Legida kaputt

Leipziger Zivilgesellschaft feiert einen großen Erfolg

„Leipzig nimmt Platz“ bedankt sich gemeinsam mit den im Aktionsnetzwerk verbundenen Initiativen, Gewerkschaften, Parteien, Kirchen bei den tausenden Menschen, die gestern kraftvollen und dynamischen Protest gegen den völkischen Reste-Auflauf von Legida möglich gemacht haben. Zugleich kritisiert das Aktionsnetzwerk das unverständliche und im Verlauf des Versammlungsgeschehens brutale und zum Teil rechtswidrige Vorgehen der Polizei.

„Das Aktionsnetzwerk zeigt sich begeistert, dass sich die Mehrheitsgesellschaft zu so breiten zivilgesellschaftlichen Gegendemonstrationen zusammengefunden hat“, erklärt Christin Melcher für das Netzwerk. „Leipzig zeigt immer wieder, dass es eine von der Mehrheit getragene Haltelinie gibt – Geschichtsvergessenheit, offener Rassismus und Nationalismus sind nicht konsensfähig.“

Legida hatte einen kurzen „Spaziergang“ geplant, mit dem die favorisierte Partei AfD noch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte. Die Inhaltsleere des Aufrufes, der wie üblich nicht über Lügenpresse und Bashing gegen im weiteren Sinne linke Positionen hinausging, konnte kaum 150 Anhänger_innen aktivieren. Diese sahen sich 3000 Menschen gegenüber, die es vermochten, die geplante Strecke mehrfach zu blockieren und sie zum Umlenken zu zwingen. Der Abschluss der Route am Polizeipräsidium konnte nicht stattfinden. Stattdessen musste Legida ihren Spaziergang in eine Straßenbahn gezwängt beenden.

Doch gerade der nicht stattfindende Abschluss an der Polizeidirektion Leipzig wirft ein spezielles Licht auf die taktische Planung der Polizei. Alleine die Proteste konnten – wenn schon nicht den kompletten Abbruch – die Änderung der zur Polizeidirektion anmeldeten Legida-Route bewirken. Im Vertrauen darauf hat dieselbe Polizei, die sicherlich kein Interesse an Legida vor der eigenen Haustür hatte, wieder einmal punktuell gewalttätig reagiert. Ohne Rücksicht und ohne die Beachtung von angezeigten Spontandemos wurde auf Teilnehmende in Sitzblockaden eingeprügelt und mit Hunden auf diese losgegangen. Dabei wurde der Schutz der grundgesetzliche Versammlungsfreiheit eklatant missachtet.

Juliane Nagel, Mitanmelderin dieser Spontanversammlung kommentiert: „Bevor die Verhandlungen überhaupt abgeschlossen waren, wurden die mehr als 100 Teilnehmer*innen entgegen aller Absprachen aus dem Weg geräumt. Dies wird ein Nachspiel haben. Insbesondere die Polizei hat eine Verantwortung Grundrechte zu achten und nicht mit Füßen zu treten.“

Weniger körperliche Verletzungen hat das Agieren der Versammlungsbehörde im Vorfeld der Demonstrationen hinterlassen. „Dennoch ist es ein Akt der vollständigen Ignoranz und Behinderung demokratischen Engagements, wenn alleinig dem Aufmarsch Legidas, der wie gewohnt von der Rückwärtsgewandtheit der Neuen Rechten getragen war, der geschichtsträchtige Leipziger Ring zugewiesen wird. Das Aktionsnetzwerk erwartet hier eine Neuausrichtung im Handeln der Versammlungsbehörde, die – wie schon bei den überdurchschnittlich hohen Strafen für die Sitzblockaden am 2. Mai 2016 – ein transparentes Handeln vermissen lässt. Wir sind zu entsprechenden Gesprächen und Beratungen mit der Verwaltung bereit“, so Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk abschließend.

Pressemitteilung: Leipzig, 22. September 2017

Brückenfest 3.0: Beteiligte sammeln 1500 Euro für „Mission Lifeline“

Viele tausend Menschen besuchten am letzten Augustwochenende das dritte Brückenfest. Sie kamen am 26. August zwischen 2 Uhr nachmittags und 10 Uhr abends zur Sachsenbrücke, um sich das Angebot der über 60 Stände und das Bühnenprogramm anzusehen oder sich an den drei Diskussionsforen zu beteiligen.

„Wir freuen uns sehr, dass die Leipzigerinnen und Leipziger das Fest so gut annehmen. Die Stimmung war trotz kurzen Regenschauers ausgezeichnet. Das aufgeschlossene Miteinander der verschiedensten Kulturen, Sprachen und Religionen und die glücklichen Gesichter der vielen Menschen sind uns auch eine wichtige Bestätigung für das jahrelange Engagement im Aktionsnetzwerk“, erklärt Irena Rudolph-Kokot für „Leipzig nimmt Platz“.

Besonders erfreulich ist, dass eine Vielzahl der Beteiligten des Festes eine stattliche Summe für das gemeinsame Spendenziel zusammenbekommen haben. 1500 Euro konnten für die Dresdner Initiative „Mission Lifeline“ gesammelt werden. Dies entspricht den Kosten für 300 Schwimmwesten, welche ebenso viele Menschenleben retten können. An der Spendensammlung beteiligten sich neben dem Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“: Antifaschistische Herzigkeit, Bambule, Bistro „Dina“, Erich-Zeigner Haus e.V., VVN/BdA, Prisma – Interventionistische Linke Leipzig, Malteser Hilfsdienst e.V., Ökumenische Flüchtlingshilfe, Diakonie, Südcafe, Thomaskirche, Ariowitsch Haus e.V., Eine Welt e.V., Deutsch-Afghanischer Verein „Kinder in Not“ e.V., UFUK e.V., Deutschland-Nangadef e.V., Mühlstraße 14 e.V., Initiative „Dazusetzen“, MePa e.V., Bündnis 90/Die Grünen, DAKS e.V., Demokratie für Brasilien, himate! , Deutsch-Jemenitische Gesellschaft e.V.

Axel Steier bekräftigt für „Mission Lifeline“: “Zivilgesellschaftliches Engagement ist von entscheidender Bedeutung für die Seenotretter geworden, während die Staaten sich aus der Verantwortung nehmen. Konkret werden wir mit der Unterstützung Rettungswesten kaufen. Wir sind sehr dankbar, dass Leipzig Flagge zeigt für Menschen in akuter Not!“

Abschließend erklärt Christin Melcher als Initiatorin: „Das Fest hätte ohne die mit ihren vielfältigen Angeboten beteiligten Gruppen, Initiativen, Vereine, Gewerkschaften und Parteien nicht stattfinden können und ebenso nicht ohne die vielen engagierten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Ihnen gilt unser besonderer Dank.“

Das Brückenfest 3.0 wurde vom Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ gemeinsam mit WERK 2, Student_innenRat der Universität Leipzig, Netzwerk Integration – Migrant/-innen in Leipzig, Say It Loud e.V. und der Stadt Leipzig organisiert. Das interkulturelle Fest wurde gefördert durch die „Bundesweite Förderung lokaler Partnerschaften für Demokratie“. Diese Maßnahme wurde mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.

Pressemitteilung: Leipzig, den 3. September 2017

Bühnenprogramm beim Brückenfest am 26. August: regional und zugleich multikulturell

Wie in den Vorjahren bietet das Brückenfest neben einem interkulturellen Angebot mit Infoständen, kulinarischen Angeboten, Kleinkunst und Diskussionsforen ein abwechslungsreiches musikalisches Programm.

Wir freuen uns besonders auf Jonathan Sebunya aus Uganda und Dolus Mutombo mit Geschichten aus dem Kongo, aus Südafrika und vom Rest der Welt. Mexikanische Folklore und Cumbia von Jaraneros de Saxonia sowie der mitreißende Sound der gut bekannten Klezmer Muskelkater wird das Publikum zum Tanzen bringen. Die Folkloregruppe Kalinka bietet russischen Wohlklang, und zu später Stunde wird Jacqueline Boom-Boom mitreißen. Bei der aus Brasilien über viele Stationen nach Leipzig gewanderten Künstler*in hat das Gender-Sternchen übrigens besondere Berechtigung, da „simply a being“ (die Selbstbezeichnung neben „it“) eine Zuweisung von Geschlechtsstereotypen vollständig ablehnt. Alle Genannten leben heute in und um Leipzig, nachdem sie ihre Jugend in den verschiedensten Gegenden der Welt verbracht haben.

„Das WERK 2 freut sich überaus, bereits zum dritten Mal das Brückenfest mitzugestalten und explizit an diesem Tag für ein tolles Bühnenprogramm zu sorgen. Dabei legen wir Wert auf Inhalte, auf die Präsentation regionaler Bands und Künstler*innen, die fernab des Mainstreams agieren. Wir freuen uns auf ein Fest, das im Zeichen des Austausches steht, das interessante Diskussionen offenbart, das für Vielfalt und Toleranz steht und auf das Kennenlernen vieler Menschen, die unsere Stadt bereichern, offen und bunt machen“, erklärt Antje Hamel vom WERK 2 – Kulturfabrik Leipzig e.V. abschließend.

Für die Moderation konnte wie schon im Vorjahr Erik Wolf, der Regionsgeschäftsführer DGB Leipzig/Nordsachsen, gewonnen werden.

Das Organisationsteam des Brückenfestes sucht weiterhin Unterstützung für die vielfältigen Aufgaben, die von Kinderschminken bis Ordnungsdienste anfallen: https://platznehmen.de/mitmachen/

Pressemitteilung: Leipzig, den 18. August 2017


Das Brückenfest wird gefördert durch die „Bundesweite Förderung lokaler Partnerschaften für Demokratie“. Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes. Eingeworbene Spenden gehen an Mission Lifeline aus Dresden.

Brückenfest stößt auf großes Interesse: über 60 interkulturelle und zivilgesellschaftliche Initiativen nehmen teil. Oberbürgermeister hat Besuch zugesagt. Organisationsteam sucht noch Unterstützung.

Über 60 Stände von interkulturellen und zivilgesellschaftlichen Initiativen werden beim diesjährigen Brückenfest dabei sein und Teilhabe ermöglichen – rund 20 mehr als im vergangenen Jahr. „Wir freuen uns sehr, dass vor allem immer mehr interkulturelle und migrantische Vereine und Initiativen sich aktiv einbringen wollen. Es entspricht dem Motto unseres Festes – der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Neben Angeboten für Kinder, Informationen über die Tätigkeit der einzelnen Vereine, Initiativen und Gruppen, können sich die Besucher*innen auf internationale kulinarische und Kulturangebote freuen“, so Christin Melcher.

Auch das Line-up der großen Bühne ist fast fertig. „Das Geheimnis, welche Bands und Künstler*innen auftreten und Redner*innen sprechen werden, soll in den kommenden Wochen gelüftet werden. Über die verbindliche Zusage eines prominenten Redners und Unterstützers des Brückenfestes können wir uns aber schon jetzt freuen. Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, wird auf jeden Fall das Fest besuchen“, erklärt Irena Rudolph-Kokot.

Wie auch in den vergangenen Jahren werden für den 26. August Helfer*innen gesucht. Interessierte, die sich beim Fest an der Bühne, den Ständen oder anderweitig engagieren möchten, können sich im Internet unter https://platznehmen.de/mitmachen/ eintragen.

Zum ersten Mal wird es ein inhaltliches Forum auf dem Fest geben. An diesem vom Student*innenrat der Universität Leipzig organisierten Format werden sich die GEW, der SAY IT LOUD e. V., das Netzwerk Integration – Migrant*innen in Leipzig sowie das Netzwerk gegen Islamfeindlichkeit und Rassismus (NIR) mit Debattenbeiträgen beteiligen und die Besucher*innen zum Mitdiskutieren einladen.

Radio Corax aus Halle/S. hat einen Audio-Jingle (MP3, 1:52min) erstellt, der ausdrücklich öffentlich verwendet werden darf: https://platznehmen.de/share/Brueckenfest2017.mp3


Das Brückenfest findet am 26. August zum dritten Mal auf der Sachsenbrücke statt. Unter dem Motto „ankommen. platznehmen. teilhaben.“ veranstaltet das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz gemeinsam mit Institutionen wie WERK 2, Student_innenRat der Universität Leipzig, Netzwerk für Integration, Say It Loud e.V. und der Stadt Leipzig das interkulturelle Fest. Das Brückenfest wird gefördert durch die “Bundesweite Förderung lokaler Partnerschaften für Demokratie”. Die Spenden gehen an Mission Lifeline aus Dresden.

Weiterführende Informationen finden Sie auf Facebook unter:
https://www.facebook.com/Brueckenfest3.0/
https://www.facebook.com/events/1352457868179073/

Spendenkonto für das Brückenfest:
Bon Courage e.V.
IBAN: DE66 8605 5592 1090 0633 90
BIC: WELADE8LXXX
Sparkasse Leipzig
Stichwort: Antirassismusprojekt Brücke

Pressemitteilung: Leipzig, den 1. August 2017
Foto: Dirk Knofe

Das Brückenfest unterstützt Mission Lifeline

Die Spenden, die im Rahmen des diesjährigen Brückenfestes am 26. August 2017 gesammelt werden, kommen der Organisation Mission Lifeline zugute.

Das Ankommen in Europa birgt weiterhin für viele Zufluchtsuchende größte Gefahren, weiterhin sterben täglich Menschen im Mittelmeer. Christin Melcher, Initiatorin des Brückenfestes dazu: „Wir werden nicht weiter zusehen, sondern einen aktiven Beitrag für die zivilgesellschaftlichen Hilfestrukturen im Mittelmeer leisten. Wir haben daher im Organisationsteam mehrheitlich beschlossen, dass die diesjährigen Spenden des Brückenfestes an die Organisation Mission Lifeline gehen werden.“ Die Dresdner Organisation Mission Lifeline stand bis letzten Montag noch unter dem Verdacht der Schleusertätigkeit. Christin Melcher bekräftigt: „Der Verdacht ist absurd. Wer am 26. August beim Brückenfest spendet, kann so selbst deutlich machen, dass Menschenleben zu retten nichts mit Schleusertätigkeit zu tun hat, sondern eine humanitäre Verantwortung ist.“

Axel Steier von Mission Lifeline erklärt „Wir freuen uns über die Entscheidung des Brückenfest-Teams. Es ist wichtig, dass wir ein deutliches zivilgesellschaftliches Zeichen setzen und das Sterben im Mittelmeer endlich beenden. Hier braucht es Druck von allen Seiten und endlich politisches Handeln. Die europäischen Außengrenzen dürfen keine Todesgrenzen bleiben.“

Das Brückenfest-Team will alle Ebenen von Flucht und Asyl zusammen denken: „Wir wollen nicht nur das Ankommen erleichtern. Asyl ist ein Menschenrecht, die Abschottung Europas ist menschenverachtend und bedeutet für viele den sicheren Tod. Damit muss endlich Schluss sein. Wir wollen vor Ort Teilhabe ermöglichen, Integration leben und nicht zuletzt auch das vielfältige zivilgesellschaftliche Engagement stärken“, so Irena Rudolph-Kokot für das Organisationsteam des Brückenfestes abschließend.

Zum dritten Mal findet am 26. August das Brückenfest auf der Sachsenbrücke in Leipzig statt. Unter dem Motto „ankommen. platznehmen teilhaben“ veranstaltet das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz gemeinsam mit Institutionen wie WERK 2, Student_innenRat der Universität Leipzig, Netzwerk für Integration und der Stadt Leipzig das interkulturelle Fest, an dem wieder über 50 verschiedene Vereine, Parteien, Kirchen und Gewerkschaften teilnehmen werden. Die Spenden in Höhe von 2000 Euro gingen 2015 an den Flüchtlingsrat Leipzig e.V. und im Jahre 2016 in Höhe von 1000 Euro an den Sportverein Fortuna 02.

Spendenkonto für das Brückenfest:

Bon Courage e.V.
IBAN: DE66 8605 5592 1090 0633 90
BIC: WELADE8LXXX
Sparkasse Leipzig
Stichwort: Antirassismusprojekt Brücke

Pressemitteilung: Leipzig, den 6. Juli 2017
Grafik Mission Lifeline: repro sponsored by www.robertvanis.de

Erfolgreiche Blockaden am 1. Mai 2017 bei Halle gegen Rechts

Friedliche Sitzblockaden müssen auch in Leipzig straffrei sein: Das Aktionsnetzwerk reicht eine Petition im Stadtrat ein und klagt gegen die Verfahren vom 2. Mai 2016.

Am 1. Mai wurde in Halle/S. der Aufmarsch von ca. 400 Nazis der Partei „Die Rechte“ und der angeschlossenen „Antikapitalistischen Kollektive“ erfolgreich verhindert. Drei große Demonstrationszüge und klug positionierte Sitzblockaden machten die angemeldete Strecke für die Nazis unpassierbar. Die vorherzusehenden Gewaltausbrüche vonseiten der Nazis taten ihr Übriges, um den Tag der Arbeit nicht als nationalistische Machtdemonstration enden zu lassen. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ bedankt sich bei dem Bündnis für Zivilcourage „Halle gegen Rechts“ für die ausgezeichnete Organisation, bei allen Initiativen und Gruppen für ihre Beteiligung, aber vor allem bei den etwa fünftausend Menschen, die sich gestern aktiv gegen Nazis stellten.

Die Versammlungsbehörde in Halle/S. hatte auch zum Erfolg des Protestes beigetragen, indem sie spontane Versammlungsanmeldungen zuließ und auch zu friedlichen Sitzblockaden keine Berührungsängste zeigte. Das unterscheidet Halle/S. von Leipzig. Hier wurden vor fast genau einem Jahr im Nachgang einer Sitzblockade gegen Legida 163 Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnet, obwohl auch diese friedlich war und den Aufzug von Legida – leider – nicht stoppen konnte.

Das Aktionsnetzwerk hat deshalb eine Petition zur „Überprüfung der im Zusammenhang mit der Versammlung am 2. Mai 2016 verhängten Bußgeldbescheide“ beim Petitionsausschuss/Stadtrat eingereicht. Irena Rudolph-Kokot erklärt hierzu: „Es ist für die tausenden Menschen, die sich über zwei Jahre am Protest in Leipzig beteiligt haben, überhaupt nicht nachvollziehbar, dass ihr Protest immer wieder kriminalisiert wurde, die Stadt selbst sich aber mit dem zivilgesellschaftlichen Protest und dem Ende von Legida schmückt. Das Aktionsnetzwerk fordert die Einstellung der Verfahren nach dem Opportunitätsprinzip.“

Es gibt darüber hinaus erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des damaligen Vorgehens der Versammlungsbehörde. Das Aktionsnetzwerk beschreitet heute den Klageweg und wird gemeinsam mit Betroffenen auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des rechtlichen Vorgehens im Zusammenhang mit der Sitzblockade drängen – juristisch: eine Fortsetzungsfeststellungsklage wird eingereicht. Dazu erklärt Jürgen Kasek, ebenfalls für das Aktionsnetzwerk: „Wir wollen an dieser Stelle Rechtssicherheit schaffen und überprüfen lassen, ob die Beschränkung der Spontanversammlung und der Ausschluss von Beteiligten rechtmäßig war. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen entschieden, dass auch Spontanversammlungen in Form von Sitzblockaden von der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 I GG geschützt sein können. Die Fragestellungen sind auch deswegen von Belang, da rechte Gruppierungen angekündigt haben, am 1. Mai 2018 in Leipzig demonstrieren zu wollen.“

Pressemitteilung: Leipzig, den 2. Mai 2017

Redebeitrag von Irena Rudolph-Kokot zum Fachtag „Nächstenliebe – Polizei – Gesellschaft“

Fachtag der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft „Kirche für Demokratie und Menschenrechte“ am 5. April 2017 in Leipzig


Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dem Eingangsreferat von Norbert Kueß, der uns eine spannende Betrachtung zivilgesell­schaftlichen Protestes aus polizeiwissenschaftlicher Perspektive geboten hat, möchte ich als Vertreterin eines großen Leipziger Netzwerkes zivilgesellschaftlicher Akteur*innen zum Protest­geschehen der letzten Jahre sprechen.

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“

Das Aktionsnetzwerk hatte sich 2009 gegründet, um einem Aufmarsch der „Nationalen Sozialis­ten“ am 17.10.2009 in Leipzig mit Aktionen des zivilen Ungehorsams zu begegnen. Diese Demonstration und eine folgende im Oktober gelang es zu verhindern. Danach gab es in Leipzig lange Zeit nur wenige (stationäre) Kundgebungen, häufig von so genannten „Bürger­initiativen“ wie die gegen den Moschee-Bau in Gohlis. Auch gegen die letzten „echten“ Nazidemos 2013 in Schönefeld (NPD) und 2014 in Lindenau (JN) wurde im Aktionsnetzwerk Proteste organisiert.

Gemeinsam mit zahlreichen Partner*innen aus zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Zusammenhängen – dazu gehören Gruppen, Initiativen, Gewerkschaften, Parteien, Jugend­organisationen, engagierte Einzelpersonen und auch Kirchenvertreter*innen – mobilisierte das Aktionsnetzwerk gegen viele weitere Nazidemonstrationen in Leipzig und anderen Städten. „Leipzig nimmt Platz“ kooperiert mit ähnlichen überregionalen Strukturen, z. B. dem „Aktionsnetzwerk Jena“, dem „Bündnis für Zivilcourage Halle“ oder „Dresden Nazifrei“.

Die Leipziger Erklärung 2015 und erste Repressionen des Protests

Im Januar 2015 wurde ein besonderes und öffentlich wirksames Handeln in Leipzig für das Aktionsnetzwerk akut notwendig. Ein Ableger der *Gida-Bewegung, LEGIDA, wollte in Leipzig Fuß fassen. In kürzester Zeit konnte die Leipziger Zivilgesellschaft aktiviert werden. In diesem Zusammenhang wurde die Leipziger Erklärung 2015 verabschiedet, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Darin heißt es:

  1. Wir sind entschlossen, LEGIDA-Proteste und andere rassistische und Neonaziaufmärsche in Leipzig zu verhindern.
  2. Neonazistische Einstellungen, Rassismus, Islamfeindlichkeit und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit haben in Leipzig keinen Platz.
  3. Wir sind solidarisch mit allen, die diese Ziele mit uns teilen.
  4. Wir wollen das in gemeinsamen und gewaltfreien Aktionen erreichen.
  5. Wir werden Rassist_innen, Neonazis und andere LEGIDAs mit Widersetz-Aktionen zeigen, dass wir sie weder in Leipzig noch anderswo dulden.

Unterzeichnet wurde diese Erklärung innerhalb nur einer Woche von 2183 Menschen. Zu den Erstunterzeichnenden gehörten unter anderen der Künstler Michael Fischer-Art, Ines Kuche: Geschäftsführerin ver.di Leipzig/Nordsachsen, Bernd Kruppa: 1. Bevollmächtigter IGM Leipzig/Vorsitzender Courage Verein, der Sänger Sebastian Krumbiegel, Franz Kimmerle vom Erich-Zeigner-Haus e.V., Monika Lazar: MdB B90/Grüne, Daniela Kolbe: MdB SPD, Constanze Krehl: MdEP SPD, Juliane Nagel und Marco Böhme: MdL Linke, Dirk Panter und Holger Mann: MdL SPD, Jürgen Kasek: Landesvorstandssprecher B90/Grüne Sachsen, und viele mehr.

Die erste Legida-Gegendemo hatte am 12. Januar 2015 mit ca. 30.000 Menschen auf der Straße gezeigt, dass der *Gida Ableger hier nicht willkommen ist. Damals brachte das selbst ernannte „Volk“ maximal 5.000 Menschen auf die Beine.

Schon an diesem ersten erfolgreichen Protesttag begann die lange Reihe der staatlichen Repres­sionen gegen friedliche Aktionen des zivilen Ungehorsams. Damals gab es eine Sitzblockade, deren Beteiligte über ein Jahr erst mit Strafandrohungen, dann Bußgeldern schikaniert wurden. In den meisten Fällen wurden die Verfahren schließlich eingestellt.

Um weiterhin viele Leipziger*innen zum Protest gegen das aufkommende Unheil zu mobilisieren, veranstaltete das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ am 19. Januar 2015 eine Presse­konferenz, an der u. a. die Bundestagsabgeordnete der Grünen Monika Lazar und die Landtags­abgeordnete der Linken Juliane Nagel teilnahmen. Sie riefen die Leipzigerinnen und Leipziger zum Protest auf. Für beide folgte ein juristisches Nachspiel. Ihnen wurde vorgeworfen, zu Verhinderungsblockaden aufgerufen zu haben.

Aus Solidarität stellten über hundert Menschen Selbstanzeige nach § 111 StGB bei der Staats­anwaltschaft Leipzig, auch ich persönlich. Denn wir alle hatten die Leipziger Erklärung unterzeichnet und nichts anderes als in der Erklärung geschrieben steht, haben die beiden Politiker*innen verlautbart. Die Anzeigen wurden wegen Mangels an öffentlichem Interesse nicht verfolgt, das Verfahren gegen Frau Lazar wegen geringer Schuld eingestellt, wobei sie heute noch auf die Antwort der Staatsanwaltschaft wartet, was denn ihre geringe Schuld gewesen sei. Auch Frau Nagels Verfahren fand nach zwei Jahren ein Ende, allerdings gegen Zahlung von 3.500€. Was darüber hinaus geblieben ist – ein tiefes Misstrauen vieler Menschen in die sächsische Justiz und die bestätigte Gewissheit, in Sachsen gilt „derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.“ (Tucholsky)

Einordnung von Legida in die Neue Rechte

In der Wahrnehmung von außen war das Oranisationsteam von Legida überwiegend von Personen aus dem Hooliganmillieu, aus der subkulturellen Neonaziszene und dem Umfeld der „Montags­mahnwachen“ getragen. Der Mann, der laut Boulevardzeitungen Pegida nach Leipzig holte, war jedoch der jetzige AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider. Er wird ebenso wie beispielsweise der Verleger Götz Kubitschek oder Jürgen Elsässer einer sogenannten „Neuen Rechten“ zugeordnet, die sich zumindest verbal vom historischen Nationalsozialismus abgrenzt und einen biologistischen Rassismus nicht öffentlich legitimiert, sich dafür aber positiv auf die Vordenker*innen des NS bezieht und mit ihrem „Ethnopluralismus“ auf die ideologischen Grundlagen von „Blut und Boden“ zurückgreift.

Neben Tillschneider erhielt Legida auch von Kubitschek und Elsässer durch Reden und Werbung über deren ausgebaute Netzwerke Unterstützung. Öffentlich wurde teilweise über finanzielle Unterstützung durch Elsässer spekuliert. Im Sommer 2015 beteiligte sich außerdem die, ebenfalls als „neurechts“ bezeichnete Identitäre Bewegung mit einem eigenen Block und einem Rede­beitrag durch den sächsischen Anführer Tony Gerber aus Zwickau, der Kontakte zum NSU-Umfeld unterhielt. Das rechte Projekt „Ein Prozent für unser Land“ um den Burschenschaftler Philipp Stein, Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer spendete an den damaligen Legida-Anführer Markus Johnke.

Entwicklung des Protestgeschehens
oder wie in Leipzig die *Gida-Bewegung scheiterte

Anders als in Dresden riss der Protest über zwei Jahre nie ab und brachte regelmäßig wesentlich mehr Menschen auf die Straße, als Legida es vermochte.

Im Jahr 2015 gab es alleine in Leipzig an 36 Terminen rassistische Aufmärsche. Diesen hat das Aktionsnetzwerk 80 angemeldete Veranstaltungen entgegengesetzt und so breiten Protest ermöglicht. Das Ziel, die Aufmärsche zu verhindern, wurde nur partiell erreicht. Es gab verschie­dentlich Absagen der Rassist*innen aufgrund von taktisch klugen Anmeldungen der Proteste und etliche Widersetzaktionen, welche zu Routenverkürzungen führten. Die Zahl der Teilnehmer*innen gegen die rassistischen und nationalistischen Aufmärsche hatte sich auch minimiert, weil die Proteste sehr oft von starken Repressionen begleitet waren.

Neben dem Protestgeschehen initiierte das Aktionsnetzwerk im Zuge des Anstiegs der zu uns kommenden Menschen im September 2015 erstmalig das Brückenfest, an dem Alt- und Neu Leipziger*innen sich kennenlernen und zusammen feiern konnten. Dies war aber auch ein Ort politischer Forderungen nach einem humanen Umgang mit den zu uns geflohenen Menschen, einer Erhöhung und Verstetigung der Förderung antirassistischer und in der Geflüchtetenhilfe ehrenamtlich aktiven Initiativen. Das Fest war ein großer Erfolg und wurde 2016 mit erweitertem Fokus auf Antirassismus erneut durchgeführt.

Mit dem Aufkommen diverser Legida-Abspaltungen wie OfD (Offensive für Deutschland) oder GIDA-Regional verstärkte das Aktionsnetzwerk sein Engagement außerhalb von Leipzig. Es gab Beteiligungen an Protesten in Dresden, Freital, Plauen, Halle, Heidenau, Bautzen und weiteren Städten. Die dort gesammelten verschiedenartigen Erfahrungen mit den Behörden vor Ort könnten separat bewertet werden. Dies würde aber den Rahmen hier sprengen.

Nachdem das selbst ernannte, aber stark geschrumpfte „Volk“ die Auftrittsversuche 2016 in Leipzig reduzieren musste, organisierte das Aktionsnetzwerk – neben der Aufrechterhaltung des Protestes – das zweite „Brüc­kenfest“ und schob im Frühjahr 2016 die Kampagne „Druck! Machen. Für ein anderes Sachsen“ an. Daneben wurden zahlreiche inhaltliche Veranstaltungen, wie ein Gespräch mit dem Kapitän der „Cap Anamur“, Stefan Schmidt, zum Thema Seenotrettung sowie etliche Mobilisierungs­veranstaltungen und praktische Demotrainings organisiert.

Nach dem zweiten Jahrestag und einem kraftvollen Protest gegen die Ewiggestrigen, gab Legida am 9. Januar 2017 auf. Das war der Verdienst der Menschen, die unter Einsatz von Freizeit, Nerven und ihrer persönlichen Sicherheit den stetigen Protest ermöglicht haben, immer wieder den Dialog mit den Behörden gesucht haben, um zu verdeutlichen, dass dieses Engagement wichtig ist, und natürlich der vielen Menschen die bei Wind und Wetter sich auf der Straße dem aufkeimenden Hass, Nationalismus und Rassismus widersetzt haben.

Umgang der Behörden mit zivilgesellschaftlichem Protest

Nach jeder Anmeldung einer Kundgebung oder Demonstration erfolgte regelmäßig ein Koope­rationsgespräch, zu dem die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig die Polizei und die Anmel­denden einlud. An den meisten Gesprächen der vergangen zwei Jahre habe ich teilgenommen.

In der Anfangszeit der Proteste im Jahre 2015 gestaltete sich aus meiner Sicht die Kooperation schwierig. Ich erlebte die Vertreter*innen der Polizei sehr oft mit einer vorgefertigten Meinung, dass die Demonstrationen von „Leipzig nimmt Platz“ prinzipiell das eigentliche Problem für die Sicherheit und Ordnung darstellen würden. Unseren potenziellen Teilnehmer*innen wurde immer wieder unterstellt, Straftaten begehen zu wollen. Dabei wurden Würfe von Steinen und friedliche Sitzblockaden in einem Atemzug genannt. Man unterstellte sehr oft im Voraus einen unfriedlichen Verlauf und stützte sich dabei, auch als Versammlungsbehörde, auf völlig abstruse Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen.

Im ersten Protestjahr entstand der Eindruck, dass man unsere Anmeldungen, hier sind alle demokratischen Proteste eingeschlossen, immer wieder stärker beschränkte als die von Legida. Bestes Beispiel war die Eingitterung der Stolpersteinmahnwache. Damals wurden völlig ignorant gegenüber gesellschaftlicher Erinnerungskultur Absperrgitter auf die Stolpersteine gestellt und der Zugang zu der Mahnwache vielen Menschen versagt. Diese Zuwegungsversagung ist sachsenweit eine gern gelebte Praxis im Demonstrationsgeschehen.

Dagegen wurde der westliche Leipziger Ring regelmäßig den Rassist*innen und Hetzer*innen überlassen, welche vorbei an Stolpersteinen und dem Synagogendenkmal marschieren durften. Dies war für viele Bürger*innen ein unerträglicher Zustand und führte zu einem Gespräch zivil­gesellschaftlicher Akteur*innen mit dem Oberbürgermeister und dem Polizeipräsidenten Anfang 2016.

Aus meiner persönlichen Sicht hat sich seitdem die Kommunikation wesentlich verbessert. Vor allem die Versammlungsbehörde hat immer wieder neu abgewogen, welche Versammlungslagen möglich sind und uns schließlich auch den westlichen Ring für die Demonstrationen dem Aktions­netzwerk überlassen.

Auch die Kommunikation mit den Vertretern der Polizei hat sich verbessert. Ich führe das auch auf die Verstetigung der an den Gesprächen teilnehmenden Beamt*innen zurück. Eine grundlegende Änderung der Herangehensweise, vor allem der potenziellen „Störerbetrachtung“ konnte ich leider nicht erkennen. Die Entspannung war hauptsächlich auf die eingespielten Lagen und betei­ligten Personen zurückzuführen.

Beim Versammlungsgeschehen selbst war Anfang 2015 ein höchst gewaltvolles Vorgehen der Polizei gegen Demonstrant*innen zu beobachten. Wenn dies zum Ziel hatte viele Menschen zu verschrecken, so hat dies gefruchtet.

So ereigneten sich im Januar 2015 mehrere aus unserer Sicht nicht nachvollziehbare Polizei­einsätze. Am 30. Januar 2015 kam ich auch in den Genuss, ein Polizei-Tonfa im Rücken spüren zu dürfen in einer Situation, wo genau dieser Einsatz nicht angezeigt war. Neben dem Abdrängen von Protest und dem rabiaten Räumen von Sitzblockaden wurden Menschen systematisch nicht zu den angemeldeten Kundgebungen durchgelassen. Besonders krass wirkten die Geschehnisse des 20. April 2015, als die Polizei mehrfach völlig unverhältnismäßig gegen versuchte Sitzblockaden vorging.

Darüber hinaus sind vielfache Weigerungen der Polizei dokumentiert, gewalttätige Teilnehmende bei Legida in die Schranken zu weisen. Allen Anwesenden dürften die Bilder vom 21. Januar 2015 im Kopf sein, als an der Spitze des Aufmarsches eine regelrechte Jagd auf Journalist*innen begann und die Polizei nicht einschritt. Viele weitere Vorfälle sind bei der Leipziger Zeitung dokumen­tiert.

Auch im Jahre 2016 gingen die Repressionen weiter. Am 2. Mai 2016 fand am Leipziger Innenstadt­ring nicht nur lautstarker Protest gegen das neofaschistische Legida-Bündnis statt, sondern eine dreistellige Zahl von Demonstrierenden beschloss, das „Platznehmen“ wortwörtlich zu nehmen. Sie setzten sich auf die angekündigte Legida-Route. Im Anschluss wurden die Personalien von 163 Personen aufgenommen, denen fälschlicherweise ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen wird.

Weder wurde Legidas Versammlungsrecht eingeschränkt, noch wurden durch die Teilnehmenden Versammlungsauflagen verletzt. Einige von ihnen berichten, es sei ihnen gar nicht mehr möglich gewesen, noch vor der dritten Räumungsaufforderung die Blockade zu verlassen. Danach bekamen die Betroffenen Bußgeldbescheide in überdurchschnittlicher Höhe und willkürliche Strafbefehle gegen Einzelpersonen. Insgesamt fordert die Stadt Leipzig über 50.000 € ein. Es sind nicht nur die Kosten für die Einzelpersonen, die diesen Fall so bitter machen, vielmehr ist es ein fatales Zeichen gegen all diejenigen die gegen die regelmäßigen Nazi-Aufmärsche protestiert und mit ihrem lang anhaltenden Engagement Legida zum aufgeben gebracht haben. Während die Stadt Leipzig und das Land Sachsen Zivilcourage einfordern und anpreisen, werden diejenigen, die sie zeigen, mit Strafbefehlen belegt. Sich dagegen zu wehren, ist schwierig und mühselig

Was bedeuten für uns Widersetzaktionen?

Ziviler Ungehorsam ist kein bockiges Querstellen, sondern ein ganz bewusster und durchdachter Regelübertritt. Hintergrund ist, dass der und die Einzelne in einem Gemeinwesen den eigenen Verstand und das Gewissen als letzte Entscheidungsinstanz behält. Wenn in Politik oder Gesell­schaft generell etwas falsch läuft, muss den Verursachenden des Problems dies auch gezeigt oder Missstände sogar direkt verhindert werden. Unter Umständen wird dabei ein Gesetz oder eine Vorschrift übertreten. Mit voller Absicht und reinem Gewissen. Einfach ungehorsam.

Den zivilen Charakter bekommt der Ungehorsam dadurch, dass es um das Engagement von Bürger*innen geht, die im Sinne demokratischer Selbstorganisation das Gemeinwesen, in dem sie leben, mitgestalten. Definieren kann man Zivilen Ungehorsam also als einen bewussten, begrenz­ten Regelverstoß.

Es gibt für den Zivilen Ungehorsam keine rechtliche Grundlage und er wird damit als nicht legal eingestuft, basiert aber auf Gewissensentscheidungen, die die Handlung moralisch rechtfertigen – also legitim machen. Die Handlungen sind auf das Allgemeinwohl gerichtet und rechtliche Konse­quenzen werden akzeptiert. Außerdem sollen zuvor legale Möglichkeiten der Einflussnahme ausgeschöpft worden sein.

Das Aktionsnetzwerk richtet sein Handeln an einer Definition des Soziologen Habermas1 aus:

»Ziviler Ungehorsam ist ein moralisch begründeter Protest, dem nicht nur private Glaubensüberzeugungen oder Eigeninteressen zugrunde liegen dürfen; er ist ein öffentlicher Akt, der in der Regel angekündigt ist und von der Polizei in seinem Ablauf kalkuliert werden kann; er schließt die vorsätzliche Verletzung einzelner Rechtsnormen ein, ohne den Gehorsam gegenüber der Rechtsordnung im Ganzen zu affizieren; er verlangt die Bereitschaft, für die rechtlichen Folgen der Normverletzung einzustehen; die Regelverletzung, in der sich ziviler Ungehorsam äußert, hat ausschließlich symbolischen Charakter – daraus ergibt sich schon die Begrenzung auf gewaltfreie Mittel des Protests.«

Ziviler Ungehorsam kann sicherlich nicht bereits vorhandene rechte Gesinnungen abändern. Sitz­blockaden können aber verhindern, dass rechtsradikale Aufmärsche – egal unter welchem Etikett – ungestört verlaufen, manchmal sogar, dass sie überhaupt stattfinden. Es kann verhindert werden, dass die Parolen unwidersprochen in die Öffentlichkeit getragen werden. Die rechte Szene kann außerdem nicht nach innen gestärkt aus den Aufmärschen hervorgehen, bestenfalls wird sie sogar zermürbt.

Von zivilgesellschaftlichen Sitzblockaden gehen starke Zeichen aus:

  • dass sich viele Büger*innen mit verschiedensten weltanschaulichen Hintergründen für eine aktive, offene und solidarische Gesellschaft einsetzen,
  • dass diese Menschen mit verantwortlicher Entschlossenheit vorangehen und nicht warten, dass gesellschaftliche Auseinandersetzungen z. B. an Gerichte delegiert werden,
  • dass rechte Aufmärsche Weck- und Warnrufe verlangen, weil sie nicht bloße Unmuts­äußerungen sind, sondern auf Eroberung der Macht in der Gesellschaft zielen.

Eine Sitzblockade kann somit beides sein: eine symbolische Aktionsform, die starke Signale an die Öffentlichkeit und Politik sendet, aber auch ein Mittel, mit dem konkret und direkt Unrecht verhindert oder zumindest eingedämmt wird.

Wir werben darum:

  1. friedliche Sitzblockaden als „demonstrative“ Blockaden, also Versammlungen zu werten,
  2. in Abwägung der Verhältnismäßigkeit eher das Mittel der Routenverlegung zu wählen und nicht der Räumung,
  3. die Teilnehmer*innen der demonstrativen Sitzblockaden nicht zu kriminalisieren und auf umfassende Identitätsfeststellungen zu verzichten,
  4. auf demonstratives Abfilmen des Protestes – häufig als Übersichtsaufnahme deklariert – zu verzichten,
  5. die Höhe der Bußgelder zu überdenken – in Leipzig wurden jetzt 300 bis 400 Euro erhoben, für Castor-Blockaden gibt es regelmäßig 50 Euro.

Warum ich persönlich mich antirassistisch und antifaschistisch engagiere

Ich wurde als Tochter einer Russin und eines Deutschen in Moskau geboren und verbrachte auch viele Jahre meines Lebens in Russland. Wie nahezu jede russische Familie, hatte auch meine Opfer des Nationalsozialismus zu beklagen. Meine russische Großmutter erzählte mir von ihren, als vermeintliche Partisanen, gehängten Geschwistern. Das Leben in der Sowjetunion war stark geprägt von der Erinnerung an den traumatischen Zweiten Weltkrieg. Für mich ist Antifaschismus sozusagen eine Selbstverständlichkeit.

Als politisch interessierter junger Mensch erlebte ich die rassistischen und nationalistischen Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland in den1990er Jahren. Diese Zeit prägte mich zusätzlich stark.

Als dann 2014 Pegida sich zu einer Bewegung entwickelte, hatte ich starke Befürchtungen, dass sich die 1990-er wiederholen oder es noch schlimmere Entwicklungen geben könnten. Da konnte ich nicht untätig bleiben. Den Umfang meines Engagements hatte ich so nicht geplant und hätte mir im Januar 2015 jemand gesagt, dass ich bis März 2017 an die 150 Versammlungen aktiv gestalten werde, hätte ich es vermutlich nicht geglaubt.

Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zu zivilgesellschaftlichem Engagement gegen rechts. Wann immer nötig: natürlich auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Irena Rudolph-Kokot


1) Jürgen Habermas: Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat. Wider den autoritären Legalismus in der Bundesrepublik, in: Peter Glotz (Hrsg.): Ziviler Ungehorsam im Rechtsstaat, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1983, S. 35.


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Spendenaufruf für 11 Stolpersteine im Andenken an die Familie Rosenzweig

Auf antisemitische Hetze antwortet die Zivilgesellschaft mit würdiger Erinnerung

Im Oktober 2015 trat auf der Bühne des damaligen Leipziger *Gida-Ablegers eine „Künstlerin“ als „Geist von Frau Rosenzweig aus der Funkenburgstraße“ auf, um dort unverholen gegen Muslim*innen und Geflüchtete zu hetzen. Das hatte das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ zum Anlass genommen, ein Stolpersteinprojekt zu initiieren und gemeinsam mit dem Erich-Zeigner-Haus e. V. als Jugendprojekt umzusetzen.

Anfang März konnten Vertreter*innen des Aktionsnetzwerks nun die ersten Ergebnisse der Projektgruppe an der Neuen Nikolaischule Leipzig entgegennehmen. Die Schüler*innen haben unter Anleitung des Erich-Zeigner-Haus e. V. die Geschichte der Familie Jakob und Ruchel Rosenzweig intensiv erforscht und elf Angehörige als Opfer des Nationalsozialismus ermittelt, für welche im Herbst dieses Jahres Stolpersteine verlegt werden sollen. Die Namen der Opfer und deren persönliche Schicksale werden Ende April von der Projektgruppe veröffentlicht.

Die Recherchen der Projektgruppe hatten ergeben, dass Frau Ruchel Eitel Rosenzweig Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes wurde. Ruchel hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann Jakob in der Funkenburgstraße 17 gelebt, bevor sie zwangsweise in der Keilstraße in einem „Judenhaus“ untergebracht wurden. Sie konnten sich den Entwürdigungen und der Verfolgung im Nationalsozialismus vorübergehend durch Emigration in die Slowakei entziehen, wurden 1942 aber ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.

Für die Beteiligten der Projektgruppe war das Treffen erkenntnisreich. Henry Lewkowitz, Leiter der Projektgruppe und Geschäftsführer im Erich-Zeigner-Haus: „Die Schüler*innen der Neuen Nikolaischule haben Interessantes über die öffentlichen Aktionen des Netzwerkes gegen rassistische, nationalistische und antidemokratische Bestrebungen erfahren. Auch dies gehört im weiteren Sinne zur Beteiligung an einer demokratischen und gerechten Gesellschaft.“

„Wir danken den Schülerinnen und Schülern für ihre gründliche Recherchearbeit und dem Erich-Zeigner-Haus e. V. für die intensive Betreuung dieser Arbeit. Nun rufen wir alle Leipzigerinnen und Leipziger dazu auf, dieses Projekt durch eine Spende zu unterstützen und dem furchtbaren Schicksal der Familie Rosenzweig durch Verlegung von elf ‚Stolpersteinen‘ ein würdiges Gedenk- und Mahnmal zu schaffen, auch um die Verbrechen des Nationalsozialismus sichtbar zu machen“, erklärt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk.

Spendenkonto bei der Sparkasse Leipzig:
Erich-Zeigner-Haus e. V.
IBAN: DE 94 860 555 92 11 002 798 96
Verw.-Zweck: Stolpersteine Familie Rosenzweig

Pressemitteilung: Leipzig, den 29. März 2017

18. März: ¡No pasarán! Sie werden nicht durchkommen – Leipzig nimmt Platz

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft zu entschlossenem Protest gegen den Nazi-Aufmarsch am kommenden Sonnabend auf.

Die Geschichte wiederholt sich. Seit Januar 2015 wurde Leipzig von einer Serie im Aufruf islamfeindlicher, aber zuvorderst rassistischer, Demonstrationen von Legida belagert. Die zivile Leipziger Stadtgesellschaft hat deren Ableben als Erfolg für sich verbucht. Dabei ist in Vergessenheit geraten, dass das Ableben von Legida der anhaltenden Intervention unzähliger Menschen zu verdanken ist, die sich deren Aufmärschen immer wieder und entschlossen widersetzten.
Genauso konnten Jahre zuvor die Aufrufe von Christian Worch (heute: „Die Rechte“) gestoppt werden, der jahrelang zur Umsetzung seines „Frontstadt“-Konzeptes nach Leipzig aufgerufen hatte.

Nur zwei Tage nach der endgültigen Absage von Legida meldete „Die Rechte“ den morgigen Aufmarsch an. Die Querverbindungen bestehen, scheinen aber zu bröckeln. So ruft Alexander K., langjähriger NPD-Kader, der ursprünglich bei Legida mitmischte und bis vor Kurzem Landesvorstand der Partei „Die Rechte“ war, nicht mehr nach Leipzig auf.
Ein weiterer nur schlecht verschleierter Versuch, an Legida anzuknüpfen, war die „Bürgerbewegung Leipzig“, die interessanter Weise erst gestern öffentlich das Handtuch geworfen hat – nach immerhin drei erfolglosen Aufrufen. Diese „Bürgerbewegung“ postulierte, Leipzig sei „die Stadt der Angst und Resignation“.

Wir haben weder Angst, noch sind wir resigniert. In Leipzig lässt sich seit Jahrzehnten permanenter Widerstand gegen neofaschistische Demonstrationen aufstellen. Christian Worch kann kommen. Leipzig wird den Nazis den Platz nehmen.

Im Vorfeld der Aufrufe zum 18. März hatte sich auch die Polizei als politischer Akteur zu Wort gemeldet. Nach unserer Kritik kam es zu einem Gespräch und wiederum zu öffentlichen Äußerungen. „Erfreulich ist das vorsichtige Einräumen von Fehlern der Polizei bei dem Gasbeschuss am 12. Dezember 2015 gegenüber der Leipziger Internetzeitung. Wir hoffen, dass die direkte Entschuldigung noch bei uns als Anmelder*in der betroffenen Kundgebung direkt ankommt und die Polizei Fehler zukünftig früher einräumen kann“, schließt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk ab.

Ständig aktualisierte Informationen sind im Internet zu finden unter: http://platznehmen.de/le1803/
Für den Demotag selbst verweist das Aktionsnetzwerk auf seinen twitter-account https://twitter.com/platznehmen/ sowie einen Aktionsticker https://www.aktionsticker.org/

Angemeldete Versammlungen (Stand 16. März 2017, 20 Uhr):

  • 09:00 Volkshaus: Aufruf des DGB (Karl-Liebknecht-Straße 32, 04107 Leipzig)
  • 10:00 Demonstration ab Wilhelm-Leuschner-Platz: Aufruf „Sachsen: Versagen durch Wollen“
  • 10:00 Amtsgericht: „Ruhe! Ordnung! Heimatliebe!“ (Bernhard-Göring-Str. 64, 04177 Leipzig)
  • 10:00 Haus der Demokratie: „Die Demokratie muss gelegentlich in Bier gebadet werden“ (Bernhard-Göring-Str. 152, 04277 Leipzig)
  • 11:00 Werk 2 – Kulturfabrik Leipzig (Kochstr. 132, 04277 Leipzig)
  • 11:30 Str. d. 18. Oktober nördlich Deutscher Platz: Aufruf von „Für das Politische“ (04103 Leipzig)
  • 12:00 „Gib Frieden“ (Kurt-Eisner-/Fockestraße, 04177 Leipzig)
  • 12:30 Bayerischer Bahnhof: „¡No Pasaran!“ (Bayrischer Platz, 04103 Leipzig)
  • 12:30 Connewitzer Kreuz „Nächstenliebe statt Nazis“ (04277 Leipzig)
  • 13:00 Philip-Rosenthal-Str. nahe Bayerischer Bahnhof: Monika Lazar/Roter Stern Leipzig (04103 Leipzig)
  • 18:00 Polizeirevier Zentrum: 18. März – Tag der Gefangenen (Dimitroffstr. 1, 04107 Leipzig)

Pressemitteilung: Leipzig, den 17. März 2017

PM: Statement des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ zum Treffen mit der Polizei

Einzelne Akteur*innen des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ haben sich am Dienstagabend mit Vertretern der sächsischen Polizei getroffen, darunter dem Pressesprecher und dem Polizeipräsidenten. Hintergrund war eine Stellungnahme der Polizei, die auf Kritik im Aktionsnetzwerk und darüber hinaus gestoßen war.

In dem Gespräch konnte in einigen Punkten Übereinstimmungen erzielt werden. Insbesondere hat das Netzwerk an die Polizei appelliert deeskalierend aufzutreten. Außerdem wurde die Aufgabe betont, den – auch nach Aussagen der Polizei – berechtigten Protest gegen Menschenfeindlichkeit und Rassismus zu schützen. Dem Aktionsnetzwerk zufolge ist es nötig, dass am Samstag viele Menschen auf die Straße gehen.

Einigkeit besteht darin, dass alle Parteien die Verantwortung tragen es nicht zur Eskalation kommen zu lassen. Dafür wurde für Sonnabend auch eine direkte Kommunikation vereinbart, die den Leiter*innen der Gegendemonstrationen direkte Ansprechpartner*innen bei der Polizei zuweist um in Problemlagen schnell gemeinsam eine Lösung zu finden zu können.

Das Aktionsnetzwerk ruft für den kommenden Samstag zu gewaltfreien Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch auf. Dies wurde deutlich betont. „Leipzig nimmt Platz“ hat den Anspruch rassistische und neonazistische Aufmärsche – auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams – zu verhindern. Der Protest richtet sich gegen Menschenfeind*innen und nicht gegen eingesetzte Polizeibeamt*innen.

“Die Polizei hat auf unsere Kritik reagiert und sich offen dafür gezeigt. Wir hoffen, dass am Samstag für alle Antifaschist*innen ein deutlicher, aber auch sicherer Protest möglich sein wird“, erklärt Jürgen Kasek. „Wir zeigen uns solidarisch mit allen, die das Ziel, Nazi-Aufmärsche nicht zuzulassen, teilen und hoffen auf hohe Beteiligung an den verschiedenen Protestaktionen“, ergänzt  Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk.

Pressemitteilung Leipzig, 16.03.2017