Rückblick auf Halle am 1.5.2011

900 Neonazis demonstrieren in Halle/ Saale. Entschlossener, dynamischer antifaschistischer Protest behindert veränderte Aufzugsroute. Überforderte Polizei versucht den Weg des geringsten Widerstandes

Mehrere Hundert Nazis marschierten am 1. Mai 2011 unter dem Motto „Zukunft durch Arbeit – Fremdarbeiter stoppen!“ durch Halle/ Saale. In gewohnter Manier nutzten sie den “Tag der Arbeit” um ihre Vorstellung von “schaffender, deutscher Arbeit” gegen den “raffenden”, “globalisierten Raubtierkapitalismus” in Stellung zu bringen. Darüber hinaus machten die dem “Freie Kräfte”-Milieu zugehörigen Veranstalter und Teilnehmenden der Demonstration die mit dem 1. Mai einsetzende Arbeitnehmerfreizügigkeit für Menschen aus östlichen EU-Mitgliedsstaaten zum Thema. In ihrem Aufruf zur Demo in Halle hetzen sie gegen eine „Fremdarbeiterinvasion“, die mit der Aufhebung der Benachteiligung von grenzüberschreitend Erwerbstätigen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik, Slowenien und Ungarn eintreten würde (was – mit sicherlich differenter Konnotation – auch von Unternehmerverbänden /sehen darin eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel/, Gewerkschaften /wollen Mindesllöhne um Lohndumping zu verhindern/ und institutionalisierter Politik /will verschiedenes/ zurückgewiesen wird).

Aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen,Thüringen, Brandenburg, Sachsen und natürlich Sachsen-Anhalt waren an die 900 Nazis, vor allem aus dem Spektrum der “Freien Kräfte”, nach Halle angereist. Rund 2000 Menschen gingen auf die Straße um deren Aufmarsch zu verhindern. Die scheinbar überforderte Polizei wollte den Weg des geringsten Widerstandes gehen. So ließ sie Blockaden der genehmigten Nazi-Route gewähren und trat anfangs eher zurückhaltend auf. Der Grund dafür wurde klar, als die Nazidemo recht pünktlich nach 13 Uhr losmarschierte: eine veränderte Route. Die AntifaschistInnen reagierten darauf dynamisch und versuchten mehrfach die neue Naziroute zu behindern. Dies gelang begrenzt – mehrfach wurde der Aufmarsch mit lauten Sprechchören und auch Wurfgeschoßen gestört, allerdings nicht verhindert. Kurz bevor die Nazis ihre Wegstrecke zum Bahnhof beendeten, kam es zu einer kleinen Eskalation. Der sich offensichtlich durch die mehreren Hundert protestierenden AntifaschistInnen gestört fühlende hintere Teil der Nazidemo begann gewaltvoll das dünne Polizeispalier zu durchbrechen. Die Polizei reagierte ebenso gewaltvoll – sowohl gegen Neonazis als auch die Protestierenden wurden Pfefferspray und körperliche Gewalt eingesetzt.
Das Fazit aus dem Tag: die Nazis konnten zwar eine weniger attraktive, weil nicht die Innenstadt tangierende Route laufen, als sie angemeldet hatten, nichts desto trotz konnten sie demonstrieren und erreichten beinah die befürchtete TeilnehmerInnenzahl von 1000 Personen. Die Polizei, die die neonazistische Mobilisierungskraft klar unterschätzt hatte, setzte das Demonstrationsrecht der Nazis durch. Mittels Nicht-Information über die Routenverlegung und – auch gewaltsamer – Abschirmung der Nazis behinderte sie wirksamen zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Protest. Die Mobilisierung von “Halle blockt” und den Antifaschistischen Gruppen Halle muss zu guter Letzt als Erfolg bewertet werden. Nachdem die Aktionen gegen vergangene Naziaufmärsche in der Saalestadt scheiterten und für Frust sorgten, konnte mensch am 1.5.11 in Halle gute Konzepte und Infostrukturen vorfinden.

(Jule Nagel, 1.5.11)

Links:

* Auswertung Halle blockt, 3.5.11
* Auswertung der Antifaschistischen Gruppen Halle,1.5.11
* Interview: Ein Resümee mit David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus, Miteinander e.V.
* Bilder I http://www.flickr.com/photos/rassloff/sets/72157626497301823/
* Bilder II http://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/sets/72157626501324505

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