Dokumentiert: Pegida wird nach Spaltung radikaler (nd)

Original bei Neues Deutschland vom 11.02.2015

Trotz Verbot versammelten sich Legida-Anhänger in Leipzig / Dresdner Bewegung hetzte gegen Antifa, Politiker und den Islam
Seit dem internen Zerwürfnis kommen deutlich weniger Aktivisten zu Veranstaltungen der Pegida-Bewegung als zuvor. Die Mehrheit von ihnen rückt weiter nach rechts.

Götz R. war die Ruhe selbst. Der Journalist von Radio Corax, einem freien Sender aus Halle, war am Montagabend auf den Leipziger Willy-Brandt-Platz gekommen, um die Demonstration des Aktionsnetzwerks »Leipzig nimmt Platz« gegen Legida zu unterstützen. Mit seinem weißen Lieferwagen, der die Aufschrift »Castor-Radio« trägt, begleitete er die Kundgebung. Und er war der festen Überzeugung, dass »nichts Schlimmes passieren wird«. Denn die Stadt Leipzig hatte die ebenfalls für Montag geplante Demonstration von Legida kurzfristig mit Berufung auf einen polizeilichen Notstand untersagt. Nun wurde befürchtet, dass sich die Anhänger der islamfeindlichen Bewegung trotzdem in Leipzig versammeln. Im Internet kursierten Aufrufe zu einer Spontandemo. Doch R. war optimistisch: »Das regnerische Wetter spielt uns in die Karten. Außerdem sind wir genug Leute.«

Stunden später war diese Hoffnung zerschlagen. Etwa 100 Legida-Anhänger aus der Hooligan- und Neonaziszene versammelten sich auf dem Augustusplatz. Einige der rund 1000 Gegendemonstranten versuchten zu blockieren. Die Polizei trennte beide Lager und ging dabei stellenweise sehr rabiat vor. Gegendemonstranten wurden zurückgedrängt, auch Journalisten sollen geschlagen worden sein.

»Wir haben die Versammlung aufgelöst und in der Bahnhofshalle die Personalien der Legida-Teilnehmer festgestellt«, sagte Uwe Voigt, Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig. Die harte Gangart der Polizisten verteidigte er: »Was sollen wir denn machen? Wir hatten es mit rechten und linken gewaltbereiten Demonstranten zu tun. Alle hacken immer auf der Polizei herum. Ich kann das überhaupt nicht verstehen.«

Radio Corax

Zuvor hatten die Gegendemonstranten friedlich gegen Legida protestiert. Das Aktionsnetzwerk »Leipzig nimmt Platz« hielt auf dem Willy-Brandt-Platz neben dem Hauptbahnhof eine Kundgebung ab. Zeitgleich liefen Kirchenvertreter nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche mit Kerzen über den Leipziger Ring. Am Hauptbahnhof schlossen sich beide Gruppen zusammen, nachdem Hooligans und Neonazis mehrfach versucht hatten, die Kundgebung von »Leipzig nimmt Platz« zu stören. »No Legida« zog im sozialen Netzwerk Facebook ein positives Fazit: »Alles in allem ein erfolgreicher Abend. Zu Legida bleibt nur eins zu sagen: Ihr braucht für eure ›Revolution‹ offensichtlich doch das Ordnungsamt.«

In Dresden verschärft sich der Ton

Scharfe Töne gegen den Islam, Hetze gegen Politiker, offener Antiamerikanismus: Der Ton bei Pegida in Dresden scheint sich nach der Spaltung zu verschärfen. Auf einer Kundgebung vor der Frauenkirche wurde die SPD als »Scharia-Partei Deutschlands« gegeißelt, der Rathauschef von Leipzig als »Volksverräter« beschimpft, und die Behauptung einer Rednerin, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, erhielt tosenden Applaus. Der radikale Kurs der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« findet mehr Zuspruch als der des weichgespülteren Ablegers »Direkte Demokratie für Europa«. Deren Kundgebung am gleichen Ort, die von Ex-Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel angeführt worden war, hatten am Sonntag nach Polizeiangaben rund 700 Menschen besucht; die Zahl der Pegida-Anhänger einen Tag später wurde auf 2000 geschätzt.

Der schärfere Kurs wurde vor allem in den Redebeiträgen des Abends deutlich. Die ehemalige AfD-Politikerin Tatjana Festerling aus Hamburg ließ sich über »pöbelnde Apparatschiks in den Parlamenten« ebenso aus wie über die Antifa als »neue Herrenmenschen«. Bei ihrer Rede erntete sie nur einmal Widerspruch – als sie die Zahl der Dresdner Bombenopfer vom 13. Februar 1945 historisch korrekt auf 25 000 bezifferte. Viele der Zuhörer protestierten. In rechten Kreisen kursieren deutlich höhere Zahlen.

Seinen ersten Dresdner Rednerauftritt hatte zudem Götz Kubitschek. Der Verleger und Publizist wurde von der »Zeit« als »wichtigste lebende Ikone der Neuen Rechten« bezeichnet. Vor drei Jahren veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel »Deutsche Opfer, fremde Täter – Ausländergewalt in Deutschland«. »Die Verachtung des Eigenen muss ein Ende haben«, sagte er am Montagabend und fügte unter starkem Applaus hinzu: »Wir sind bereit, unser Eigenes zu verteidigen.«

In Dresden gab es einige hundert Gegendemonstranten. Protest gegen Pegida wurde auch in anderer Form geäußert: Der Pfarrer der Frauenkirche ließ während der Dauer der Kundgebung das Licht in und an dem weithin sichtbaren Bauwerk ausschalten.

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