Warum ihr gegen Hippies auf die Straße gehen sollt

Aufruf Bewegung Leipzig 19.09.2020

Aufruf gegen die Bewegung Leipzig am 19. September

Die Bewegung Leipzig veranstaltet seit Ende April Versammlungen im Kontext der bundesweiten so genannten Hygiene-Demos, die in Berlin unter dem Slogan „Nicht ohne Uns“ begannen. Der scheinbar linksliberale Protest gegen die Pandemie-Beschränkungen erwies sich schnell als nach rechts offen und ist heute in ein obskures Geflecht aus Verschwörungsthemen, Reichsbürgertum, Wahrheitsbewegung, Homöopathie, Esoterik, Wissenschafts- und Technikfeindlichkeit, Neue Rechte, Populismus und ins Groteske übersteigerte Friedensliebe mutiert. Obwohl sich die Lager von deutlich hippiesk bis gefährlich gewaltbereit teilweise feindlich gegenüberstehen, werden unüberbrückbare Differenzen zugunsten eines gemeinsamen Ziels zurückgestellt.

Dieses Ziel ist allerdings so schwer zu definieren wie die Melange an sich: die einen wollen das Kaiserreich wiedererrichten, die anderen, dass Donald Trump – manchmal auch Wladimir Putin – die Welt rettet, die nächsten wollen einfach nur Tanzen, wieder andere ihre (aber denkt doch an die!) Kinder vor der Gefährdung durch die gemeine Alltagsmaske schützen, und deutlich seltener muss die Regierung auch mal ausgetauscht werden, weil sie viel zu wenig gegen die Gefahr von Covid19 unternimmt. Als gemeinsamer Nenner verbleibt ein schwammig bis hart formuliertes „Gegen die da oben!“

Da die Bewegung Leipzig zahlenmäßig nicht besonders gut aufgestellt ist, sind die genannten Themen nicht in ihrer Breite abgebildet. Ihre Kundgebungen werden mit einem Lastenrad-Lauti organisiert, es geht vordergründig um Tanzen, Frieden und Liebe. Deswegen nennen sie ihre bunten Demonstrationen auch nicht so, sondern „Spaziergang“ und „Spaziertanz“. Das wirkt auf den ersten Blick nett und ist durchaus im Rahmen der Meinungsfreiheit auszuhalten. Dazu kommen dann QAnon-Verschwörung und Kritik am Finanzsystem.

Überall dringt struktureller Antisemitismus durch, zum Beispiel bei den Kindern, die mitten in New York gequält und ermordet würden. Eine führende Person der Bewegung nimmt mit „WW1WGA“ immer wieder Bezug auf solche gefährlichen Geschichten. Gerne wird auch über George Soros‘ (nicht sehr) geheime Pläne gesprochen. Dass der griechische Milliardär jüdische Vorfahren hat, muss gar nicht mehr erwähnt werden, das gehört in der Verschwörungsszene zum Basiswissen. Im Telegram-Kanal der Bewegung gelöscht ist die Behauptung, dass die schwarz-rot-goldene Staatsflagge verkehrt herum getragen werden müsste: eine bei Rechten und im Reichsbürgermilieu verbreitete These.

Auswärts werden deutlichere Töne angeschlagen: Die Bewegung hatte beide Querdenken-Demos in Berlin mitorganisiert und am 29. August einen Lkw betreut. Auf dessen Ladefläche wird in völliger Selbstüberschätzung ins Mikro geschrien: „Wir stellen jetzt unsere Forderungen: den Rücktritt der Regierung, der Regierungsspitze, allen Institutionen, die das zu verantworten haben, warum wir hier auf der Straße sind!“ Die Anwesenheit von rechten Symbolen, Ideologien und vor allem Menschen wird schlicht ignoriert. Dabei lamentieren sie noch über eine vermeintlich fehlende Meinungsfreiheit und merken gar nicht, wie eben diese durch den Staat viel mehr garantiert wird, als das manch anderen lieb ist.

Das ist das Problem: Die Bewegung Leipzig vernetzt sich mit Rechten. Am einfachsten zu belegen ist das bei ihren Videoaufnahmen, die als gemeinsame Schnittstelle den seit den 2014-er Mahnwachen einschlägig bekannten Youtube-Kanal Nuoviso aufweisen. [1] Darauf angesprochen trällert die Bewegung aber, dass die „Menschheitsfamilie“ [2] nach dem Ende der Pandemie verlangt, wirft eine Friedenstaube in die Luft und lädt zum gemeinsamen Tanzen ein. Dass die anfänglichen Beschränkungen mit Ausgangs- und Reiseverboten, Personendaten bei Demos, geschlossenen Kita etc. schon längst aufgehoben sind, spielt keine Rolle. Auch nicht, dass die Infektionszahlen schon längst wieder ansteigen. Damit befassen sich die Menschen bei der Bewegung nicht, sondern schreiben lieber Briefe an Putin und Trump. Anstatt Reichsflaggen von ihren Demos zu entfernen, sinnieren sie über die Regenbogenfarben auf den PACE-Fahnen.

In diesem Kontext kann auch die Ankündigung des Virologen Dr. Christian Drosten als Redner am 19. September gut und gerne als Ente bezeichnet werden. Hingegen kann Hermann Ploppa klar dem verschwörungstheoretischen Spektrum zugeordnet werden. Ploppa trat mehrfach bei KenFM und eingeschenkt.tv auf und schreibt Beiträge u. a. in den Querfront-Projekten „Rubikon“ und „Die Rote Fahne“. In seinem Buch „Hitlers amerikanische Lehrer“ stellt er die geschichtsrevisionistische These auf, dass der ideologische Ursprung des Nationalsozialismus aus den USA stammen würde. Seine Reden sind durchsetzt von Antisemitismus, Antiamerikanismus und Verschwörungen gegen die Weltbevölkerung. Wie auch die Bewegung Leipzig bewegt sich Ploppa in einem Umfeld, das sich selbst als links und kapitalismuskritisch begreift. Dabei bleibt die Kritik aber ein verkürzter Antikapitalismus, der der Komplexität der kapitalistischen Gesellschaft nicht entspricht.

Wie können wir diesem bunten Protest in seiner angestrengten Ignoranz entgegentreten? Das Vermitteln von Wissen wird bei Verschwörungsgläubigen allgemein als nicht zielführend erachtet. Die Diskussion führt ebenso zum Ausweichen oder Verneinen klarer Tatsachen. Deswegen tun wir das, was schon die Montagsmahnwachen und Legida zermürbt hat: Wir machen Gegendemos und sagen ihnen öffentlich unsere Meinung. Wir zeigen ihnen, dass die, denen sie sich zugehörig fühlen, sich klar von rechts abgrenzen – egal ob sie als Kulturschaffende aktiv sind, im Natur- oder Umweltschutz, in der Demokratie- oder Jugendbildung usw. usf.

Deswegen stellen wir uns wiederum gegen den Schwurbelauflauf, der am kommenden Sonnabend zu erwarten ist. Und es lohnt sich auch für euch, in großer Zahl zu kommen, denn von Zwickau bis Magdeburg haben ähnliche Gruppen nach Leipzig aufgerufen.

Wir rufen am kommenden Sonnabend um 14:30 Uhr zum Connewitzer Kreuz auf. Die Hauptkundgebung startet 16 Uhr direkt am Markt. Kommt laut, seid viele, und denkt bitte an Masken und die Abstände!


Anmerkungen:
[1] Filmproduktion/Daniel Seidel, Neue Horizonte/Götz Wittneben, ExoMagazin.tv/Robert Fleischer
[2] Der Begriff wurde vom ausgewiesenen Verschwörungsideologen Daniele Ganser geprägt.

14 Gedanken zu „Warum ihr gegen Hippies auf die Straße gehen sollt“

      1. Noch eine Ergänzung: eine “Maren”, die Sie offensichtlich persönlich gut kennen, hatte Sie am vergangenen Donnerstag in einer Pressekonferenz der Bewegung Leipzig konkret Nuoviso zugeordnet. Vielleicht ist es für Sie hilfreich, wenn Sie an Ihrer Außendarstellung arbeiten.

        1. Sehr geehrtes Aktionsnetzwerk, ein Hans-Dieter hat sich gestern in Buxtehude den Reichsbürgern zugeordnet. Vielleicht sollten sie sich lieber darum kümmern, echte Nazis zu fangen statt irgendwelche Verbindungen zu Rechten zu konstruieren, die es nicht gibt.

  1. Was soll dieser verbale Hass auf Hippies? Was soll die Gleichsetzung der Bewegung Leipzig mit den Hippies, auch wenn Hippies unter ihnen sind….
    Es ist wichtig und richtig auf die (gefährlichen) Fehler der Bewegung Leipzig hinzuweisen… aber es ist für mich untragbar dies auf die Hippieszene zu verallgemeinern… Grenzt Euch bitte nicht von denen ab, die in vielem gleiche Meinungen haben wie ihr…

    Weiter unten die Wikipedia Erklärung zu Hippie….

    Hier ein link zu einem kritischen Beitrag eines Hippies zu den erwähnten Demonstrationen in Berlin auf der freitag community: In Liebe, In Frieden – Wir alle sind eins !?!
    Im August demonstrierten in Berlin rechte-, und linke-, radikale und unpolitische Menschen zusammen. Ein neues Miteinander? Warum dies gefährlich und falsch sein mag https://www.freitag.de/autoren/andirietschel/in-liebe-in-frieden-wir-alle-sind-eins

    wikiepdia schreibt:
    Als Hippie (von englisch hip[1] = ‚angesagt‘, auch Acidhead[2], flower child oder im deutschsprachigen Raum Blumenkind) bezeichnet man ein Mitglied der in den 1960er Jahren in den USA entstandenen großen gegenkulturellen Jugendbewegung, für die unter anderem Naturverbundenheit, Konsumkritik sowie der Bruch mit den damals gängigen Lebens- und Moralvorstellungen im Sinne einer friedlicheren und humaneren Welt zentral war.

    Die Hippiebewegung fand ihren gesellschaftspolitischen Höhepunkt in der Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg und prägte dabei das Motto Make love, not war („Macht Liebe, nicht Krieg“). Später ging sie in den alternativen Bewegungen sowie einer Vielzahl von neuen Subkulturen und Szenen auf, u. a. der Punk-Szene.

    Sie hatte einen großen Einfluss auf das Denken und Handeln der heutigen Welt, so beförderte sie bedeutend die Sexuelle Revolution, den Umweltschutz, Antirassismus sowie die allgemeine Auflösung der damals gängigen autoritären Machtstrukturen in Familie und Gesellschaft.

    1. Hallo, Hippie,

      den Titel hatten wir bewusst eskalierend gewählt, weil es uns um die Mobilisierung zu einer Demo geht, zu der aus einer Vielzahl von Städten per “Mitteldeutschland steht auf und bewegt sich” aufgerufen wird. Diese wollen wir zahlenmäßig übertrumpfen. Im Text taucht der Begriff “Hippie” dann auch gar nicht mehr auf: es geht fortan um die rechten Verbindungen der “Bewegung Leipzig”. Im Wortstamm taucht es noch exakt 1x bei “von deutlich hippiesk bis gefährlich gewaltbereit” auf. Die Formulierung sollte verdeutlichen, dass “Hippie” und “friedlich” zusammengehören. Und auch gegen diese werden wir auf die Straße gehen, wenn und solange diese mit Rechten koalieren.

      Woher dein Gewaltvorwurf kommt, können wir uns allerdings nicht erklären. Im Titel steht steht “gegen Hippies auf die Straße gehen”. Das wirst du uns hoffentlich erlauben.

      Nebenbei gehen wir davon aus, dass du auch der Autor des aktuellen Leser*innenbriefes in der LIZ bist. Sei es drum, wir hätten uns eine differenzierte Meinung erhofft.

      Grüße aus dem Aktionsnetzwerk

      1. Eskalieren… naja das finde ich nicht gut …
        Demonstrieren und auf Fehler aufmerksam machen ist eine andere Sache…
        Aber es kommt auf die Art und Weise an…
        Lest dazu auch gern mal meine im verkinkten kritiserenden Gedanken zu den kritisierten Demos in Berlin.
        Ihr habt den Aufruf gegen die Hippies in der Überschrift verwendet und die bleibt hängen auch wenn man den Rest des Aufrufs vielleicht schneller vergessen hat.#
        wenn eine Demo mit einem Aufruf käme ” Warum ihr gegen die Juden auf die Straße gehen sollt” würde man das als antisemitisch bezeichnenm egal wie der Rest des Beitrags wäre…
        Mir ist wichtig auch schon bei den Anfängen zu warnen.. Gewalt findet den Beginn mit eskalierenden Worten… dann werden Worte gewalttätiger und dann folgt Gewalt… und ich möchte nicht Angst haben weil ich ein Hippie bin… der erste Schritt sind abschätzende Blicke.. die ich auch in Leipzig schon kenn….
        Bitte lasst und alle mäßigend und nicht eskalierend agieren…
        das Gemeiname suchen und herausarbeiten und in friedlicher Form auf nicht zu tolerierendes von anderen hinweisen… und gemeinsam für eine Besserung auf dieser Welt agieren…

        zum Leserbrief bei der l-iz. dieser ging im Vorhinein via e-Mail zu Euch und anderen (u.a. die Linke, die Grünen, die SPD leipzig) die Euren Aufruf im Internet unterstützten… Bisher bekam ich eine Antwort einer Grünen Verteterin die sich für die Form dieser Überschrift entschuldigte

  2. Sehr gute Aktion.
    Respekt dafür!
    Was ich nur nicht verstehe ist, warum die Überschrift “gegen Hippies auf die Straße gehen” ist. Was auch immer eure Definition davon ist, beschreibt ihr durch die folgenden Sätze, dass Leute wie Rechte und Verschwörungstheoretiker anscheinend auch Hippies sind.
    Zudem habe ich gemerkt, dass die Überschrift schon einige Leute abgeschreckt hat, die eigentlich auf eurer Seite wären. Ich wurde früher viel als Hippie bezeichnet aber habe schon immer etwas gegen Rechte, Verschwörungstheoretiker, Esoteriker etc.
    Würde mich über eine kurze Aufklärung für die Entscheidung der Überschrift freuen.
    Liebe Grüße und viel Erfolg bei den Aktionen.

    1. Hallo, Nick, und Danke für die Reaktion!

      Wir hatten den Titel bewusst eskalierend gewählt, weil es uns um die Mobilisierung zu einer Demo geht, zu der aus einer Vielzahl von Städten per “Mitteldeutschland steht auf und bewegt sich” aufgerufen wird. Diese wollen wir zahlenmäßig übertrumpfen. Im Text taucht der Begriff “Hippie” dann auch gar nicht mehr auf: es geht fortan um die rechten Verbindungen der “Bewegung Leipzig”. Im Wortstamm taucht es noch exakt 1x bei “von deutlich hippiesk bis gefährlich gewaltbereit” auf. Die Formulierung sollte verdeutlichen, dass “Hippie” und “friedlich” zusammengehören. Und auch gegen diese werden wir auf die Straße gehen, wenn und solange diese mit Rechten koalieren.

      Beste Grüße aus dem Aktionsnetzwerk

  3. hey aktionsnetzwerk.

    der aufruf liest sich durch die überschrift so voll unsympathisch, dass ich nicht mehr viel lust hab, auf die gegendemo zu gehen. leute im umfeld ebenso.
    die provokation der überschrift geht hier echt nach hinten los.
    verbreitet trennung, wo eigentlich leute zusammendemonstrieren können. destruktiv, was die stimmung in und größe der demo betrifft.

    geht ja mehr gegen rechts und gegen unreflektiertheit und gefährliche nutznießer dieser blöden naivität.
    ist auch ablenkung vom eigentlichen brandstifter.

    wie wärs denn mit sowas wie “steht den verwirrten leipziger hippies bei”?

    schöne grüße,
    phine

    1. Hallo, Phine, und Danke für die Reaktion!

      Wir hatten den Titel bewusst eskalierend gewählt, weil es uns um die Mobilisierung zu einer Demo geht, zu der aus einer Vielzahl von Städten per “Mitteldeutschland steht auf und bewegt sich” aufgerufen wird. Diese wollen wir zahlenmäßig übertrumpfen. Im Text taucht der Begriff “Hippie” dann auch gar nicht mehr auf: es geht fortan um die rechten Verbindungen der “Bewegung Leipzig”. Im Wortstamm taucht es noch exakt 1x bei “von deutlich hippiesk bis gefährlich gewaltbereit” auf. Die Formulierung sollte verdeutlichen, dass “Hippie” und “friedlich” zusammengehören. Und auch gegen diese werden wir auf die Straße gehen, wenn und solange diese mit Rechten koalieren.

      Beste Grüße aus dem Aktionsnetzwerk

      1. hey, danke für die fixe antwort. die gabs ja weiter oben schonmal.
        ich meinte, dass es unsinnig provokant ist. in der überschrift pauschal zu widerstand gegen hippies aufzurufen ist nicht weit von der verurteilung vom “gutmenschen”.
        die überschrift gibt das setting des texts vor.
        die andere seite des hippietums, nämlich die protestbereite, wird wohl bei sowas ausbleiben. vielleicht kommen zur gegendemo sogar extra leute, die hippies hassen.
        keine gute voraussetzung dafür, dass es friedlich bleibt. es trennt jedenfalls mehr, als dass es einen starken gegendemoblock schafft.
        eigentlich gehts hier ja begrüßenswerterweise gegen die “bewegung leipzig” und nicht gegen krankenschwestern, metaller, bdsmler, schwule oder hippies.

        schöne grüße
        phine

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