Um Raum für Proteste gegen die Nazikundgebung am 20.8.2011 zu schaffen, haben verschiedene im „Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz“ aktive Vereine, Initiativen und Organisationen Kundgebungen in der Nähe des Aufmarschortes der Nazis am Völkerschlachtdenkmal angemeldet. In den Koordinationsgesprächen zeigten sich Ordnungsamt und Polizei nicht einverstanden mit der Wahl der angemeldeten Orte. Mit Auflagenbescheiden, die am heutigen Tag verschickt wurden, wurden jedoch vier von fünf aus Reihe des Aktionsnetzwerkes angemeldete Kundgebungsplätze bestätigt.
Nunmehr stehen als Kundgebungsorte fest (jeweils ab 9:00):
- Ludolf-Colditz-Str./ Schönbachstr.
- Richard-Lehmann-Str. / Tabaksmühle
- Kundgebung Südfriedhof.Osttor/ Prager Str.
- Naunhofer Str./ Holzhäuser Str.
Der Auflagenbescheid für die Kundgebung Friedhofsweg/Straße des 18. Oktober steht noch aus. An diesem Platz soll die Kundgebung von Leipzig.Courage zeigen, mit Redebeiträgen und Live-Musik stattfinden.
Darüber hinaus finden zwischen 12 und 16 Uhr an verschiedenen Stolpersteinen im Stadtgebiet Mahnwachen statt (download Übersicht).
Update: Die Antifa-Demo wurde abgesagt.
Am Freitag hat die Stadt Leipzig zudem für den 20.8. von 6 bis 20 Uhr eine Allgemeinverfügung erlassen. Danach sind unter anderem der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit sowie das Mitführen von Alkohol, Glasflaschen und Getränkedosen untersagt. Der räumliche Geltungsbereich der Allgemeinverfügung umfasst abschnittsweise die Zwickauer Straße, die Semmelweisstraße, die Philipp-Rosenthal-Straße, die Prager Straße und den Weg um das Völkerschlachtdenkmal einschließlich Wall.
Die Allgemeinverfügung gilt natürlich auch für die Anhänger der NPD, die heute ebenfalls die Auflagen für ihre Hetzveranstaltung bekommen haben, in denen u.a. „die Beschränkung der Versammlungsörtlichkeit, die mitgeführten Kundgebungsmittel, die Beschränkung der Lautstärke und Beschallungsintensität, Uniformverbot und das Verbot bestimmter Parolen und Liedtexte“ niedergeschrieben sind.
Die NPD Sachsen selbst behauptet derweil auf ihrer Internetseite Strafanzeige gegen „Mitglieder und Führungskräfte“ des Aktionsnetzwerkes gestellt zu haben Konkret gehe es ihnen dabei um den „Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB), der versuchten und vollendeten Erfüllung des Straftatbestandes des § 21 Versammlungsgesetz und der Vollendung des Straftatbestandes der Untreue (§ 266 StGB) bzw. der Anstiftung hierzu.“ Bereits im Vorfeld des 16.10.2010, als Nazis in Leipzig gleich vier Demonstrationen veranstalten wollte, behauptete der jetzige NPD-Sachsen-Vize Maik Scheffler nicht nur gegen Protagonisten von „Leipzig nimmt Platz“, sondern auch gegen alle Fraktionsvorsitzenden im Leipziger Stadtrat sowie gegen OBM Burkhard Jung Verfahren eingeleitet zu haben. Wie damals könnte die Ankündigung der NPD Sachsen vom 11.8.2011 sich auch diesmal als Nebelkerze erweisen.
Leipzig handelt konsequent!
Ein Zwischenbericht zum 20.08.
Der Wählervereinigung Leipzig (WVL) e.V. liegt nunmehr schriftlich die Verfügung zur angemeldeten Kundgebung (Anmelder WIR e.V.) „Massenpicknick Psalm 23 – Wir bereiten den Tisch im Angesicht unserer Feinde“ vor. Im Ergebnis der Koordinierungsgespräche hält die Stadt Leipzig konsequent am festgelegten Trennungsgebot fest. Schade, denn in der Landeshauptstadt Dresden hat Frau Oberbürgermeisterin für Europas größten Naziaufmarsch im Februar 2012 schon Protestmöglichkeiten in Hör- und Sichtweite zugesagt.
Entgegen der Anmeldung auf dem Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal und „im Angesicht des Feindes“ ist die Kundgebung ans Osttor der Alten Messe in 04303 Leipzig, Prager Straße 200 von der Versammlungsbehörde zwangsweise verlegt worden. Die Äußerung „Die Nazis kommen mit der S-Bahn, der Protest kann beim Aussteigen direkt erfolgen“ erscheint der Forderung des Schutzbereiches des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes ausreichend zuträglich zu sein.
Wie breit kundgetan, erwägen die Organisatoren der Bürgerkampagne „Leipzig-nimmt-Platz“ gegen die gleichlautenden Entscheidungen zu ihren Anmeldungen bis zur höchstrichterlichen Rechtsprechung juristische Maßnahmen einzuleiten. Das Ergebnis dieser wird im Freistaat Sachsen mit seiner teilweisen obskuren Rechtspraxis (z.Bsp. Dresdner Funkzellenauswertung am 19.2. und Beutezug auf kirchlichem Boden des nachbarlichen Freistaates in der vergangenen Woche) in jedem Fall der praktizierten Demokratie wegweisend sein.
Und es wird sich zeigen, wie unser Oberbürgermeister Burkhard Jung, als EX-Lehrer der humanistischen Weltanschauung verpflichtet, auf den offenen Brief des Bündnisses reagiert.
Zurück zur Hauptsache.
Es gibt nunmehr zwei Möglichkeiten aus der offiziellen Verfügung zur angemeldeten Kundgebung PSALM 23:
1. Da sicher zum Massenpicknick (Picknick definiert das Mitbringen von Speisen und Getränken zum Eigenverzehr. Begründung Versammlungsverfügung S4.Abs.6, © PPHW) keiner den traditionell schon am Freitag von Oma angerichteten Sonntagsbraten mitbringen wird und auch eine Kartoffelbeilage (hartkochend) nach Auflage 3 der Verfügung als gefährliches Wurfgeschoss definiert werden könnte, erscheint es sinnvoll am Osttor der Alten Messe einen Erbsen-Weitwurf-Wettbewerb durchzuführen. (Anm.: Bitte im Beutel mitbringen, keine Gläser, keine Büchsen. VERBOTEN!) Unser Zentralorgan könnte mit einem Foto der Veranstaltung unter dem Titel „Klamauk gegen rechts“ ihre Leser beglücken.
Da die angemeldete und genehmigte NPD-Kundgebung in ca. 400 m Entfernung stattfindet, geht von dieser möglichen Wurfgeschossart auch keine Notsituation aus. Diese Auflage wäre erfüllt.
ODER
2. Wir folgen der Rechtlichen Würdigung der Versammlungsbehörde zur Auflage Nr. 1 Abs. 2 (Platzzuweisung am Osttor der Alten Messe): „Es wäre somit eine Versammlung in einer Versammlung. Auch wenn diese Konstellation denkbar ist, entspricht diese jedoch nicht der Realität von Versammlungen bzw. Demonstrationen. Opponierende Gruppen in einer Versammlung geben im Regelfall ihre Teilnehmerschaft nicht auf, auch dann nicht, wenn sie zu Störern werden. Gerade mit ihrer Störung dokumentieren sie, dass sie auf die Ausgangsveranstaltung fixiert bleiben…. “ (§§11 Abs.1, 18 Abs.3, 19 Abs.4 VersG)
Das Grundgesetz der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit kennt keine Gründe, die Teilnahme an der angemeldeten und mit Erstanmelder-Privileg genehmigten NPD-Kundgebung jeglichen Bürgern diesen Willens zu verweigern!
Die Kundgebung PSALM 23 würde dann abgemeldet.
Wir brauchen dabei keine Angst zu haben. Selbst Horst Wawrzynski muss „seinen Engeln nicht befehlen, dass sie uns auf allen unseren Wegen begleiten“, denn wenn 27 NPD-Kundgeber kommen, sind mindestens 14 Beamte vom Verfassungsschutz darunter. Und mindestens als einer der Chefs.
Sonst wäre die Truppe schon lange verboten.
„Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.”
(Joh. 14,27)
Schalom alejchem, Salam aleikum.
Karsten Kietz [iNd. Anmelders WIR e.V.]
„Sind Grundrechte in Leipzig wieder aus der Mode gekommen?“
Die Wählervereinigung Leipzig WVL wurde informiert, dass am heutigen Nachmittag die Mitgliederversammlung der Wählerinitiative Realität – Die Zukunftswerkstadt e.V. (ordentliches Mitglied der WVL) beschlossen hat, mit Empörung gegen die Nichtgewährung des Grundrechtes auf Protestbekundung in Hör- und Sichtweite von politischen Kundgebungen (NPD 20.08.2011 Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal) die angemeldete Veranstaltung „PSALM23 – Wir bereiten den Tisch im Angesicht unserer Feinde“ nach der Zwangsverlegung an das Osttor der Alten Messe abzumelden.
Karsten Kietz [WVL]