In Zeiten multipler Krisen wächst die Zustimmung zu autoritären Einstellungsmustern und zur Abwertung von Minderheiten. Die steigenden Preise und die wachsende Unsicherheit machen Menschen anfällig für einfache Erklärungsmuster und für die Präsentation von Sündenböcken. Sündenböcke als Projektionsflächen für all das, was man nicht erklären kann. Die Aggression, die aus der Frustration entsteht, weil sich tatsächlich das Leben verteuert und zunehmend mehr prekär Beschäftigte unter Druck geraten, wird auf andere verschoben. Nicht wirklich Schuldbeladene in der Krise – aber sie sind hierfür greifbar und aus menschenverachtendem Prinzip eh schon im Visier.
Die komplexen Zusammenhänge werden aufgelöst und Feindbilder angeboten, die nebenbei auch in der Abgrenzung das eigene Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Die alte Erzählung des „Wir gegen die“, welche Gruppenidentität vermittelt und Feindschaft induziert, erfährt eine Neuauflage.
Parallel dazu wächst in der Krise auch die Zustimmung zum Nationalismus. In der Abwertung anderer Gruppen, steigert man sich auch in das Gefühl zur Zusammengehörigkeit mit „seines Gleichen“ hinein: Seit Jahren versuchen Neue Rechte, die Risse in der Gesellschaft zu vertiefen und Feindbilder innerhalb der Gesellschaft zu verstärken, um durch die Spaltung, zu einer vorbürgerkriegsähnlichen Stimmung zu kommen, damit sich aus dieser Stimmung dann eine „nationale Wiedergeburt“ ergebe.
Nicht zufällig ruft etwa Höcke, in Eintracht mit Götz Kubitschek, zum Umsturz auf und träumt davon, dass es diesen Herbst dazu kommen werde. Eigene Ideen werden nicht angeboten, sondern Gegner benannt, die Unzufriedenheit wird auf die besagten Projektionsflächen umgeleitet. Die Spaltung soll unumkehrbar vertieft werden.
Es geht ihnen dabei nicht um eine andere Gesellschaft oder um den Krisenkapitalismus, mit all seinen zerstörerischen Folgen, es geht ihnen einzig und allein um die Macht – um eine Renaissance des Nationalstaates.
Daher ist es umso wichtiger, auf dieses Problem hinzuweisen und aus linker, emanzipatorischer Perspektive der Sehnsucht nach schlichten Feindbildern und Sündenböcken zu widerstehen, dafür analytisch sauber und in klarer Sprache Alternativen und Lösungen zum krisengeschüttelten Kapitalismus anzubieten.
Antifaschismus wendet sich gegen den Faschismus, was im konkreten Kontext bedeutet, die Risse in der Gesellschaft nicht zu vertiefen und dem aufkeimenden Nationalismus und Autoritarismus zu begegnen.
Die Antwort auf die Frage des Umgangs mit den Krisen ist keine mythisch verklärte Wiedergeburt des Nationalstaates und von vermeintlich starken „Führern“ unter Zurückdrängung institutioneller Freiheiten. Sie liegt vielmehr in der Idee einer freien, gleichen Gesellschaft für alle Menschen, die sich ihrer Fesseln, also des ökonomischen Zwangs entledigt. Und das heißt, dass sie sich eines Kapitalismus, der auf Verwertung des Humankapitals unter Zerstörung der Lebensgrundlagen ausgerichtet ist, entledigt.
Dafür zu streiten ist wichtig, gerade in einer Zeit, da Menschen durch Verlustängste anfällig werden für die leeren Versprechungen des Autoritarismus, der letztlich in einer europäischen Tragödie enden wird.