Am 17. Januar rief das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ zur gemeinsamen Anreise zu den Protesten gegen den Neonaziaufmarsch nach Magdeburg auf.
„Alle Jahre wieder treffen sich in Magdeburg Neonazis um der Bombardierung der Stadt am 16. Januar 1945 „zu gedenken“. Dabei werden nicht nur fiktive Opferzahlen und Schadenssummen verbreitet, sondern vor allem rechtsradikales Gedankengut. Dem Aufruf der NPD folgten insgesamt rund 160 Faschist*innen aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Das wollten wir natürlich nicht unwidersprochen lassen“, erklärt Joschka Fux vom SDS Leipzig.
Mehrere Demonstrationen und zahlreiche Kundgebungen wurden von diversen zivilgesellschaftlichen und linken Akteur*innen durchgeführt. So startete bereits um 15 Uhr die Demonstration von „Fridays for Future“ am Hauptbahnhof in Magdeburg. Überregional wurde für die Demo mobilisiert und das mit großem Erfolg! Über 1.000 Personen gingen gegen Faschismus und für Klimagerechtigkeit auf die Straße. Gut eine Stunde vor dem geplanten Nazi-Aufmarsch begann am Neustädter Bahnhof im Norden der Stadt auch die Auftaktkundgebung der zentralen Gegendemonstration Nazis wegbassen! des Bündnisses Solidarisches Magdeburg und REGINA.
Es folgten, nach Streckenverlegung des rechten Aufmarsches, mehrere friedliche Sitzversammlungen der Protestierenden. Diese wurden von der Polizei zum Großteil unter Einsatz von massiver Gewalt und Pfefferspray geräumt oder eine Räumung versucht. Gleichzeitig wurden Übergriffe aus dem Demozug der Nazis nicht unterbunden.
Auch die Abreise der angereisten Menschen gestaltete sich schwierig, da sie entweder nicht direkt in den Bahnhof gelassen wurden oder sogar aus Zügen rausgeworfen, um den rückreisenden Nazis den Vortritt zu lassen. Ein höchst fragwürdiges Verhalten der Polizei an dieser Stelle.
„Letztendlich bleibt uns nur, den Magdeburger Aktivist*innen zu danken, die einen bunten und diversen Gegenprotest auf die Beine gestellt haben. Jedoch ist auch auf die Staatsgewalt Verlass, die einem kläglichen Haufen von 160 Nazis unter allen Umständen den Weg frei räumen musste, damit diese für Faschismus, Nationalismus und Rassismus demonstrieren konnten. Doch auch wenn die Rechten mit allerhand Privilegien marschieren konnten, haben wir gemeinsam mit Antifaschist*innen von hier und dort klargemacht: Magdeburg hat keinen Bock auf Nazis!“, erklärt Marlen Heine (SDS Leipzig) abschließend.
Eine detaillierte Bilanz des Geschehens entnehmen Sie bitte dem Bericht im Anhang.
Nazi-Trauermarsch in Magdeburg, 17.01.2020
Alle Jahre wieder treffen sich in Magdeburg Neonazis um der Bombardierung der Stadt am 16. Januar 1945 „zu gedenken“. Dabei werden nicht nur fiktive Opferzahlen und Schadenssummen verbreitet, sondern vor allem rechtsradikales Gedankengut. Dem Aufruf der NPD folgten insgesamt rund 160 Faschist*innen aus Sachsen-Anhalt, Niedersachen, Sachsen und Schleswig- Holstein. Das wollten wir natürlich nicht unwidersprochen lassen.
Mehrere Demonstrationen und zahlreiche Kundgebungen wurden am Freitag, den 17. Januar 2020 von diversen zivilgesellschaftlichen und linken Akteur*innen angemeldet. So startete bereits um 15 Uhr die Demo von Fridays for Future am Hauptbahnhof in Magdeburg. Überregional wurde für die Demo mobilisiert und das mit großem Erfolg! Über 1.000 Personen gingen gegen Faschismus und für Klimagerechtigkeit auf die Straße. Parallel begann die Polizei um 16/16.30h mit dem Aufbau von Hamburger Gittern auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Hauptbahnhof.
Gut eine Stunde vor dem geplanten Nazi-Aufmarsch begann am Neustädter Bahnhof im Norden der Stadt auch die Auftaktkundgebung der zentralen Gegendemonstration Nazis wegbassen! des Bündnisses Solidarisches Magdeburg und REGINA. Während hunderte Bürger*innen an verschiedensten Aktionen für Antifaschismus und Toleranz teilnahmen, kam es im Innenstadtbereich zu erhöhter Bewegung von Kleingruppen in Richtung Süden. Seit dem Nachmittag hatte sich in den Netzwerken die Nachricht verbreitet, dass die Nazis nämlich nicht wie angekündigt am Hauptbahnhof ihren Marsch beginnen sollten, sondern am Buckauer Bahnhof.
Um 18.30h trafen die ersten Nazis auf dem Bahnhofsvorplatz in der Innenstadt ein, kurz nach 19 Uhr wurden sie per Zug zum Buckauer Bahnhof gebracht. Von dort aus sollte der „Trauermarsch“ über die Porsestraße – Schönebecker Straße – Schleinufer in die Innenstadt führen. Um 19.45h begann dann schließlich die Nazi-Demo mit Trommeln und brennenden Fackeln. Von Anfang an konnte beobachtet werden, wie einige Nazis vermummt mitmarschierten. Jedoch kam die Nazi- “Trauerversammlung“ nicht weit, denn bereits nach wenigen hundert Metern erwartete sie die erste Sitzblockade auf der Porsestraße. Diese wurde schnell und rabiat geräumt.
Der Marsch setzte sich jedoch nur bis zum Schleinufer / Höhe Sternbrücke fort. Dort gelang die zweite Blockade. Auch diese wurde mit aller unnötigen Gewalt von Seiten der Polizei geräumt. Ohne Ansage wurden Protestierende von einer Straßenseite auf die andere geschleift. Die Sitzversammlung wurde umstellt. Vereinzelte Menschen, die sich friedliche dazusetzen wollten, wurden mit Schlagstöcken und Pfefferspray bedroht, umgeworfen und gegen einen Bauzaun gestoßen, ehe sie sich den Gegendemonstrant*innen doch anschließen durften. Erstaunlich was Mensch über sich ergehen lassen muss, bevor erlaubt wird das eigene Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Als sich der „Trauermarsch“ näherte zogen die Polizist*innen zwei Ketten auf dem Grünstreifen zwischen den beiden Fahrbahnen – beide Ketten richten sich gegen die Antifaschist*innen aus. Neben der Polizeigewalt konnten mehrere Teilnehmer*innen des Gegenprotestest deutlich beobachten, dass sowohl die Räumung als auch die nachfolgende Maßnahmen sehr unkoordiniert vonstattengingen.
Nachdem den Rechten unter allen Umständen der Weg frei gemacht worden war, zogen diese weiter am Elbufer entlang Richtung Innenstadt. Kurz vor dem Gouvermentsberg richteten die Nazis in aller Ruhe ihre Zwischenkundgebung aus. Schließlich gelang um 20.45h auf dem Schleinufer / Höhe Landtag die dritte Blockade. Auch diese wurde wie die beiden vorherigen brutal aufgelöst. Die rechte Demo zog weiter Richtung Norden, an der Johanniskirche vorbei und auf die Ernst-Reuter-Allee. Auch hier kam es zu lautstarkem und sichtbaren Protest entlang der Route. Chaotische Szenen und Situation traten zu Tage, in denen die Polizei Teilnehmer*innen der verschiedenen Lager nicht adäquat auseinanderhalten konnte. Polizist*innen griffen ohne ersichtlichen Grund und teils sehr aggressiv Gegendemonstrant*innen an, schubsten sie und warfen einige zu Boden. Die 160 Nazis wurden von schätzungsweise mindestens 400 Polizeibeamt*innen geschützt.
Die letzte Sitzblockade dieses Abends versammelte sich erfolgreich auf der sehr breiten Ernst- Reuter-Allee / Höhe Ulrichsplatz. Die Staatsmacht versucht auch diese unter Einsatz von Pfefferspray aufzulösen. Als dies nicht zeitnah gelang, wurde die Nazidemo über den Gehweg an der Blockade vorbeigeführt. Währenddessen kam es von Seiten der Ordner*innen der Nazidemo zu Übergriffen auf Gegendemonstrant*innen und Passant*innen. Über die Otto-von-Guericke- Straße zogen die Nazis weiter Richtung Hauptbahnhof, wo ihre Abschlusskundgebung stattfand. Dank Hamburger Gitter war ihr Versammlungsplatz großzügig abgezäunt. Doch dem nicht genug wurden zweireihige Polizeiketten auf den Zubringerstraßen zum Bahnhofsvorplatz aufgestellt. Niemand konnte den Bahnhofsvorplatz betreten. Gegen 22 Uhr reisten die Faschist*innen unter lautstarker Begleitung aus den Seitenstraßen ab.
Wer von den Gegendemonstrant*innen zum Zug wollte, musste um den Bahnhof herumlaufen, um von der anderen Seiten in das Gebäude zu gelangen. Besitzer*innen von Fahrrädern, die zwischen der Polizeikette und den Gittern abgeschlossen waren, wurden nicht zu ihren Rädern durchgelassen. Eine junge Frau mit Ticket und Reisekoffer – erkennbar NICHT dem Gegenprotest zuzurechnen – wurde der Zutritt zum Bahnhof verwehrt. Schließlich warf die Polizei einige aus Leipzig angereiste Demonstrant*innen aus ihrem Zug, der kurz nach 22 Uhr fahren sollte. Das Argument lautete, dass noch 60 Nazis im Zug mitfahren würden. Am Ende saßen 20 Nazis im besagten Zug. Jedoch wurden nicht alle Gegendemonstrant*innen aus dem Zug geholt.
Zuletzt stellt sich das Bündnis Solidarisches Magdeburg einige ungeklärte Fragen:
- Weshalb hat die Polizei Angriffe von Nazis auf Gegendemonstrant*innen oder Passant*innen nicht konsequent unterbunden?
- Was wurde unternommen, um Bedrohungen und verbale Angriffe auf Journalist*innen zu unterbinden?
- Mit welcher Begründung wurden Gegendemonstrant*innen angegriffen, und warum auch jene, die sich zum Teil in weiter Entfernung zum Aufmarsch der Neonazis befanden?
- Warum konnten sich Teilnehmer der Neonazi-Demonstration aus dem Aufzug lösen, um daraufhin Leute anzugreifen?
- In der Vergangenheit wurden in anderen Bundesländern immer wieder Fackeln und Trommeln als Aufzugsmittel bei Neonazi-Demonstrationen verwaltungsgerichtlich untersagt. Warum ist das in Magdeburg seit Jahren nicht der Fall?
- Weshalb wurde der Aufzug der Neonazis trotz zum Teil voll vermummter Teilnehmer nicht zeitweise gestoppt und weshalb wurden die vermummten Teilnehmer nicht vom Aufzug entfernt und erkennungsdienstlich behandelt?
- Mit welcher rechtlichen Begründung werden Menschen daran gehindert, mit dem Zug zurück in ihre Städte zu fahren, während den Neonazis der Vorzug gegeben wird, diese Züge zu benutzen?
Letztendlich bleibt uns nur, den stabilen Magdeburger Aktivist*innen zu danken, die einen bunten und diversen Gegenprotest auf die Beine gestellt haben.
Jedoch ist auch auf die Staatsgewalt Verlass, die einem kläglichen Haufen von 160 Nazis unter allen Umständen den Weg frei räumen musste, damit diese für Faschismus, Nationalismus und Rassismus demonstrieren konnten. Doch auch wenn die Rechten mit allerhand Privilegien marschieren konnten, haben wir gemeinsam mit Antifaschist*innen von hier und dort klargemacht: Magdeburg hat keinen Bock auf Nazis!
*Alle Blockaden waren friedliche Menschenblockaden – es wurde friedlich, mit den eigenen Körpern, sitzend, blockiert
Pressemitteilung: Leipzig, 23.01.2020
Bildquelle: Bündnis Solidarisches Magdeburg