- und Strukturkonsolidierungsbemühungen. Mit regelmäßigen Schulungs-, Kampfsport und sonstigen Veranstaltungen konnte mittlerweile neues Klientel an die „Freien Kräfte“, die sich im Internet nun unter dem Label „Aktionsbündnis Leipzig“ präsentieren, gebunden werden. Die Distanz zur lokalen NPD scheint sich vergrößert zu haben. So zeigen die „Jungkameraden“ kein Interesse für das Tun der mittlerweile im Stadtrat sitzenden, ältlichen NPD-Vertreter. Auch bei einer kleinen Sommer-Veranstaltungsreihe in der Odermannstrasse 8 ward keiner der Nachwuchskader samt Anhang gesehen.
Die Neuzugänge müssen allerdings bespasst und das lädierte Image, das aus dem für über 1000 am 17.10.2000 sinnlos angereisten misslungenen Aufmarsch resultiert, endgültig beseitigt werden. Knapp ein Jahr lang wurden auf der Kampagnenwebsite recht-auf-zukunft.tk Wunden geleckt. Ausserdem gingen die Nazis vor Gericht: am Verwaltungsgericht Leipzig ist eine Feststellungsforsetzungklage gegen Stadt Leipzig und Land Sachsen anhängig, mit der die Rechtswidrigkeit des nicht erfolgten Verbotes der Aktionen des „Bündnis 17.10.“ (das die Proteste gegen den Aufmarsch initiiert und koordiniert hatte) nachträglich und höchstoffiziell bestätigt werden soll. Ein Jahr lang wurde ausserdem mehr oder weniger kryptisch und mit Schmerzen verursachenden Lyrik- bzw. Epik-Versuchen auf den „day after“ hingewiesen. Und er kommt ..

16.10.2010

Am 5.9. ging die Ankündigung für eine zweifache Demonstration auf der „Recht-auf-Zukunft“-Kampagnenseite online. Wenige Tage später wurde die Anmeldung einer dritten Demonstration
bekannt, am 21.9. folgte die vierte.
Angemeldet durch die zwei altbekannten Leipziger Führungsfiguren Tommy Naumann und Istvan Repaczki sowie den „Freies-Netz“-Leader Maik Scheffler wollen die Neonazis am 16.10.2010 über Staat und Zivilgesellschaft triumphieren.
Die dritte Demonstrationsanmeldung scheint am meisten in das traditionelle Leipzig-Konzept zu passen. Im Gegensatz zu Route 1 und 2 (durch den alternativen Stadtteil Plagwitz bzw. die Innenstadt führend, was stark an die Christian-Worch-Konzepte erinnert) soll Route 3 aus dem Außen-Ortsteil Wahren ins Zentrum führen. Für diese Demonstration mit dem umspannenden Motto „Zukunft statt Krise“ wurden 600 Teilnehmende angemeldet, für die anderen beiden jeweils 300. Die Neonazis scheinen hier auf wenig Protestpotential und mit der am Arbeitsamt geplanten Zwischenkundgebung auf Zuspruch der zum Teil prekären Wohnbevölkerung zu setzen.
Die 4. Demonstration, angemeldet von Enrico Böhm, der eine wichtige Schnittstelle der Neonazis zum Fussballfanmilieu ist (ehemals im Fanprojekt von 1. Lokomotive Leipzig aktiv, machte u.a. das Fanradio “Lokruf” und wurde wegen seiner Naziaktivitäten rausgeschmissen, NPD-Stadtratskandidat und Mitglied der Nazifangruppierung “Blue Caps”) soll vom Heimstadion des 1. FC Lok, dem Bruno-Plache-Stadion in Probstheida via Marienbrunn über Connewitz auf den Martin-Luther-Ring führen.

Die Aufmärsche am 16.10. sollen nicht dazu dienen zu überzeugen oder Probleme von Nicht-Überzeugten aufzugreifen. Es geht – wie es der Popanz um die Anmeldung mehrerer Veranstaltungen und auch die hochideologische Ansprache der eigenen Klientel in den Aufrufen zeigt – um eine Macht- und Kraftprobe und interne Streicheleinheiten.
Denkenswert ist auch, dass die Neonazis die vier plus x angemeldeten Veranstaltungen gar nicht realisieren wollen und die zu erwartenden Beauflagungen durch das städtische Ordnungsamt sowie die angelaufenen Protestvorbereitungen ihnen als Argument dienen werden eine spontane Protestveranstaltung an einem ganz anderen Ort in Leipzig (?) durchzuführen.
Die Strategie hinter den wenigen öffentlich gewordenen Anhaltspunkten ist transparenter als sie es zu glauben vermögen. Der 16.10.2010 ist ein neuer Anknüpfungspunkt für den breiten Widerstand gegen die krude neonazistische Weltanschauung geworden. Und am 16.10. selbst werden sie sich wundern .

Quelle: http://jule.linxxnet.de/ Update 21.9.2010

PM 21.9.2010

Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft Leipzigerinnen und Leipziger auf: Bitte nehmen Sie erneut Platz! Leipziger Erklärung 2010 online unterstützen

Um die für den 16.10. in Leipzig angemeldeten Neonazidemonstrationen zu verhindern, hat sich das Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz” erneut und erweitert zusammengefunden. Zahlreiche zivilgesellschaftliche, kulturelle, religiöse und antifaschistische Gruppen und Initiativen, Parteien und Gewerkschaften rufen dazu auf, am 16.10. gewaltfrei gegen die inzwischen 3 Neonazidemonstrationen auf die Straßen zu gehen.

“Wir können nicht schweigend zusehen, wenn die Neonazis am 16.10. ihre antisemitische und rassistische Ideologie auf die Straße tragen wollen. Zivilgesellschaftlicher Protest ist richtig und wichtig. In diesem Sinne freuen wir uns über den regen Zuspruch, den die Pläne des Aktionsnetzwerkes jetzt schon genießen. Dies zeigt, dass viele Menschen in dieser Stadt und darüber hinaus aktiv für eine demokratische Gesellschaft einstehen wollen.”, so die PressesprecherInnen Gunnar Georgi und Juliane Nagel.

Das Bündnis hat inzwischen einen Aufruf veröffentlicht und bittet um rege Unterstützung dafür.
Die überarbeitete “Leipziger Erklärung” ruft dazu auf die Aufmärsche am 16.10. verhindern zu helfen und reicht gleichsam darüber hinaus:
“Neonazistisches Einstellungen und Ideologien der Ungleichwertigkeit (wie Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Nationalismus und die Reduzierung von Menschen auf eine Verwertungslogik) haben in Leipzig keinen Platz.” heißt es darin unter anderem.

“Mit vielfältigen und gewaltfreien Aktionen werden wir uns den Neonazis am 16.10. entgegenstellen. Ob in Wahren, Plagwitz oder in der Innenstadt: wir werden ihre Aufmärsche verhindern.”, fügen Nagel und Georgi hinzu.

Details zu Nazi-Aufmarsch Nr. 3 bekannt

Der innerhalb von Nazi-Kreisen immer wieder geforderte “Sternmarsch”, der die Möglichkeiten von Polizei und Zivilgesellschaft einengen soll, hat seit Freitag seinen dritten Arm bekommen.

Angemeldet von Maik Scheffler (Delitzsch, Aktionsbündnis Nordsachsen, NPD Nordsachsen, ehemals Freies Netz) soll sich 600 Neonazis am 16.10. am Rathaus Wahren zusammenfinden. Von dort soll es über die Georg-Schumannstraße zu einer Zwischenkundgebung an der Arbeitsagentur gehen. Dann weiter über die Eutritzscher Straße/ Gerberstraße zum Bahnhofsvorplatz.

Der Zeitraum wurde analog zu den anderen beiden Aufmärschen von 12 bis 20 Uhr gesetzt.

Gleich 3 Nazi-Aufmärsche am 16. Oktober

Seit Freitag bewerben die sogenannten “Nationalen Aktivisten” gleich drei Aufmärsche im Leipziger Stadtgebiet. Nach “Gegen Polizeiwillkür und staatliche Gewalt” und “Kapitalismus abschalten – Zinsherrschaft brechen” kommt nun “Zukunft statt Krisenzeiten”. Wir sind gespannt, wieviele Anmeldungen sie den Menschen in der Stadt noch auftischen wollen.

Die Anmeldenden in diesem Jahr sind übrigens keine Unbekannten. Tommy Naumann, Vorsitzender der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten in Sachsen, war bereits Anmelder des Standmarschs am 17.10. vergangenen Jahres. Dieser wurde durch die Polizei aufgelöst, nachdem die Einsatzkräfte durch Neonazis angegriffen worden waren. Kraft seines Amtes ist er ebenso Mitglied im Vorsitz der sächsischen NPD.
Istvan Repaczki wurde als Anmelder diverser Aufmärsche von Neonazis im Jahr 2008 bekannt. Damals versuchte er die Tragödie um den Tod seiner Nichte politisch zu instrumentalisieren und für nationalsozialistische Propaganda zu nutzen. Er ist außerdem als Sachbearbeiter der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag angestellt.
Beide sind seit Jahren als aktive Neonazis bekannt und waren Mitglieder der sogenannten “Freien Kräfte Leipzig”. Teile dieser Gruppe gingen 2008 in der JN-Ortsgruppe in Leipzig auf, welche ihren Sitz in der Odermannstraße in Lindenau hat. Auch deren Vorsitz hat Tommy Naumann inne.
Naumann und Repaczki kandidierten beide erfolglos 2009 auf der NPD-Liste für den Leipziger Stadtrat.

Am vergangenen Donnerstag haben sich indes erfreulicherweise über 40 Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen, politischen und antifaschistischen Initiativen und Vereinigungen getroffen, um ihr gemeinsames Vorgehen abzustimmen.

Einstimmig wurde beschlossen, sich den Neonazis erneut zu widersetzen und ihnen damit wie vor einem Jahr nicht die Straße zu überlassen.

“Wir selbst sind verantwortlich für die Stadt und die Gesellschaft, in der wir leben. Bei aller Unterschiedlichkeit unserer politischen Ansichten verbindet uns die Entschlossenheit, den erstarkenden Neonazi-Strukturen unsere Überzeugung, unseren Mut und Verstand, unsere Gemeinsamkeit und Vielfalt entgegenzusetzen.”

Ein aktueller Pressespiegel ist hier zu finden.

PM 10. September 2010

Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ plant Aktionen gegen Naziaufmärsche am 16.10.2010 – Vielfältige, friedliche, entschlossene Widersetzaktionen gegen die Verbreitung menschenverachtender Ideologien geplant

Mehr als 40 Menschen, darunter Vertreterinnen und Vertreter aus den verschiedensten gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen, politischen und antifaschistischen Initiativen und Vereinigungen fanden sich am 9.9.2010 zu einem ersten Koordinationstreffen zusammen. Gemeinsam diskutierten sie über das Vorgehen gegen die am 16.10.2010 geplanten Naziaufmärsche.

Einstimmig wurde beschlossen, sich den Neonazis zu widersetzen und ihnen damit wie vor einem Jahr nicht die Straße zu überlassen. Am 17.10.2009 verhinderten mehrere tausend Menschen in Leipzig den Start des Aufzuges der selbsternannten „Nationalen Sozialisten“.

„Mit der Strategie, inzwischen drei Demonstrationen in Leipzig anzumelden, wollen die so genannten „Freien Kräfte“ um die Anmelder Tommy Naumann und Istvan Repaczki ihren Misserfolg vom 17.10.2009 wett machen.

Erfreulicherweise gibt es nach wie vor viele Menschen, die ihr Tun nicht unbeantwortet lassen. Erfolgreiche Aktionen gegen Nazidemonstrationen wie im letzten Jahr in Leipzig, und dieses Jahr in Dresden und Berlin sind Motivation für den 16. Oktober. „Leipzig nimmt Platz“ ruft in diesem Sinne zu vielfältigem, friedlichem und entschlossenem Protest auf. Wir wünschen uns, dass an diesem Tag viele Menschen den Protest teilen.“, so Juliane Nagel und Gunnar Georgi, die PressesprecherInnen des Aktionsnetzwerkes Leipzig nimmt Platz.

„Wir selbst sind verantwortlich für die Stadt und die Gesellschaft, in der wir leben. Bei aller Unterschiedlichkeit unserer politischen Ansichten verbindet uns die Entschlossenheit, den erstarkenden Neonazi-Strukturen unsere Überzeugung, unseren Mut und Verstand, unsere Gemeinsamkeit und Vielfalt entgegenzusetzen.“ heißt es in dem Aufruf von „Leipzig nimmt Platz“.

In verschiedenen Arbeitsgruppen bereitet das Aktionsnetzwerk in den kommenden Wochen ein Aktionskonzept und eine breite Mobilisierung vor.

Weitere Informationen: www.leipzig-nimmt-platz.de

Update: Leipziger Neonazis kündigen Doppel-Aufmarsch am 16. Oktober 2010 an

Vor einem Jahr kamen 1.384 von ihnen nach Leipzig, um für ihr “Recht auf Zukunft” zu demonstrieren. Damals blockierte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis den geplanten Aufmarsch der Neonazis im Leipziger Nordosten. Nun wollen sie erneut versuchen, durch die Messestadt zu laufen – mit zwei Demonstrationen: eine “Gegen Polizeiwillkür und staatliche Gewalt” ab Plagwitz – Engertstrasse/ Karl-Heine-Straße über Käthe-Kollwitz-Straße, Friedrich-Ebert-Straße, Jahnallee, Ranstädter Steinweg und Tröndlinring bis zum Hauptbahnhof) und eine zweite “Kapitalismus abschalten – Zinsherrschaft brechen” ab Hauptbahnhof über Tröndlinring, Goerdelerring, Dittrichring, Martin-Luther-Ring, Roßplatz, Augustusplatz und Georgiring zum Hauptbahnhof.

Quelle: Artikel aus der Leipziger Internetzeitung vom 5.9. und 7.9.2010

Nachdem sich 2009 die damaligen Demonstrationsteilnehmer in der Eisenbahnstraße stundenlang die Beine in den Bauch gestanden hatten, platze einigen von ihnen der Kragen: Sie zettelten eine kurze Straßenschlacht mit der Polizei an. Die Beamten kesselten daraufhin alle Versammlungsteilnehmer ein, um sie zu durchsuchen und erkennungsdienstlich zu behandeln.

Vermutlich um die Chancen auf die erfolgreiche Durchführung eines Aufmarsches in diesem Jahr zu erhöhen, kündigen Leipziger Neonazis im Internet seit heute an, am 16. Oktober gleich zwei Demonstrationen durchführen zu wollen. Beide Aufzüge sollen wieder unter dem Label “Recht auf Zukunft” stattfinden. Eine Demo soll unter dem Motto “Gegen Polizeiwillkür und staatliche Gewalt”, die andere unter dem Motto “Kapitalismus abschalten” stehen.

Für beide Aufmärsche erwarten die privaten Anmelder, zu denen bisher lediglich bekannt ist, dass sie dem Umfeld des Neonazi-Aktionsnetzwerks “Freies Netz” entstammen, jeweils 300 Teilnehmer. Szenekenner rechnen jedoch mit weit höheren Teilnehmerzahlen. Nach Auflösung der Demonstration am 17. Oktober 2009 stellte die Polizei in der Eisenbahnstraße bei Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen 1.384 mutmaßliche Teilnehmer fest.

Die Anmelder kündigen ein martialisches Auftreten an: Geht es nach ihnen, so wird jeder vierte angemeldete Teilnehmer eine schwarze Fahne tragen. Angemeldet haben sie außerdem die Benutzung von Fackeln, Trommeln, Transparenten und Trageschildern sowie Straßentheatereinlagen, wie der Amtsleiter Lordis heute bestätigte. Welches Stück sie zur Aufführung bringen möchten, ist bisher unklar.

Vielleicht sollen diesmal aber auch nur die Kameraden bei Laune gehalten werden, während sie sich aufgrund erfolgreicher Blockaden die Beine in den Bauch stehen, damit die Situation nicht wie im Vorjahr eskaliert. Stadträtin Juliane Nagel (Die Linke), aktiv im Aktionsnetzwerk Leipzig, dass die Blockaden am 17. Oktober 2009 organisiert hatte, kündigte bereits erneute Proteste an: “Es gilt, den Nazis am 16. Oktober wiederum eine Niederlage zu bereiten. Darum sind alle aufgerufen, an diesem Tag auf die Straße zu gehen und sich den Demonstrationen menschenverachtender Ideologie entgegenzustellen. Zahlreiche neonazistisch motivierte Brandanschläge in Sachsen und die permanente Präsenz von NPD-Abgeordneten in Kommunalparlamenten, auch in Leipzig, machen Protest nötiger denn je. Die erfolgreichen Blockaden in Dresden und Jena sollten auch in Leipzig Inspiration für einen friedlichen, aber entschlossenen Protest sein.”