Kritisch bleiben. Abstand halten. (zu Rassist*innen, Antisemit*innen und Verschwörungsideolog*innen)

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft am Samstag, den 16. Mai ab 16 Uhr zum Protest gegen die wiederholt stattfindende Versammlung der selbst ernannten „Bewegung Leipzig“ auf. In den vergangenen Wochen versammelten sich bei den angemeldeten und nicht angemeldeten Versammlungen immer wieder Corona-Leugner*innen, Verschwörungsideolog*innen, Antisemit*innen und Rechte jeglicher Spektren. Dem gilt es klar und deutlich zu widersprechen.

Dazu erklärt Christin Melcher, MdL Bündnis 90/Die Grünen: „Temporäre Einschränkungen der individuellen Freiheit, wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, um andere Menschen zu schützen, führen nicht in die Diktatur, sondern sind Teil einer verantwortungsbewussten und solidarischen Gesellschaft. Für diese, nicht für apokalyptischen Untergangs- bis hin zu selektionistischen Immunitätsszenarien gepaart mit radikalen und rechten Positionen, gilt es sich einzusetzen – und zu demonstrieren: Virtuell und (mit Abstand) auf der Straße!“

Marco Böhme, stellv. Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion Sachsen ergänzt: „Unser Motto muss weiterhin sein: #stopthevirus! Es besteht die reelle Gefahr, dass jetzt wo weitreichende Lockerungen vorgenommen werden und zeitgleich Verschwörungstheoretiker*innen den Virus und dessen Gefahr leugnen, einfache Standards wie Händewaschen, Abstandsgebot und eine Mundnasenbedeckung nicht mehr ernst genommen werden, es letztlich zu einer 2. Infektionswelle kommt. Das darf nicht passieren! Der Virus ist nicht besiegt. Wenn die Menschen jetzt aufhören, sich an die einfachsten Regeln zu halten, stehen weiter Menschenleben auf dem Spiel. Aussagen wie von Boris Palmer und Co., dass ‘wir nur Menschen retten würden, die in einem halben Jahr sowieso tot wären‘ sind für uns völlig inakzeptabel.“

„Auch das Aktionsnetzwerk übt Kritik an Grundrechtseinschränkungen, aber wir tun dies mit den Mitteln des Rechtsstaates und ohne andere Menschen zu gefährden. Es ist wichtig kritisch zu bleiben und die einzelnen Abwägungen zwischen den Grundrechten zu diskutieren. Die klare Abgrenzung zu jeglichen Einstellungsmustern und Ideologien gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist für eine demokratische Debatte unerlässlich und deren Voraussetzung.Wir appellieren an alle Bürger*innen und Bürger kritisch zu bleiben und gemeinsam mit uns über Einschränkungen und Grundrechte, über die notwendigen Schlüsse, die aus der Situation zu ziehen sind zu diskutieren und auch zu demonstrieren. Deswegen rufen wir alle Leipzigerinnen und Leipziger auf, am Samstag auf den Markt zu kommen und mit uns gemeinsam für die Freiheit und das Leben zu demonstrieren“, appelliert Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ abschließend.

Pressemitteilung: Leipzig, 14. Mai 2020

Kritisch bleiben – zum Umgang mit Einschränkungen und Corona Demos

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ erneuert die Forderung, dass es zwingend notwendig ist, die aktuellen Maßnahmen und Einschränkungen zu diskutieren und einer rechtsstaatlichen Prüfung zu unterziehen. Deswegen bereitet das Netzwerk gerade auch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor.

Bereits vorletzte Woche hatte das Netzwerk einen Normkontrollantrag vor dem sächsischen OVG angestrengt. Im jetzt vorliegenden Beschluss gibt das OVG dem Netzwerk insoweit recht, dass die Regelungssystematik eine Umkehrung des grundgesetzlichen Rahmens sei. Der Freistaat hatte in der vorherigen Corona Schutzverordnung festgelegt, dass Versammlungen generell untersagt sein und nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

„Wir führen die Klage weiter, weil wir es trotz der Lockerungen geboten halten, dass alle Beschränkungen und Eingriffe einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden, gerade da die Wahrscheinlichkeit von Pandemien nicht abnimmt und damit eine Wiederholungsgefahr vorliegt“, so Irena Rudolph-Kokot, die im Verfahren für das Netzwerk als Klageführerin auftritt.

„Die Bewertung, die wir vornehmen treffen wir nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten unter Bezugnahme auf die Grundrechte. Wir erneuern unsere Forderungen, dass es mehr denn je einen kritischen Austausch über die Krise, über die Einschränkungen und das weiter so braucht. Insbesondere kritisieren wir deutlich, dass alle Maßnahmen der Lockerungen sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit konzentrieren, während weitaus wichtigere Belange wie das Wohl der Kinder, das Miteinander in der Gesellschaft nachrangig betrachtet werden.
Es bleibt erschreckend wie schnell Menschen unter dem Eindruck der Krise bereit waren, rechtsstaatliche Grundsätze als nachrangig zu betrachten. Und es ist erschreckend, wie viele Menschen sich unter dem Eindruck der Krise zu Verschwörungshypothesen hingezogen fühlen und unkritisch zweifelhafte Beiträge von Reichsbürgern und Verschwörungsmythikern verbreiten“, so Jürgen Kasek, Rechtsanwalt, der die Klage für das Netzwerk betreut.

Das Netzwerk grenzt sich auch deutlich von den sogenannten Corona- oder Hygiene-Demos ab.

„Wir gehen davon aus, dass viele Menschen, die sich diesen Bewegungen anschließen es tatsächlich um die Sache geht. Aber dort wo Menschen glauben nach dem Konsum von Youtube-Videos Lungenärzte zu sein, antisemitische Chiffren beklatscht und Verschwörungsmythen verbreitet werden, ist kein Raum für eine kritische Debatte. Zudem ist es gerade zu unsinnig, dass Teile der Demos behaupten, dass es ihnen um die Grundrechte und das Grundgesetz geht, während in Reden die Gleichheit aller Menschen in Abrede gestellt und behauptet wird, dass Grundgesetz würde gar nicht gelten.“

Pressemitteilung: Leipzig, den 9. Mai 2020

Bestandsaufnahme gegen die neurechten Corona-Proteste

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ bezieht Stellung zu Demonstrationen, die sich gegen behördliche Beschränkungen in der Corona-Krise richten. Hintergründe und Verbindungen der Gruppe „Bewegung Leipzig“, die sich als Teil von „Nicht ohne uns“ und „Hygienedemo“ generiert, und zuletzt am gestrigen Montag für zwei nicht genehmigte Ansammlungen im Leipziger Stadtzentrum sorgte, wird dargestellt. Das Aktionsnetzwerk ruft zur kritischen Begleitung der Gruppierung auf, meldet jedoch keine Gegendemonstrationen – wie bisher üblich – an.

Irena Rudolph-Kokot erklärt: „Die derzeitigen Ansammlungen von Corona-Leugner*innen, Imfgegner*innen und andere Verschwörungstheoretiker*innen bilden ein ideales Sammelbecken auch für alle anderen neurechten Akteur*innen. Diese nutzen die derzeitige Situation gezielt, platzieren ihre Ideologien und Codes in den Vernetzungsgruppen. Wir erleben gerade eine Entwicklung, die an die Montagsmahnwachen von 2014 erinnert, aus welchen u. a. auch Legida entstanden ist. Es gilt, mehr als nur wachsam zu bleiben. Es gilt aktiven Widerspruch vorzutragen, auch auf der Straße.“

Hintergrund: Seit dem letzten Märzwochenende wurden in Leipzig wie auch in vielen anderen Städten Versammlungen unter der Parole „Nicht ohne uns“ angemeldet. Die Versammlungen beziehen sich auf eine Gruppierung aus Berlin, die vor allem mit verschwörungsideologischen Inhalten von sich reden macht und von rechten Kreisen hofiert wird. Im Kontext der so genannten 2014er „Mahnwachen für den Frieden“ oder „Friedenswinter“ hatten diese häufig als „Wahnmachen“ verspotteten Kundgebungen für eine schwere Krise der bundesweiten Friedensbewegung gesorgt. Im Kontext entstanden ab 2015 mehrere offen rechte Bewegungen wie Pegida, Legida, Pegada, Endgame etc. pp., die in wichtigen Teilen Bezüge nach Leipzig aufweisen.

Ein ausführlicher Text des Aktionsnetzwerkes liegt der Pressemitteilung bei. Dieser basiert auf einem Dossier der Gruppe „Zschocher Nazifrei“, auf deren PDF-Download verwiesen wird.

Pressemitteilung: Leipzig, den 5. Mai 2020

Nach abgesagter Versammlung: Aktionsnetzwerk kündigt Rechtsmittel gegen die Corona-Schutz-Verordnung an

Pressemitteilung und Stellungnahme des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hat die für gestern angekündigte Versammlung nach dem Erhalt der „Ausnahmegenehmigung“ abgesagt. Der Bescheid kam sehr kurzfristig und deswegen war zunächst nur eine knappe Absage unsererseits möglich.

Dazu erklärt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk: „Der Bescheid, welcher uns eine ‚Ausnahmegenehmigung‘ bescheinigte, beinhaltet eine für das Aktionsnetzwerk nicht tragbare Auflage, welche die Teilnehmenden der Versammlung zur Abgabe von personenbezogenen Daten gezwungen hätte. Dies ist aus unserer Sicht auch mit Blick auf die sonstigen Lockerungen, zum Beispiel bei epidemiologisch vergleichbaren Aktivitäten, wie dem Besuch von Wochen- oder Supermärkten, unverhältnismäßig. Wir prangern dies nicht nur als Ungleichbehandlung, sondern als Abwertung des Grundrechtes der Versammlungsfreiheit an.“

Jürgen Kasek, Rechtsanwalt des Netzwerks ergänzt: „Wir zweifeln die Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung an und werden Rechtsmittel einlegen. An dieser Stelle appellieren wir an die Landesregierung, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit grundsätzlich wiederherzustellen und dieses Konstrukt der ‚Ausnahmegenehmigung‘ abzuschaffen. Die Kommunen können und müssen aus unserer Sicht auf Grundlage des Versammlungsrechts handeln und nicht auf Grundlage der Entscheidungen der Gesundheitsämter.“

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ wird noch in dieser Woche ein Normenkontrollverfahren beim Oberverwaltungsgericht Sachsen anstrengen und das in der Rechtsverordnung festgelegte Versammlungsverbot prüfen lassen. Wenn nötig, wird das Aktionsnetzwerk folgend auch Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen.

All diese Verfahren sind mit Kosten verbunden. Deswegen rufen wir alle Menschen auf, denen die Wiederherstellung dieses Grundrechtes wichtig ist, für die Verfahren zu spenden.


Ausführliche Stellungnahme des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ zur aktuellen Situation der Versammlungsfreiheit in Sachsen

Gilt das Grundgesetz in Sachsen auch während der Krise?

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hat die für den gestrigen Tag angekündigte Versammlung kurzfristig abgesagt. Wir betonen, dass Meinungsaustausch und öffentlicher Disput auch in Krisenzeiten möglich sein muss, um – wie es der Ethikrat der Bundesregierung anmahnt – eine öffentliche Debatte um die „neue Normalität“ und die „Lockerungen“ zu führen.

Mit der Corona-Schutz-Verordnung, die ab dem 20. April Gültigkeit erlangte, wurden Versammlungen wieder denkbar. In Sachsen bleiben Versammlungen regulär verboten und können nur ausnahmsweise mit Genehmigung zugelassen werden. Das ist nichts anderes als eine autoritäre Anmaßung. Es mutet wie ein schlechter Scherz an, wenn die Landesregierung behauptet, dass Versammlungen wieder möglich seien. Die Landesregierung wird ihrer Verantwortung zur Politikgestaltung nicht gerecht, wenn sie den Kommunen dieses in der aktuellen Form untaugliche Instrument für die Praxis vor Ort an die Hand gibt. Das ist im demokratischen Sinne schlicht verantwortungslos.

Wir als Versammlungsanmelderin bzw. Versammlungsleiterin sollten laut Bescheid der Stadt Leipzig Namen, Vornamen, Adressen und Telefonnummern der Teilnehmenden erfassen. Dies ist aus unserer Sicht unverhältnismäßig.

Versammlungen ermöglichen, die individuelle Meinung öffentlich wahrnehmbar zu vertreten. Genauso wie Übersichtsfotografien ausdrücklich erlaubt sind, ist es verboten, in Versammlungen Porträtaufnahmen anzufertigen. Gesicht zu zeigen, bedeutet nicht, die eigenen Personalien bei der Versammlungsleitung oder gar bei der Versammlungsbehörde abzugeben. Genau das war aber Inhalt der Ausnahmegenehmigung: Die Daten der Teilnehmenden sollten ohne weitere Bedingung „auf Verlangen dem Gesundheitsamt der Stadt Leipzig übergeben“ werden. Abgesehen davon, dass das Aktionsnetzwerk sich nicht in der Lage sieht, die persönlichen Daten rechtssicher zu verwahren, wäre dieser Vorgang für uns schlicht unvorstellbar.

Alle übrigen Auflagen, die dem Infektionsschutz dienen, wie Vermummung, Begrenzung der Teilnehmendenzahl, Desinfektion der Mikrophone, Eingrenzung des Versammlungsareals durch Kennzeichnung und Abstandsregelung, hätten wir mitgetragen.

Wir können nicht nachvollziehen, dass bei epidemiologisch vergleichbaren Aktivitäten, wie der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs oder beim Einkauf in einem großen Supermarkt, keine personenbezogenen Daten als Voraussetzung für eine „Teilnahme“ erhoben werden. Dies ist nicht nur eine Ungleichbehandlung, sondern eine eklatante Verletzung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit.

Die aktuellen Maßnahmen zeigen, dass sich politische Entscheidungsträger*innen in Teilen blind der kapitalistischen Markt- und Verwertungslogik unterordnen. Auch wenn es wichtig ist, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen, sollte jetzt vor allem die Wiederherstellung der hart erkämpften Grund- und Freiheitsrechte, wozu die Versammlungsfreiheit zählt, im Vordergrund stehen.

Wir fragen, warum es möglich ist, dass alle Geschäfte wieder geöffnet haben und sich heute in der Landeshauptstadt Dresden lange Schlangen bildeten, um an Masken zu kommen, während Spielplätze geschlossen bleiben? Wir fragen, warum Menschen sich in Schlangen aufhalten dürfen, aber Versammlungen, die Abstands- und Hygieneregeln befolgen, nicht erlaubt sind. Welche Bedeutung haben Grundrechte in Deutschland, wenn zuerst ein Wettbewerb um das energischste Durchgreifen entfacht wird, um dann zu konstatieren, dass geprüft werden müsse, wann welche Freiheiten wieder zurückgegeben werden können?

Welcher Schluss soll aus der Krise gezogen werden? Wir beobachten derzeit, dass die Krise als Brandbeschleuniger für autoritäres Vorgehen wirkt und Grundrechte sowie rechtsstaatliche Prinzipien allzu schnell unter dem Vorwand des Krisenmanagements ausgesetzt werden. Wir zweifeln die Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung in diesem Punkt an und werden Rechtsmittel einlegen.

An dieser Stelle appellieren wir an die Landesregierung, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit grundsätzlich wiederherzustellen und dieses Konstrukt der „Ausnahmegenehmigung“ abzuschaffen.

Fakt ist, dass ein autoritärer Wandel die freiheitliche, demokratische Grundordnung Deutschlands verändert. So lassen sich auch auf Bundesebene viele Beispiele für den Abbau dieser Rechte finden. Jüngst gab es für die auch so schon beanspruchten Berufsgruppen eine Aufweichung des Arbeitsrechts, indem über 60 Wochenstunden Arbeitszeit ermöglicht wurden. Weder ist der Wandel selbst, noch ein Protest deutlich wahrzunehmen, weil sehr viele Menschen, auch jene, die sich selbst als progressiv oder liberal verstehen, bereit sind, für die Notwendigkeit des Infektionsschutzes hinter hart erkämpfte Standards zurückzufallen.

Wir müssen nach der Krise mit aller Kraft dafür kämpfen, dass die Eingriffe, die zu akuten Krisen-Zeiten zur Eindämmung des Virus beigetragen haben, vollumfänglich zurückgenommen werden.

Wir befürchten, dass sich eine Mehrheit der Menschen unbeteiligt am Geschehen zeigt und die Auflagen kaum öffentlich hinterfragt werden. Neben Rücksicht, Übernahme von Verantwortung und Solidarität ist Wachsamkeit das oberste Gebot. Eine Wachsamkeit gegen ein Weghören und Wegsehen. Wachsamkeit gegen eine einfache Billigung der Maßnahmen. Wachsamkeit auch gegen eine neue Obrigkeitshörigkeit, durch die sich Menschen die Antworten diktieren lassen, anstatt selbst nach Lösungen zur Eindämmung des Virus zu suchen. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, in der die Legislative von Ausnahmeregelungen Gebrauch macht.

Wenn die Regierungen meinen, dass Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit Verhandlungsmasse sind, die unter dem Eindruck der Krise abgeschafft werden können, müssen sie mit Protest jener rechnen, die weiterhin einen kritischen Blick auf politische Entscheidungen wahren und sich als Verfechter*innen der Demokratie und demokratischer Grundrechte verstehen.

Pressemitteilung: Leipzig, 21. April 2020

Versammlungsfreiheit schützen – auch in Zeiten der Krise

Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft am 20. April ab 18 Uhr zu einer Versammlung auf den Marktplatz in Leipzig auf. Wir wollen gemeinsam für die Wahrung der Versammlungsfreiheit gerade in Zeiten von Corona demonstrieren.

Dazu erklärt Irena Rudolph-Kokot für „Leipzig nimmt Platz“: „Ab 20. April werden die Ausgangsbeschränkungen zu Gunsten von Kontaktbeschränkungen aufgehoben. Das öffentliche Leben soll langsam hochgefahren werden, Ladengeschäfte werden wieder geöffnet und ab 4. Mai auch weitere Dienstleister, wie zum Beispiel Friseure sowie auch Schulen schrittweise. Wir vermissen aber schmerzlich den Plan, wie man ein wesentliches Grundrecht, das des Artikels 8 im Grundgesetz – also die Versammlungsfreiheit – wieder in Kraft setzt. Wir wollen mit der Versammlung zeigen, dass sich Infektionsschutz und Versammlungsfreiheit miteinander vertragen. Wir werden uns unter Einhaltung des Mindestabstandes zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und mit Mundschutz (Maske, Tuch, Schal) versammeln. Auch die Zahl der Teilnehmenden haben wir entsprechend der Versammlungsfläche auf 100 Personen begrenzt. Wir hoffen, dass unsere Botschaft bei den politisch Verantwortlichen Gehör findet.“

Jürgen Kasek, Rechtsanwalt des Aktionsnetzwerkes, ergänzt: „Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 16. April uns den Rücken gestärkt. Es hat festgehalten, dass pauschale Verbote mit Verweis auf eine Allgemeinverfügung nicht rechtens sind. Die Versammlungsfreiheit ist für die Demokratie konstitutiv. Deswegen muss im Einzelfall entschieden werden, ob eine Gefahr besteht. Das pauschale zeitweise Verbot der Versammlungsfreiheit kann nie verhältnismäßig sein. Und diese Diskussion müssen wir als Gesellschaft führen und aushalten. Deswegen werden wir, wenn nötig, auch den Rechtsweg beschreiten.“

Für die Klageverfahren rufen wir alle Unterstützerinnen und Unterstützer zu Spenden auf. Für Spendenquittungen bitten wir um eine Mail an .

Aufruf: Versammlungsfreiheit schützen – auch in Zeiten der Krise

Das Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz” hat sich in zwei längeren Beiträgen mit der Einschränkung von Grundrechten durch die Verordnungen des Freistaates Sachsen befasst. Nun sollen ab 20. April die Ausgangsbeschränkungen zu Gunsten von Kontaktbeschränkungen aufgehoben und das öffentliche Leben langsam hochgefahren werden. So erarbeitet die Landesregierung einen Plan zur schrittweisen Öffnung von Schulen und Kita. Ladengeschäfte werden wieder geöffnet und ab dem 4. Mai sollen einige Dienstleistungsgewerbe ihren Betrieb aufnehmen. Wir alle vermissen aber schmerzlich die politische Absichtsbekundung, ein wesentliches Grundrecht wie die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 GG) wieder in Kraft zu setzten.

Es ist nicht zu akzeptieren, dass Wirtschaft und Konsum so viel wichtiger sind als die Versammlungsfreiheit! Wurde darüber überhaupt beraten? Haben sich die politisch Verantwortlichen mit Auflagen befasst, die nach Versammlungsrecht möglich sind? Oder sind vielleicht wesentliche Grundrechte gar nicht mehr im Fokus der Landespolitik? Gerade in Leipzig haben 1989 zigtausende Menschen genau für dieses Grundrecht unter Lebensgefahr demonstriert.

Auch im Aktionsnetzwerk ist Konsens, dass der Schutz des menschlichen Lebens oberste Priorität hat. Deswegen wurde in der Zeit der Ausgangsbeschränkungen fast selbstverständlich zu Online-, Foto- und Kunstaktionen unter Beachtung aller Regeln aufgerufen. Da es eine Neubewertung der Lage gibt und keine “triftigen Gründe” für das Verlassen des eigenen Haushaltes mehr notwendig erscheinen, fordert das Aktionsnetzwerk ebenso eine Neubewertung der Möglichkeit, die eigene Meinung persönlich und öffentlich kundzutun. Die ab 20. April geltenden Infektionsschutzauflagen erscheinen vereinbar mit dem Versammlungsrecht, gerade wenn sich alle an einer Kundgebung Beteiligten an diese Auflagen halten.

Das Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz” ruft zu einer Versammlung am 20. April ab 18 Uhr auf den Leipziger Marktplatz auf. Wir wollen gemeinsam für die Wahrung der Versammlungsfreiheit gerade in Zeiten von Corona demonstrieren. Mit der Einhaltung eines Mindestabstandes von fünf Metern zwischen den Teilnehmer*innen sowie mit Mundschutz (Maske, Tuch, Schal etc.) wird der Infektionsschutz gewährleistet. Die Anzahl der Beteiligten auf 100 Personen begrenzt.

Das Aktionsnetzwerk will klarstellen, dass der Schutz der persönlichen Gesundheit und Freiheitsrechte nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen und ein deutliches Zeichen an die politisch Verantwortlichen senden.

Weitere Informationen: https://www.facebook.com/events/240415603776366/

Leipzig, 17. April 2020
Pressemitteilung und Aufruf des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“

Grundrechte unter Druck – Wir bleiben wachsam

Im Zuge der Änderungen der Allgemeinverfügung und des Erlasses einer Rechtsverordnung in Sachsen sowie unter dem Eindruck der repressiven Maßnahmen gegen die Aktion der Seebrücke, hat das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ seinen Text zum Thema Schutz der Freiheitsrechte fortgeschrieben.

Dazu erklärt Jürgen Kasek, Stadtrat und Rechtsanwalt: „Wir wollen uns eine Meinung zu den Folgen der beschlossenen Einschränkungen bilden, nicht abschließend, sondern als einen gegenwärtigen Standpunkt. Diese möchten wir im Hinblick auf die Grundrechte betrachten und damit letztlich auch den Rechtsstaat, der ebenso unter Druck geraten ist. In einer Zeit, in der die Grundrechte per Allgemeinverfügung und Verordnung fast aufgehoben werden können, ohne wirksame demokratische Kontrolle und ohne jeden gesellschaftlichen Aufschrei, ist es notwendig, eine deutliche Warnung auszusprechen und zur Wachsamkeit aufzurufen.“

Irena Rudolph-Kokot ergänzt für das Aktionsnetzwerk: „Der Rechtsstaat verlangt, dass Eingriffe in Grundrechte eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage haben müssen, die vorliegend nicht ersichtlich ist. Aber es zeigt auch, dass neben anderen sogar progressive Menschen nach Grundrechtseinschränkungen rufen und diese nicht nur widerspruchslos hinnehmen, sondern Ausgangssperren fordern. Eine der größten Gefahren besteht darin, dass die jetzt durchgeführten Maßnahmen, die sich als wirksam erweisen, einen neuen Zustand der Dauerhaftigkeit nach sich ziehen. Die Versuchung, ähnlich wie in autoritär regierten Ländern, die Daten der Bürger zu sammeln und die Freiheitsrechte absolut einzuschränken, ist gegenwärtig und noch nie war die Gefahr so groß wie jetzt, dass einzelne Grundrechte ganz aufgehoben werden könnten.“

Pressemitteilung: Leipzig, 6. April 2020

Grundrechte unter Druck

Die ganze Welt befindet sich im Ausnahmezustand, so auch die Bundesrepublik. Grenzkontrollen, Kontaktverbote, Ausgangsbeschränkungen, Ausgangssperren – das hat es in diesem Ausmaß im demokratischen Nachkriegsdeutschland noch nicht gegeben. Es ist klar und unumstritten, dass die Politiker*innen handeln müssen, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Für uns ist aber auch klar, dass alle Eingriffe in die Grundrechte verhältnismäßig sein und bleiben müssen. Deswegen hat das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ einen Text verfasst, welcher dieser Pressemitteilung beigefügt und veröffentlicht wird.

Dazu erklärt Clara Anna Hoffmann von der Grünen Jugend: „Wir wollen eine Diskussion zum Umgang mit den Grundrechten in Zeiten von Krisen anstoßen, aber auch einen Ausblick wagen. Wir stellen die Frage, ob wirklich alle Maßnahmen verhältnismäßig und ob die gewählten Verfahren, trotz des Zeitdrucks, angemessen sind. Eine kritische Betrachtung verdient auch die bislang vollkommen fehlende und durch politische Akteure zu kommunizierende Begleitung der Eingriffe in die Grundrechte. Auch Selbstkritik ist uns wichtig. Wir, uns als emanzipatorische Kräfte Verstehende, waren und sind zu leise bei diesem Thema. Wir sind überzeugt: dies soll und muss sich dringend ändern!“

Irena Rudolph-Kokot ergänzt für das Aktionsnetzwerk: „Wir müssen jetzt die Zeit nutzen, um die Bedeutung der Freiheitsrechte für unser demokratisches Gemeinwesen herauszustellen und die Diskussion darauf lenken, wie wir unsere Gesellschaft noch partizipativer gestalten können. Dabei müssen wir immer im Blick haben, wie schnell demokratische, freiheitliche Strukturen scharfen Kontrollen und Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit weichen können. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Freiheitsrechte pandemieresistent bleiben und alle Einschränkungen wieder zurückgenommen werden. Lasst uns für mehr Freiheit nach der Pandemie kämpfen!“

Pressemitteilung: Leipzig, den 26. März 2020

5000 Menschen übten erfolgreiches #Platznehmen in Dresden

Am 15. Februar fuhren in zwei Anfahrten ca. 400 Menschen aus Leipzig – unter Teilnahme von Aktivist*innen aus Magdeburg, Halle und Dessau – zu den Protesten gegen den Nazi-Aufmarsch. Gemeinsam mit 5000 Antifaschist*innen aus Dresden und anderen Städten ist es gelungen, die Route der als „Trauermarsch“ getarnten Hassversammlung auf gerade mal 2000 m zu verkürzen.

„Dies gelang durch entschlossenes #Platznehmen. Etliche Sitz- und Spontanversammlungen machten die geplante Routenführung unmöglich. An dieser Stelle danken wir allen Menschen, die diesen Tag erfolgreich gemacht haben und natürlich unseren Dresdner Freund*innen von Dresden Nazifrei, HOPE – Fight Racism und Nationalismus raus aus den Köpfen“, erklärt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“.

„Kleiner Wermutstropfen waren mal wieder einzelne Aktionen der Polizei. Es gab an vielen Stellen sehr kooperativen Umgang miteinander, an anderen gab es aber Grenzüberschreitungen, die wir auf jeden Fall noch auswerten lassen wollen. So wurden Menschen unserer Spontandemonstration von Polizeiwagen angefahren. An anderer Stelle ritten Polizist*innen durch eine Sitzversammlung. Mindestens eine Sitzversammlung wurde rabiat geräumt. Eine ältere Versammlungsteilnehmerin wurde aus der Versammlung gezerrt, ihr wurde vollkommen abstrus eine Beamtenbeleidigung vorgeworfen. Solche Aktionen müssen nicht sein“, so Rudolph-Kokot.

Unverständnis erzeugten unsere Ordnungshüter*innen mit der Koordinierung der Massen am Hauptbahnhof nach der Beendigung der Naziversammlung. Hatten die Beamt*innen zuvor noch akribisch eine Trennung der vielfältigen Proteste von den Ewiggestrigen durchgesetzt, war es ihnen nach Auflösung dieses demokratiefeindlichen Haufens scheinbar egal, ob Faschist*innen und Antifaschist*innen aufeinandertreffen. Sie ließen, trotz massiver Präsenz, den Geschichtsumdeuter*innen im Bahnhofsgebäude bevorzugt freien Lauf und privilegierten Zugriff auf die Öffis. Dass dabei latent die im Gebäude befindlichen Antifaschist*innen gefährdet waren, wurde offenbar noch nicht einmal registriert. Erst mehrfache und geharnischte Ansprachen Betroffener brachten dann einige besonnene Polizist*innen dazu, die groteske Situation noch zu entschärfen. Es ist daher wohl eher Glück, dass hier nichts entgleiste.

„Insgesamt war das für alle Antifaschist*innen ein guter Tag. Nun bleibt uns nur noch, alle Menschen aufzurufen, sich regelmäßig Nazis – egal ob blau oder braun – entgegenzustellen und gerne sich auch öfter mal in den Zug zu setzen, um Initiativen und Gruppen im Hinterland zu unterstützen“, schließt Rudolph-Kokot.

Pressemitteilung: Leipzig, 15. Februar 2020

Öffentliche Wahlkampfveranstaltung der AfD doch nicht öffentlich?

Am vergangenen Freitag, den 17.Januar, fand in der Großen Eiche in Böhlitz-Ehrenberg eine Wahlkampfveranstaltung der AfD Leipzig statt. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ organsierte den Protest.

Der Zugang zur auf Facebook beworbenen öffentlichen Wahlkampf-Veranstaltung der Leipziger AfD, wurde offensichtlich widerrechtlich beschränkt. Einer Person aus der Versammlung von „Leipzig nimmt Platz“, wurde ohne Rechtsgrundlage und ohne hinreichende Begründung der Zutritt zur öffentlichen Veranstaltung verwehrt. „Wir fordern die Aufklärung der Umstände, warum in einem von der Stadt vermieteten Objekt willkürlich Personengruppen widerrechtlich ausgeschlossen werden“, erklärt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk zu dem Vorgang.

Es folgt eine Zusammenfassung und Bewertung des Sachverhaltes:

Die später von der AfD Leipzig am Zugang gehinderte Person befand sich nur wenige Minuten auf der Versammlung von „Leipzig nimmt Platz“ und wollte anschließend, wie durch die Versammlungsfreiheit garantiert, an der öffentlich beworbenen Veranstaltung der AfD teilnehmen. Sofort beim Betreten des Gebäudes, stellte sich ein Ordner entgegen, welcher allem Anschein nach zum Sicherheitsteam der Veranstaltung gehörte und forderte den potentiellen Teilnehmer zum Gehen auf. Auf Nachfrage wurde gesagt, dass das Hausrecht ausgeübt wird und ein Hausverbot ausgesprochen. Trotz mehrmaligem Verlangen wurde der Zutritt verwehrt.

Hierzu ist festzustellen, dass jede*r an der Teilnahme einer öffentlichen Veranstaltung Interessierte Zutritt zu Versammlungen im geschlossenen Raum haben muss, ansonsten handelt sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung (Versammlungsgesetze, Dietel/Ginzel/Kniesel, S. 105, RN 423). Bei öffentlichen Versammlungen können vorab nach § 5 Absatz 1 Sächsisches Versammlungsgesetz Personen oder Personenkreise von einer öffentlichen Versammlung im geschlossenen Raum ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss fehlte im oben genannten Fall aber. Die AfD Leipzig hat auf ihrer Facebook-Seite öffentlich und ohne Ausschluss eingeladen. Ein Hausrecht, wie es in § 6 Absatz 4 Sächsisches Versammlungsgesetz beschrieben wird, ist nur auf Nichtteilnehmeri*nnen anwendbar: “Das Hausrecht […] rechtfertigt nur Maßnahmen gegen Nichtteilnehmer, die sich im Versammlungsraum aufhalten, etwa Bedienungspersonal, fliegende Händler, Hausmeister, Handwerker etc. Als gegen Teilnehmer gerichtete Maßnahmen sieht das BVersG nur den vorherigen Ausschluss in der Einladung […] und die Ausschließung […] vor (Versammlungsgesetze, Dietel/Ginzel/Kniesel, S. 176, RN 15). Ein Hausrecht wie vom Sicherheitspersonal als Begründung angegeben, kann sich somit nie gegen potenzielle Versammlungsteilnehmer*innen richten.

„Die AfD Leipzig unterläuft somit die Versammlungsfreiheit und die Kontrolle durch neutrale Beobachter*innen. Das Ganze in den Räumen der Stadt Leipzig. Hier sehen wir die Verwaltung aber auch die Leipziger Stadträt*innen in Verantwortung“, so Marco Rietzschel von den Jusos Leipzig abschließend.

Pressemitteilung: Leipzig, 23. Januar 2020
Foto: Martin Neuhof

Am vergangenen Freitag, den 17.Januar, fand in der Großen Eiche in Böhlitz-Ehrenberg eine Wahlkampfveranstaltung der AfD Leipzig statt. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ organsierte den Protest.

Der Zugang zur auf Facebook beworbenen öffentlichen Wahlkampf-Veranstaltung der Leipziger AfD, wurde offensichtlich widerrechtlich beschränkt. Einer Person aus der Versammlung von „Leipzig nimmt Platz“, wurde ohne Rechtsgrundlage und ohne hinreichende Begründung der Zutritt zur öffentlichen Veranstaltung verwehrt. „Wir fordern die Aufklärung der Umstände, warum in einem von der Stadt vermieteten Objekt willkürlich Personengruppen widerrechtlich ausgeschlossen werden“, erklärt Irena Rudolph-Kokot für das Aktionsnetzwerk zu dem Vorgang.

Es folgt eine Zusammenfassung und Bewertung des Sachverhaltes:

Die später von der AfD Leipzig am Zugang gehinderte Person befand sich nur wenige Minuten auf der Versammlung von „Leipzig nimmt Platz“ und wollte anschließend, wie durch die Versammlungsfreiheit garantiert, an der öffentlich beworbenen Veranstaltung der AfD teilnehmen. Sofort beim Betreten des Gebäudes, stellte sich ein Ordner entgegen, welcher allem Anschein nach zum Sicherheitsteam der Veranstaltung gehörte und forderte den potentiellen Teilnehmer zum Gehen auf. Auf Nachfrage wurde gesagt, dass das Hausrecht ausgeübt wird und ein Hausverbot ausgesprochen. Trotz mehrmaligem Verlangen wurde der Zutritt verwehrt.

Hierzu ist festzustellen, dass jede*r an der Teilnahme einer öffentlichen Veranstaltung Interessierte Zutritt zu Versammlungen im geschlossenen Raum haben muss, ansonsten handelt sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung (Versammlungsgesetze, Dietel/Ginzel/Kniesel, S. 105, RN 423). Bei öffentlichen Versammlungen können vorab nach § 5 Absatz 1 Sächsisches Versammlungsgesetz Personen oder Personenkreise von einer öffentlichen Versammlung im geschlossenen Raum ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss fehlte im oben genannten Fall aber. Die AfD Leipzig hat auf ihrer Facebook-Seite öffentlich und ohne Ausschluss eingeladen. Ein Hausrecht, wie es in § 6 Absatz 4 Sächsisches Versammlungsgesetz beschrieben wird, ist nur auf Nichtteilnehmeri*nnen anwendbar: “Das Hausrecht […] rechtfertigt nur Maßnahmen gegen Nichtteilnehmer, die sich im Versammlungsraum aufhalten, etwa Bedienungspersonal, fliegende Händler, Hausmeister, Handwerker etc. Als gegen Teilnehmer gerichtete Maßnahmen sieht das BVersG nur den vorherigen Ausschluss in der Einladung […] und die Ausschließung […] vor (Versammlungsgesetze, Dietel/Ginzel/Kniesel, S. 176, RN 15). Ein Hausrecht wie vom Sicherheitspersonal als Begründung angegeben, kann sich somit nie gegen potenzielle Versammlungsteilnehmer*innen richten.

„Die AfD Leipzig unterläuft somit die Versammlungsfreiheit und die Kontrolle durch neutrale Beobachter*innen. Das Ganze in den Räumen der Stadt Leipzig. Hier sehen wir die Verwaltung aber auch die Leipziger Stadträt*innen in Verantwortung“, so Marco Rietzschel von den Jusos Leipzig abschließend.

Pressemitteilung: Leipzig, 23. Januar 2020
Foto: Martin Neuhof

Nach Aufruf nach Magdeburg – Bilanz des Demonstrationsgeschehens

Am 17. Januar rief das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ zur gemeinsamen Anreise zu den Protesten gegen den Neonaziaufmarsch nach Magdeburg auf.

„Alle Jahre wieder treffen sich in Magdeburg Neonazis um der Bombardierung der Stadt am 16. Januar 1945 „zu gedenken“. Dabei werden nicht nur fiktive Opferzahlen und Schadenssummen verbreitet, sondern vor allem rechtsradikales Gedankengut. Dem Aufruf der NPD folgten insgesamt rund 160 Faschist*innen aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Das wollten wir natürlich nicht unwidersprochen lassen“, erklärt Joschka Fux vom SDS Leipzig.

Mehrere Demonstrationen und zahlreiche Kundgebungen wurden von diversen zivilgesellschaftlichen und linken Akteur*innen durchgeführt. So startete bereits um 15 Uhr die Demonstration von „Fridays for Future“ am Hauptbahnhof in Magdeburg. Überregional wurde für die Demo mobilisiert und das mit großem Erfolg! Über 1.000 Personen gingen gegen Faschismus und für Klimagerechtigkeit auf die Straße. Gut eine Stunde vor dem geplanten Nazi-Aufmarsch begann am Neustädter Bahnhof im Norden der Stadt auch die Auftaktkundgebung der zentralen Gegendemonstration Nazis wegbassen! des Bündnisses Solidarisches Magdeburg und REGINA.

Es folgten, nach Streckenverlegung des rechten Aufmarsches, mehrere friedliche Sitzversammlungen der Protestierenden. Diese wurden von der Polizei zum Großteil unter Einsatz von massiver Gewalt und Pfefferspray geräumt oder eine Räumung versucht. Gleichzeitig wurden Übergriffe aus dem Demozug der Nazis nicht unterbunden.

Auch die Abreise der angereisten Menschen gestaltete sich schwierig, da sie entweder nicht direkt in den Bahnhof gelassen wurden oder sogar aus Zügen rausgeworfen, um den rückreisenden Nazis den Vortritt zu lassen. Ein höchst fragwürdiges Verhalten der Polizei an dieser Stelle.

„Letztendlich bleibt uns nur, den Magdeburger Aktivist*innen zu danken, die einen bunten und diversen Gegenprotest auf die Beine gestellt haben. Jedoch ist auch auf die Staatsgewalt Verlass, die einem kläglichen Haufen von 160 Nazis unter allen Umständen den Weg frei räumen musste, damit diese für Faschismus, Nationalismus und Rassismus demonstrieren konnten. Doch auch wenn die Rechten mit allerhand Privilegien marschieren konnten, haben wir gemeinsam mit Antifaschist*innen von hier und dort klargemacht: Magdeburg hat keinen Bock auf Nazis!“, erklärt Marlen Heine (SDS Leipzig) abschließend.

Eine detaillierte Bilanz des Geschehens entnehmen Sie bitte dem Bericht im Anhang.

Nazi-Trauermarsch in Magdeburg, 17.01.2020

Alle Jahre wieder treffen sich in Magdeburg Neonazis um der Bombardierung der Stadt am 16. Januar 1945 „zu gedenken“. Dabei werden nicht nur fiktive Opferzahlen und Schadenssummen verbreitet, sondern vor allem rechtsradikales Gedankengut. Dem Aufruf der NPD folgten insgesamt rund 160 Faschist*innen aus Sachsen-Anhalt, Niedersachen, Sachsen und Schleswig- Holstein. Das wollten wir natürlich nicht unwidersprochen lassen.

Mehrere Demonstrationen und zahlreiche Kundgebungen wurden am Freitag, den 17. Januar 2020 von diversen zivilgesellschaftlichen und linken Akteur*innen angemeldet. So startete bereits um 15 Uhr die Demo von Fridays for Future am Hauptbahnhof in Magdeburg. Überregional wurde für die Demo mobilisiert und das mit großem Erfolg! Über 1.000 Personen gingen gegen Faschismus und für Klimagerechtigkeit auf die Straße. Parallel begann die Polizei um 16/16.30h mit dem Aufbau von Hamburger Gittern auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Hauptbahnhof.

Gut eine Stunde vor dem geplanten Nazi-Aufmarsch begann am Neustädter Bahnhof im Norden der Stadt auch die Auftaktkundgebung der zentralen Gegendemonstration Nazis wegbassen! des Bündnisses Solidarisches Magdeburg und REGINA. Während hunderte Bürger*innen an verschiedensten Aktionen für Antifaschismus und Toleranz teilnahmen, kam es im Innenstadtbereich zu erhöhter Bewegung von Kleingruppen in Richtung Süden. Seit dem Nachmittag hatte sich in den Netzwerken die Nachricht verbreitet, dass die Nazis nämlich nicht wie angekündigt am Hauptbahnhof ihren Marsch beginnen sollten, sondern am Buckauer Bahnhof.

Um 18.30h trafen die ersten Nazis auf dem Bahnhofsvorplatz in der Innenstadt ein, kurz nach 19 Uhr wurden sie per Zug zum Buckauer Bahnhof gebracht. Von dort aus sollte der „Trauermarsch“ über die Porsestraße – Schönebecker Straße – Schleinufer in die Innenstadt führen. Um 19.45h begann dann schließlich die Nazi-Demo mit Trommeln und brennenden Fackeln. Von Anfang an konnte beobachtet werden, wie einige Nazis vermummt mitmarschierten. Jedoch kam die Nazi- “Trauerversammlung“ nicht weit, denn bereits nach wenigen hundert Metern erwartete sie die erste Sitzblockade auf der Porsestraße. Diese wurde schnell und rabiat geräumt.

Der Marsch setzte sich jedoch nur bis zum Schleinufer / Höhe Sternbrücke fort. Dort gelang die zweite Blockade. Auch diese wurde mit aller unnötigen Gewalt von Seiten der Polizei geräumt. Ohne Ansage wurden Protestierende von einer Straßenseite auf die andere geschleift. Die Sitzversammlung wurde umstellt. Vereinzelte Menschen, die sich friedliche dazusetzen wollten, wurden mit Schlagstöcken und Pfefferspray bedroht, umgeworfen und gegen einen Bauzaun gestoßen, ehe sie sich den Gegendemonstrant*innen doch anschließen durften. Erstaunlich was Mensch über sich ergehen lassen muss, bevor erlaubt wird das eigene Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Als sich der „Trauermarsch“ näherte zogen die Polizist*innen zwei Ketten auf dem Grünstreifen zwischen den beiden Fahrbahnen – beide Ketten richten sich gegen die Antifaschist*innen aus. Neben der Polizeigewalt konnten mehrere Teilnehmer*innen des Gegenprotestest deutlich beobachten, dass sowohl die Räumung als auch die nachfolgende Maßnahmen sehr unkoordiniert vonstattengingen.

Nachdem den Rechten unter allen Umständen der Weg frei gemacht worden war, zogen diese weiter am Elbufer entlang Richtung Innenstadt. Kurz vor dem Gouvermentsberg richteten die Nazis in aller Ruhe ihre Zwischenkundgebung aus. Schließlich gelang um 20.45h auf dem Schleinufer / Höhe Landtag die dritte Blockade. Auch diese wurde wie die beiden vorherigen brutal aufgelöst. Die rechte Demo zog weiter Richtung Norden, an der Johanniskirche vorbei und auf die Ernst-Reuter-Allee. Auch hier kam es zu lautstarkem und sichtbaren Protest entlang der Route. Chaotische Szenen und Situation traten zu Tage, in denen die Polizei Teilnehmer*innen der verschiedenen Lager nicht adäquat auseinanderhalten konnte. Polizist*innen griffen ohne ersichtlichen Grund und teils sehr aggressiv Gegendemonstrant*innen an, schubsten sie und warfen einige zu Boden. Die 160 Nazis wurden von schätzungsweise mindestens 400 Polizeibeamt*innen geschützt.

Die letzte Sitzblockade dieses Abends versammelte sich erfolgreich auf der sehr breiten Ernst- Reuter-Allee / Höhe Ulrichsplatz. Die Staatsmacht versucht auch diese unter Einsatz von Pfefferspray aufzulösen. Als dies nicht zeitnah gelang, wurde die Nazidemo über den Gehweg an der Blockade vorbeigeführt. Währenddessen kam es von Seiten der Ordner*innen der Nazidemo zu Übergriffen auf Gegendemonstrant*innen und Passant*innen. Über die Otto-von-Guericke- Straße zogen die Nazis weiter Richtung Hauptbahnhof, wo ihre Abschlusskundgebung stattfand. Dank Hamburger Gitter war ihr Versammlungsplatz großzügig abgezäunt. Doch dem nicht genug wurden zweireihige Polizeiketten auf den Zubringerstraßen zum Bahnhofsvorplatz aufgestellt. Niemand konnte den Bahnhofsvorplatz betreten. Gegen 22 Uhr reisten die Faschist*innen unter lautstarker Begleitung aus den Seitenstraßen ab.

Wer von den Gegendemonstrant*innen zum Zug wollte, musste um den Bahnhof herumlaufen, um von der anderen Seiten in das Gebäude zu gelangen. Besitzer*innen von Fahrrädern, die zwischen der Polizeikette und den Gittern abgeschlossen waren, wurden nicht zu ihren Rädern durchgelassen. Eine junge Frau mit Ticket und Reisekoffer – erkennbar NICHT dem Gegenprotest zuzurechnen – wurde der Zutritt zum Bahnhof verwehrt. Schließlich warf die Polizei einige aus Leipzig angereiste Demonstrant*innen aus ihrem Zug, der kurz nach 22 Uhr fahren sollte. Das Argument lautete, dass noch 60 Nazis im Zug mitfahren würden. Am Ende saßen 20 Nazis im besagten Zug. Jedoch wurden nicht alle Gegendemonstrant*innen aus dem Zug geholt.

Zuletzt stellt sich das Bündnis Solidarisches Magdeburg einige ungeklärte Fragen:

  1. Weshalb hat die Polizei Angriffe von Nazis auf Gegendemonstrant*innen oder Passant*innen nicht konsequent unterbunden?
  2. Was wurde unternommen, um Bedrohungen und verbale Angriffe auf Journalist*innen zu unterbinden?
  3. Mit welcher Begründung wurden Gegendemonstrant*innen angegriffen, und warum auch jene, die sich zum Teil in weiter Entfernung zum Aufmarsch der Neonazis befanden?
  4. Warum konnten sich Teilnehmer der Neonazi-Demonstration aus dem Aufzug lösen, um daraufhin Leute anzugreifen?
  5. In der Vergangenheit wurden in anderen Bundesländern immer wieder Fackeln und Trommeln als Aufzugsmittel bei Neonazi-Demonstrationen verwaltungsgerichtlich untersagt. Warum ist das in Magdeburg seit Jahren nicht der Fall?
  6. Weshalb wurde der Aufzug der Neonazis trotz zum Teil voll vermummter Teilnehmer nicht zeitweise gestoppt und weshalb wurden die vermummten Teilnehmer nicht vom Aufzug entfernt und erkennungsdienstlich behandelt?
  7. Mit welcher rechtlichen Begründung werden Menschen daran gehindert, mit dem Zug zurück in ihre Städte zu fahren, während den Neonazis der Vorzug gegeben wird, diese Züge zu benutzen?

Letztendlich bleibt uns nur, den stabilen Magdeburger Aktivist*innen zu danken, die einen bunten und diversen Gegenprotest auf die Beine gestellt haben.

Jedoch ist auch auf die Staatsgewalt Verlass, die einem kläglichen Haufen von 160 Nazis unter allen Umständen den Weg frei räumen musste, damit diese für Faschismus, Nationalismus und Rassismus demonstrieren konnten. Doch auch wenn die Rechten mit allerhand Privilegien marschieren konnten, haben wir gemeinsam mit Antifaschist*innen von hier und dort klargemacht: Magdeburg hat keinen Bock auf Nazis!

*Alle Blockaden waren friedliche Menschenblockaden – es wurde friedlich, mit den eigenen Körpern, sitzend, blockiert

Pressemitteilung: Leipzig, 23.01.2020

Bildquelle: Bündnis Solidarisches Magdeburg