“Vorab möchte ich gerne anmerken,
ich auch über Übergriffigkeit und Belästigung schreiben werde. Deshalb an der Stelle eine Triggerwarnung!
Ich bin weiblich gelesen, 16 Jahre alt und wurde am Samstag, wie 1.000 andere Menschen auch, von der Polizei ohne einen ersichtlichen Grund eingekesselt. Gegen kurz nach 18 Uhr eskalierte die zuvor vollkommen friedliche Versammlung auf dem Alexis-Schuhmann-Platz, etwa eine Stunde nachdem der Demonstrationszug untersagt wurde. Die Polizeibeamt*innen trieben in dieser hektischen Situation hunderte Demonstrant*innen und Passant*innen auf dem Heinrich Schütz-Platz zusammen. Dabei traf mich eine Faust von eine*m der Polizist*innen knapp unter meinem Schlüsselbein.
Schließlich waren wir auf so engem Raum eingekesselt, sodass ich Berührungen in keinster Weise aus dem Weg gehen konnte, was mich aufgrund traumatischer Erfahrungen in eine extreme Stresssituation versetzte. Die Polizist*innen schubsten wiederholt immer wieder die Menschen am Rand, weshalb ich mit meinen Genoss*innen immer wieder in die Mitte des Kessels ausweichen musste. Durch die beklemmende Enge bekam ich eine Panikattacke, woraufhin zwei Sanitäter*innen hinzukamen, um mir zu helfen. Um mich herum wurde ein Kreis gebildet, damit ich die Chance bekam mich zu beruhigen. Für dieses solidarische Handeln bin ich allen unfassbar dankbar! Nachdem ich mich nach einiger Zeit beruhigen konnte und sich die Situation entspannte, bestand der Kessel bereits 4 Stunden.
Versorgung gab es währenddessen nicht wirklich. Manchmal bekamen wir von den Sanitäter*innen Wasser, mehr aber nicht. Ich begann mit einer Genossin damit, uns bekannte Menschen zu suchen. Als sie jemanden entdeckte und die Person umarmte, wurde sie von hinten von Beamt*innen aus dem Kessel gezogen. Ich war absolut perplex. Kurz darauf wurde ich ebenfalls von zwei Polizist*innen gepackt und extrem unsanft in eine Seitenstraße geführt, in der sich auch andere Menschen in ID-Maßnahmen befanden. Dort begann dann die Überprüfung der Personalien. Nachdem ich zum vierten Mal fragte, wurde mir dann endlich gestattet auf die Toilette zu gehen. Als es zur Durchsuchung bzw. zum Abtasten kam, fühlte ich mich extrem unwohl und artikulierte dies auch.
Dort wurde mir dann auch mein Handy abgenommen. Glücklicherweise hatte ich schon zuvor meinen Eltern Bescheid gesagt, welche in der Zwischenzeit zum Kessel gekommen waren, um mich abzuholen. Ein Polizist aus NRW führte meinen Vater zu mir und versicherte glaubhaft, ich würde gleich entlassen werden. Doch mein Vater wurde wieder weggeschickt. Als ich nach 2 Stunden in der ID-Überprüfung wissen wollte, wann ich endlich gehen könne, hieß es jedoch auf einmal, ich würde in die Gefangenensammelstellegefahren werden. Ich hatte keine Chance, meinen Eltern Bescheid zu geben und war total verunsichert. Daraufhin wurde ich in einem Transportwagen zur Dimitroffwache gefahren, in dem sich auch andere, ebenfalls minderjährige, Personen befanden.
In der GeSa wurde ich zwei Polizistinnen übergeben, welche mich in eine Kabine führten. Ich musste mich dort bis auf die Unterhose komplett ausziehen, mich mehrmals um mich selbst drehen und noch einmal abtasten lassen. Die Polizistinnen schauten und fassten mir dabei in die Unterhose und zwischen die Beine. Als ich anfing zu weinen, durfte ich mich wieder anziehen und wurde in einen Raum geführt, in dem ich noch einmal meine Personalien angeben musste.
Letztendlich wurde ich vor eine Zelle gesetzt. Auf wiederholtes Nachfragen wurde mir dann auch erstmals der Vorwurf gegen mich erklärt, dass ich wegen schweren Landfriedensbruch und schwerer Körperverletzung angeklagt sei.
Nach einer Stunde kam ein Polizist auf mich zu und sagte mir, ich würde gleich entlassen werden. Er durchsuchte erneut meine Sachen und beschlagnahmte meine Jacke, mein Basecap und eine Maske. Erst danach durfte ich endlich raus zu meinen Eltern und wurde um ca. 02:30 Uhr aus der GeSa entlassen.
Seit dieser Nacht schlafe ich nicht gut, träume von den Durchsuchungen und bin extrem empfindlich. Diese Nacht ist für mich in einem Albtraum geendet, nur weil ich friedlich an einer Demonstration teilgenommen habe. Jedoch hat es einige Genoss*innen noch härter erwischt und ich möchte allen von Repressionen, Gewalt und Übergriffen Betroffenen meine volle Solidarität aussprechen!
Ich hatte schon den Bericht Ihres Vaters gelesen, in welchem er berichtete, dass er stundenlang nicht an Sie, seine Tochter- gekommen ist.Schon da konnte ich mit ihm fühlen, da ich selbst eine Tochter habe, die sich gegen Rechtsextremismus teils mit u.auch oft ohne uns Eltern zu Demos unterwegs ist.Zum 1.Mai haben wir gemeinsam Schikanen gegen unsere angemeldete Demo erfahren, welche ebenfalls mit Einkesselung u.Identifikationsmaßnahmen endete.Ich(Mutter) fand dies schon so ungerecht,machthaberisch u.einfach absolut fern jeder Demokratie.Aber Ihr Erlebnis zu lesen, ist bisher das Schlimmste, was ich v.Polizeimaßnahmen gehört habe (muss sagen:es ist nicht so lang, dass ich selbst mit auf die Str.gehe) Ich habe größtes Mitgegühl mit Ihnen u.hoffe, Sie können dies ohne größere psych Berinträchtigungen verarbeiten. Wenn ich mir vorstelle, meiner Tochter (18J.) wäre so was passiert, ich wäre verrückt vor Sorge!Ich bin STOLZ auf Sie, dass Sie sich mit Ihrer Solidarität mit Lina E.u.gegen Rechtesextremismus wenden und, dass Sie Ihr Erlebnis an die ÖFFENTLICHKEIT bringen.Dass skrupellose Handel der Polizei muss nach außen dringen u.vorallem geahndet werden.Es braucht externe Ermittlungen gegen Polizist:innen.
Meine volle Hochachtung u.Solidarität
Ich hatte das glück das es bei mir bei einem Platzverweis blieb. Auf die frage wo und wann der Platzverweis gültig ist wurde mir entgegnet: „überall wo es stress gibt sonst nehmen wir dich mit und du bleibst in der zelle“
Ich bedanke mich bei den Demos Sanis und allen die Soli zeigen. Vollste Solidarität mit allen andern aus dem Kessel oder andern opfern von Repression.
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Hallo,
ich möchte der betroffenen 16 jährigen meine volle Solidarität aussprechen. Leider reihen sich diese Erfahrungen ein, in das, was ich in 40 Jahren Demo Erfahrungen kenne. Vermeintlich linke Demos werden wesentlich härter behandelt, als vermeintlich rechte. Mich macht das als Menschenrechtler richtig wütend, weil die Polizisten als Vertreter des Staates gegen mehr als 10 Grundgesetzartikel verstoßen haben, und gute Chancen haben davon zukommen. Meine Forderung ist deshalb schon seit Jahren, dass eine Beschwerdestelle für Beschwerden gegen die Polizei her muss, die nicht bei der Innenbehörde und nicht bei der Polizei angesiedelt ist. Bezeichnend sind Untersuchungen, die davon sprechen, dass von 12.000 Beschwerden bei der Polizei über die Polizei nur zu etwa 50 Gerichtsverfahren führten. Falscher Corpsgeist und damit verbundene plötzlich auftretende Anzeigen wegen „Widerstand“ sind der Hauptgrund. Ich wünsche allen Betroffenen, dass sie, wenn sie Anzeige gegen die Polizei erstatten, hoffentlich erfolgreich sind. Auffällig ist, dass nachstehende Demos am meisten von überharter Repression betroffen sind: Demos gegen Linke, gegen Kurden, gegen Palästinenser.
Ich bin mit allen Opfern der Polizei bei den Demos in Leipzig von 31.5. bis 5.6.23 solidarisch. Ich habe bei vielen Demos erlebt(und so war es ja auch in Leipzig), dass erst durch repressives Eingreifen der Polizei die Lage eskalierte. Auch ich habe Angst vor der Polizei, weil ich nicht weiß, ob die betreffenden Beamten normal mit mir umgehen oder nicht. Die Behandlung von Minderjährigen in der beschriebenen Form müsste normalerweise die sofortige Entfernung der betreffenden Beamten aus dem Dienst zur Folge haben. Genauso die als „anlaßlosen Kontrollen“ getarnten Racial Profilings.
Viele solidarische Grüße aus Hamburg, Stadteil Altona-Altstadt
Euer Michael Thiel
Vollste Solidarität für dich und alle anderen von dieser Woche.
Und danke für deinen Mut, das Erlebte so detailliert und ehrlich für die Nachwelt zu dokumentieren.
Siamo tutti antifascisti!
Siamo tutti antisexisti!
Hallo,
Vorab Respekt, dass Du diesen Text geschrieben hast.
Ich wünsche Dir gute Besserung😊
Was Du und Deine Genossen erlebt habt ist schlecht für Eure „Gesundheit“.
Grüße an alle, die ihre Solidarität gezeigt haben.
Lasst Euch nicht unterkriegen!